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Ehemaliger Papst: Benedikt geht mit der katholischen Kirche hart ins Gericht

Ehemaliger Papst

Benedikt geht mit der katholischen Kirche hart ins Gericht

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    Benedikts Bayern-Besuch jährt sich zum zehnten Mal.
    Benedikts Bayern-Besuch jährt sich zum zehnten Mal. Foto: Matthias Schrader, dpa

    Er ist fast 90 Jahre alt. Er bereitet sich aufs Sterben vor. Sein „wohl endgültiges Testament“ hat er festgelegt. Er räumt ein, „in gewisser Hinsicht“ Angst vor dem Tod zu haben. Er nennt sich ein „armseliges Männlein“.

    Es sind Worte, die überraschen, erstaunen und nachdenklich stimmen. Weil sie ein Papst spricht. Weil sie vom 2013 zurückgetretenen, vom deutschen Papst stammen – veröffentlicht im Interviewband „Benedikt XVI. – Letzte Gespräche“, der heute erscheint und als Sensation beschrieben wird. Nicht zuletzt von Peter Seewald, dem Journalisten, der Benedikt interviewt hat. Eigentlich für die Biografie, an der er arbeitet.

    „Letzte Gespräche“ veröffentlicht er nun schon vorher und mit Genehmigung Benedikts, der mit bürgerlichem Namen Joseph Ratzinger heißt. Seewald sieht in dem Interviewband ein „geschichtliches Dokument“, in dem noch einmal „Ratzinger pur“ zu hören sei. Ohne „mediale Verzerrung“.

    Das Buch erscheint genau an dem Tag, an dem sich Benedikts Besuch in seiner bayerischen Heimat zum zehnten Mal jährt. München, Altötting, Marktl, Regensburg und Freising. Hunderttausende jubelten ihm zu, riefen „Benedetto“. Sechs Tage im September 2006, ein katholisches Sommermärchen. Es wurden „Benedikt-Torten“ und „Papst-Bier“ verkauft. Heute mutet das an wie eine Erzählung aus längst vergangenen Zeiten. Die Begeisterung über Benedikt legte sich schnell.

    Benedikt sorgt nach wie vor für Schlagzeilen

    Selbst die Produktion des weltweit bekannt gewordenen „Papst-Bieres“ der Brauerei Weideneder aus dem niederbayerischen Tann, das „bereits 19 Stunden nach der Papst-Wahl“ in Marktl ausgeschenkt worden sei, werde wohl bald eingestellt, sagt

    Benedikt allerdings, der weitgehend „verborgen vor der Welt“ im Vatikan lebt, sorgt nach wie vor für Schlagzeilen. Schließlich ist das Interesse daran riesig, was ein Papst zu sagen hat – erst recht, wenn es zwei Päpste gibt, einen emeritierten und, mit Franziskus, einen amtierenden.

    Wie also klingt „Ratzinger pur“? Er klingt gefasst, gelöst – nicht aber altersmilde. Mit der katholischen Kirche in Deutschland etwa geht er hart ins Gericht: „In

    "Papst-Bashing" und mediales "Dauerfeuer"

    Der zurückgetretene Papst spricht in einem Interviewband ganz offen über Persönliches.
    Der zurückgetretene Papst spricht in einem Interviewband ganz offen über Persönliches. Foto: Droemer-Verlag

    Peter Seewald macht keinen Hehl daraus, dass er das verbreitete eher negative Bild von Benedikt korrigieren möchte. Bereits im Vorwort seines Interviewbandes weist er den häufig geäußerten Vorwurf gegenüber dem emeritierten Papst zurück, ein schwaches Kirchenoberhaupt gewesen zu sein, und kritisiert ein „Papst-Bashing“, ein mediales „Dauerfeuer“ gegen Benedikt. In einem Interview mit der Zeit-Beilage „Christ & Welt“ sagte er: „Es hat sich in den gut drei Jahren seit seinem Rücktritt eine Lesart eingeschlichen, die mich regelrecht wütend macht: Joseph Ratzinger war die falsche Wahl als Papst, und das Größte an seinem Pontifikat war sein Rücktritt. Was für ein Unsinn!“

    In dem Interviewband betont Benedikt ein weiteres Mal unmissverständlich, er sei nicht auf Druck, wegen Intrigen im Vatikan oder wegen des „Vatileaks“-Skandals um von seinem Schreibtisch gestohlene vertrauliche Dokumente zurückgetreten. Italienische Medien spekulierten damals, er sei zu einem Problem für die Kirche geworden, ihm sei die Kontrolle über die mehr als 1,2 Milliarden Mitglieder zählende katholische Kirche entglitten. Er sei ungeeignet, sie als Papst zu führen. Er sei erpresst worden, auch ein Schwulennetzwerk im Vatikan habe damit zu tun.

    Ist Benedikt ein Verkannter?

    Benedikt weist das alles zurück – „völliger Unsinn“. „Man darf nie weggehen, wenn es ein Davonlaufen ist. Man darf nie vor Pressionen weichen. Man darf nur weggehen, wenn niemand es verlangt. Und niemand hat es verlangt zu meiner Zeit. Niemand.“ Nur eines räumt er ein – die Existenz „einer“ Gruppe Homosexueller, „vier, fünf Leute vielleicht, die wir aufgelöst haben“. Das war jedoch bereits vor zwei Monaten durchgesickert.

    Für Seewald ist Benedikt, über den er gerne in Superlativen spricht, ein Verkannter. Einer, der zu Unrecht als hartherziger konservativer Hardliner dargestellt wurde und wird; der zu Unrecht als einer beschrieben wird, der von kirchlichen Skandalen oder von seinen Amtsgeschäften überfordert gewesen sei.

    In „Letzte Gespräche“ wird ein anderes Bild gezeichnet – von Seewald und Benedikt. Der gibt tiefe Einblicke in sein Leben und erscheint dadurch weniger als unnahbarer Stellvertreter Christi auf Erden denn als Mensch mit gewöhnlichen Sorgen. "Kommentar

    Benedikt XVI., Peter Seewald: Letzte Gespräche. Droemer HC, 288 Seiten, 19,99 Euro. Das „Vermächtnis des deutschen Papstes“, so der Verlag, erscheint heute.

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