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Edmund Stoiber wird 70: Ein Blick zurück – ganz ohne Groll

Edmund Stoiber wird 70

Ein Blick zurück – ganz ohne Groll

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    Edmund Stoiber.
    Edmund Stoiber. Foto: dpa

    Es ist noch gar nicht so lange her, dass Edmund Stoiber sich mit einem erzwungenen Rücktritt von der politischen Bühne verabschiedete. Doch wenn Kanzlerin Angela Merkel, Bayern-Boss Uli Hoeneß, CSU-Chef Horst Seehofer und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso heute zur Feier seines 70. Geburtstags (wir berichteten) ins Münchner Prinzregententheater kommen, dann wird es für sie und die vielen anderen prominenten Gäste vermutlich eine Reise in eine ferne Vergangenheit. Die Welt hat sich in den vier Jahren rasant verändert: Die CSU hat ihre absolute Dominanz im Freistaat verloren, Atomkraftwerke sind auch aus der Sicht der Technikbegeisterten nicht mehr der Gipfel des technischen Fortschritts, die Bayerische Landesbank hängt am Tropf des Staates und sogar die einst so selbstbewussten Laptop-und- Lederhose-Bayern sind angesichts der internationalen Finanzkrise ins Grübeln geraten.

    Eins hat sich verändert: Stoiber ist neuerdings pünktlich

    Edmund Stoiber aber hat sich nicht verändert. Er kommt zwar, wie sich beim Treffen mit unserer Zeitung zeigte, neuerdings pünktlich. Die Hetze des politischen Alltagsgeschäfts hat er hinter sich gelassen. Doch alles andere ist noch da: die Leidenschaft für bürgerlich-konservative Politik, der Wille, zu überzeugen, die Lust an der Konfrontation, das Ringen ums bessere Argument.

    Seinen Platz in der Geschichte hat Stoiber gefunden – als Erneuerer der CSU nach der Amigo-Affäre 1993 (gemeinsam mit Theo Waigel), als knapp gescheiterter Kanzlerkandidat der Union im Jahr 2002, als Seriensieger bei den Landtagswahlen in Bayern. 2003 schaffte er im Freistaat das nach Sitzverteilung beste Ergebnis, das je bei einer Landtagswahl in der Bundesrepublik Deutschland erzielt wurde. Doch was war seine eigentliche politische Leistung, seine Leistung für das Land?

    Seehofer: Erfolge Bayerns "untrennbar mit Stoiber verbunden"

    Horst Seehofer, sein Nach-Nachfolger als CSU-Chef und Ministerpräsident, dem ein durchaus angespanntes Verhältnis zu Stoiber nachgesagt wird, lobte ihn im Vorfeld seines 70. Geburtstags in den höchsten Tönen: „Der Aufstieg Bayerns an die Spitze aller Bundesländer, die gelungene Symbiose von Laptop und Lederhose, die schuldenfreien Haushalte als Ausdruck einer nachhaltigen Politik auch für künftige Generationen – all das ist untrennbar mit Edmund Stoiber verbunden.“ SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher hält mit einem hundsgemeinen Präsent dagegen. Er schenkt Stoiber ein Sparbuch der Kärntner Skandal-Bank Hypo Group Alpe Adria (HGAA) mit einem Guthaben von 37,50 Euro. Zur Erinnerung: Die Landesbank hatte noch unter Stoiber für 3,75 Milliarden Euro die Mehrheit an der

    Die Reden-Klassiker des Edmund Stoiber zum Problem-Bären, dem Transrapid, den Fußball-Brasilianern und der lodernden Glut zum Nachhören im rt1.-Audio-Stream.

    Der wirtschaftliche Erfolg Bayerns unter Stoiber freilich ist unbestreitbar. Er hat die technologische Modernisierung des einst reinen Agrarlandes, die unter seinen Vorgängern Alfons Goppel und Franz Josef Strauß eingeleitet worden war, konsequent vorangetrieben. Er hat Staatsbetriebe privatisiert und die milliardenschweren Erlöse in Forschungseinrichtungen und Fachhochschulen gesteckt. Dem Vorwurf der Opposition, er habe bayerisches Tafelsilber verschleudert, hält er entgegen: „Ohne dieses Geld hätten wir den Sprung an die Spitze nie geschafft. Wir haben das Tafelsilber vergoldet.“ Seit 1996 sei Bayern im Schnitt um ein Prozent stärker gewachsen als die Bundesrepublik als Ganzes.

    Er hat sein Ziel erreicht: Bayern kommt ohne neue Schulden aus

    Starke Sprüche von Edmund Stoiber

    «Wenn ich über die steuer- und erbrechtliche Anerkennung von homosexuellen Paaren diskutiere, kann ich gleich über Teufelsanbetung diskutieren.» (Stoiber über die Gleichstellung von Homosexuellen in einem dpa-Gespräch am 8. August 1991)

    «Liberalität heißt doch nicht, für alles offen zu sein und alles zu tolerieren! Wer für alles offen ist, ist nicht ganz dicht!» (Aus einer Rede zum Politischen Aschermittwoch in Passau, 8. März 2000)

    «Ich will noch kein Glas Champagner öffnen.» (Am Abend der - knapp verlorenen - Bundestagswahl, 22. September 2002. Erst später wurde die Niederlage Stoibers deutlich.)

    «Ich akzeptiere nicht, dass erneut der Osten bestimmt, wer in Deutschland Kanzler wird. Es darf nicht sein, dass die Frustrierten über das Schicksal Deutschlands bestimmen.» (Bundestagswahlkampf in Argenbühl, 4. August 2005. Der zweite Satz bezog sich laut Stoiber auf die «politischen Versager» Gregor Gysi und Oskar Lafontaine.)

    «Wenn es überall so wäre wie in Bayern, hätten wir überhaupt keine Probleme. Nur, meine Damen und Herren, wir haben leider nicht überall so kluge Bevölkerungsteile wie in Bayern.» (Bei einem Wahlkampftermin in Schwandorf am 10. August 2005)

    «Ich mache nicht nur leere Versprechungen, ich halte mich auch daran.» (Im Bundestagswahlkampf 2005)

    «Die CSU steht wie ein Mann und wie eine Frau hinter Ihnen!» (Zu Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel am 2. September 2005)

    «Es tut mir leid, dass ich mit meiner Entscheidung unsere Partei und Sie alle hier in eine schwierige Lage gebracht habe. [...] Ich leide selbst außerordentlich, ich leide wie ein Hund.» (Zum Verzicht auf ein Berliner Ministeramt am 14. November 2005)

    «... nur noch kaputte Familien. Außer den Simpsons gibt es keine normale Familie mehr im TV.» (Im Mai 2006 beim Empfang von ehrenamtlichen Kirchenmitarbeitern)

    «Edmund, der Dickschädel - das ist für mich eine Ehrenauszeichnung zur Verfolgung der bayerischen Interessen.» (Über die Verhandlungen zur Gesundheitsreform am 14. Oktober 2006)

    «Wir haben einen Unterschied zwischen dem normal sich verhaltenden Bär, dem Schadbär und dem Problembär. Und es ist ganz klar, dass dieser Bär ein Problembär ist.» (Über den Braunbären Bruno, der 2006 die Wälder an der bayerisch- österreichischen Grenze unsicher machte)

    In der Bildungs- und Sozialpolitik fällt die Bilanz längst nicht so rosig aus. Beim Ausbau von Kindertagesstätten und Ganztagsangeboten an Schulen musste der stramm Konservative angetrieben werden. Sogar seine eigene Partei räumt mittlerweile offen ein, dass die Bildungschancen zwischen Arm und Reich in Bayern ungerecht verteilt sind.

    Heute Abend wird in den Festreden im Prinzregententheater aber wohl ein ganz anderer, topaktueller Aspekt der Politik Stoibers im Mittelpunkt stehen. Als erster Ministerpräsident eines deutschen Landes setzte er schon in den späten neunziger Jahren alles daran, einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Er ließ sich davon auch nicht abbringen, als sich insbesondere im Jahr 2004 heftige Proteste gegen seinen scharfen Sparkurs formierten. 2006 hatte er sein Ziel erreicht.

    Seither kommt Bayern – lässt man den 10-Milliarden-Notkredit für die BayernLB außer Acht – ohne neue Schulden aus. Andere Länder in Deutschland und andere Staaten in Europa können davon nur träumen. Stoiber darf sich als Vorreiter feiern lassen. Alles andere ist abgehakt: der Ärger mit der Kanzlerin im Jahr 2005, als er Superminister in der Bundesregierung werden wollte. Die darauf folgende Führungskrise in der CSU. Die Revolte in Wildbad Kreuth 2007. „Ich bin dankbar für das, was ich machen durfte. Ich schaue nicht permanent zurück“, sagt Stoiber –ohne erkennbaren Groll.

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