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E-Scooter: Ein Jahr E-Scooter in Deutschland: Klimaretter oder Stolperfalle?

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Ein Jahr E-Scooter in Deutschland: Klimaretter oder Stolperfalle?

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    Seit rund einem Jahr fahren die E-Scooter durch viele deutsche Straßen. Bei den Anbietern ist das Fazit überwiegend positiv. Die Städte bleiben skeptisch.
    Seit rund einem Jahr fahren die E-Scooter durch viele deutsche Straßen. Bei den Anbietern ist das Fazit überwiegend positiv. Die Städte bleiben skeptisch. Foto: Christin Klose, dpa

    Die einen hassen sie, andere lieben sie: E-Scooter. Schon zu ihrer Einführung am 15. Juni im vergangenen Jahr waren die elektrischen Roller in der Öffentlichkeit heftig diskutiert worden. Kritiker prophezeiten hohe Unfallzahlen mit vielen Verletzten oder schlimmstenfalls sogar Toten. Befürworter, wie Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, lobten die Roller für ihren ökologischen Nutzen und hofften, die Verkehrsbelastung in den Städten mit ihrer Hilfe deutlich reduzieren zu können. Zwölf Monate sind inzwischen vergangen. Wir beantworten, ob die Nachfrage nach den E-Scootern in der Corona-Pandemie abgenommen hat, wie gefährlich sie wirklich sind und ob sie Autofahrer tatsächlich zum Umdenken bewegen konnten.

    Wie gut E-Scooter in Bayern ankommen

    Tier, Bird, Lime, Dott oder Voi - so lauten nur einige Namen der verschiedenen E-Scooter-Anbieter, die in Deutschland wie Pilze aus dem Boden geschossen sind. Aufgrund der Corona-Pandemie ist es auf den Straßen inzwischen jedoch ruhiger geworden. In München beispielsweise sind nach der unfreiwilligen Pause aktuell nur noch zwei Anbieter vertreten. Im Sommer des vergangenen Jahres, teilt Pressesprecher Johannes Mayer mit, seien dagegen noch rund 8000 E-Tretroller bei sieben verschiedenen Anbietern zur Verfügung gestanden.

    Über den Nutzen der Roller herrscht in den bayrischen Städten aktuell noch Unklarheit. Um ein genaues Bild zu erhalten, will die Landeshauptstadt München eine Evaluation durchführen. Aufgrund der Corona-Krise hatten sich jedoch die Vorbereitungen verzögert. Kein fester Bestandteil des Mobilitätskonzepts sind die E-Scooter dafür in Regensburg. "Nur 35 Fahrzeuge fahren durch unsere Innenstadt", sagt Pressesprecherin Tatjana Setz. Die Nachfrage, so ihr Eindruck, sei gering oder auf wenige Tageszeiten begrenzt. Das könnte auch an den vergleichsweise hohen Preisen liegen.

    Dass die E-Scooter dennoch einen wichtigen Baustein zur Erweiterung und Ergänzung des innerstädtischen Mobilitätsangebots darstellen, betont die Stadt Augsburg. Noch sei allerdings offen, ob die Fahrzeuge den Verkehr in den Innenstädten reduzieren könnten, sagt Baureferent Gerd Merkle.

    Diese Bußgelder blühen bei E-Scooter-Sünden

    Mit dem E-Scooter bei Rot über die Ampel zu düsen, kostet zwischen 60 und 180 Euro.

    Gelangt der Fahrer mit seinem Scooter auf die Autobahn, macht das 20 Euro.

    15 bis 30 Euro muss der Fahrer blechen, wenn er auf dem Gehweg rollt.

    40 Euro kostet es, ohne Versicherungskennzeichen zu fahren.

    Ist die Betriebserlaubnis nicht vorhanden, löhnt der Fahrer 70 Euro.

    Auch Nebeneinanderfahren ist nicht erlaubt: In diesem Fall müssen Fahrer mit jeweils 15 bis 30 Euro rechnen.

    Zufrieden zeigen sich dagegen die Anbieter. Trotz der Ausnahmesituation in den vergangenen Wochen ist das Unternehmen Tier, das unter anderem auch in Augsburg, München, Ingolstadt und Nürnberg vertreten ist, zufrieden mit der Entwicklung. Parallel zur rückläufigen Bewegungsaktivität der Menschen in der Corona-Pandemie, erklärt Sprecher David Krebs, sei in der Lockdown-Phase der Umsatz zurückgegangen.

    Ungeachtet der reduzierten Nachfrage und der erhöhten Sicherheitsmaßnahmen hatte der Anbieter entschieden, die E-Scooter auch für die Dauer der Krise weiter zu betreiben. "Mit den zunehmenden Lockerungen der Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen sehen auch wir wieder einen deutlichen Aufwärtstrend", sagt er. Ein Grund dafür, glaubt er, könnte der Wunsch viele Menschen sein, überfüllte Transportmittel zu meiden.

    Eine positive Bilanz zieht auch Konkurrent Dott. Trotz der anfänglichen Skepsis, teilt der deutsche Geschäftsführer Jimmy Cliff mit, seien die E-Scooter gut angenommen worden. Ein Nachfrageeinbruch hat auch das niederländische Unternehmen in der Corona-Pandemie verzeichnet. Anfang April hatte der Anbieter deshalb zunächst seine Flotte um 20 Prozent verkleinert. Ein Monat später konnten das Angebot allerdings bereits wieder aufgestockt werden. Für die Dauer des Lockdowns hatte der Betreiber Lime, seinen Betrieb weltweit sogar eingestellt. In vielen Städten können inzwischen aber wieder E-Scooter des Anbieters ausgeliehen werden.

    Alkohol und Handy am Steuer: Die Polizei registriert viele Verstöße

    Bei der Polizei fällt das Fazit ein Jahr nach der Einführung der E-Scooter eher nüchtern aus. Fahren auf dem Gehweg, falsch abgestellte Roller, Promillefahrten nach dem Feiern, mit dem Handy am Steuer oder eine Spritztour zu zweit: Die Liste der Verstöße ist lang. Immer wieder kommt es dabei auch zu Unfällen. Bis zum 30. April hat das bayerische Innenministerium 227 Verkehrsunfälle mit Beteiligung der E-Scooter registriert. 187 Menschen wurden dabei verletzt, 160 davon waren E-Scooter-Fahrer.

    32 Unfälle mit 29 Verletzten hat beispielsweise das Polizeipräsidium Schwaben Nord im Stadtgebiet Augsburg aufgenommen. Probleme, weiß Polizeioberkommissarin Maria Enslin, bereiteten vor allem Trunkenheitsfahrten. Wegen des Verdachts auf Alkohol am Steuer hatte die Polizei 285 Verfahren eingeleitet und dabei 81 Führerscheine sichergestellt. "62 Fahrer mussten oder müssen ihrer Führerscheine wegen eines Fahrverbots abgeben", sagt Enslin. Gegen 96 Fahrer sei außerdem ein Fahrverbot ausgesprochen worden, doch diese hätten entweder noch keinen Führerschein besessen oder ihn bereits wegen anderer Verkehrsdelikte schon abgegeben.

    Unfälle vermeiden: Wie E-Scooter im Straßenverkehr sicherer werden

    Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) wünscht sich zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen im Umgang mit den elektrischen Rollern. Gemeinsam mit der Prüfgesellschaft Dekra hatte der DVR Mitte Juni elf Vorschläge zur Erhöhung der Verkehrssicherheit publiziert. Neben einer Anpassung des Mindestalters und der Einführung einer Prüfbescheinigung spielt vor allem die Geschwindigkeit in den Forderungen eine Rolle. Pressesprecherin Julia Fohmann erklärt: "Zum Schutz der E-Scooter-Nutzer halten wir es für sicherer, das Tempo bei schwierigen Wetterverhältnissen automatisch zu drosseln.“

    Hilfreich wäre auch ein anderes Abrechnungsverfahren, glaubt der DVR. Würde der Miettarif für die E-Scooter nicht nach Zeit sondern nach Entfernung berechnet, so die Annahme, verringere das den Zeitdruck und wirke sich positiv auf die Sicherheit aus. Auch bei Fahranfängern, die sich zum ersten Mal einen E-Scooter ausleihen, könnte eine automatische Tempobegrenzung zum Einsatz kommen: "Wir haben festgestellt, dass viele Menschen die Geschwindigkeit der Fahrzeuge unterschätzen oder sich selbst überschätzen", sagt Fohmann. Steuern, Abbiegen, Bremsen, Anfahren und die Komplexität des Straßenverkehrs seien gerade zu Beginn für viele Fahrer eine Herausforderung. Außerdem erschwere der geringe Reifendurchmesser auch das sichere Kurvenfahren für ungeübte Nutzer.

    Fragen und Antworten rund um die E-Scooter

    Wer darf mit einem E-Scooter fahren?

    Einen E-Scooter ausleihen kann jeder ab 14. Jahren.

    Ist ein Führerschein notwendig?

    Einen Führerschein oder eine Mofa-Prüfbescheinigung ist aktuell nicht notwendig.

    Welche Ausstattung braucht ein verkehrstüchtiger E-Scooter?

    E-Scooter müssen mit zwei Bremsen, Klingel und Beleuchtung ausgestattet sein. Auch eine Versicherungsplakette ist Pflicht.

    Wie schnell dürfen E-Scooter fahren?

    Die zugelassene Höchstgeschwindigkeit beträgt 20 km/h.

    Gibt es eine Helmpflicht?

    Nein, es gibt keine Helmpflicht. Polizei und ADAC empfehlen das freiwillige Tragen eines Helms.

    Wo dürfen E-Scooter fahren?

    Fahren dürfen die E-Scooter auf Radwegen, Radfahrstreifen, Fahrradstraßen oder außerorts auch auf Seitenstreifen. Sollte kein Radweg vorhanden sein, ist das Fahren auf Gehwegen und Fußgängerzone nicht erlaubt.

    Darf mehr als eine Person auf einem E-Scooter fahren?

    Nein, es darf nur eine Person fahren. Ein Mitfahrer ist nicht erlaubt.

    Was gilt für Fahren unter Alkoholeinfluss?

    Es gilt die 0,5-Promille-Grenze. Wer mit diesem Alkoholwert E-Scooter fährt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Es kann ein Bußgeld erhoben oder der Führerschein entzogen werden.

    Welche weiteren Verkehrsregeln muss ich beachten?

    • Ohne Blinker muss Handzeichen gegeben werden.
    • Auf gemeinsamen Flächen muss Rücksicht auf den Radverkehr genommen werden.
    • Auf gemeinsamen Geh- und Radwegen haben Fußgänger Vorrang.
    • Einbahnstraßen dürfen nur in Fahrtrichtung befahren werden.
    • An E-Scooter dürfen keine Anhänger angebracht werden.

    Die Zahl der Unfälle, die ohne Fremdverschulden passierten, überwiegen nach Eindruck des DVR. Alkohol spiele dabei eine wesentliche Rolle, wie aus den Unfallzahlen deutlich wird. Da E-Scooter Kraftfahrzeuge sind, gelten dieselben Alkoholgrenzwerte wie beim Autofahren. Um Alkoholfahrten zu verhindern, spricht sich der DVR für eine Sperrfunktion für betrunkene Fahrer aus. "Eine Rechenaufgabe oder Verständnisfrage in der App des Anbieters wäre eine Hürde für alle, die Alkohol getrunken haben", sagt Fohmann.

    Generell fällt die Bilanz ein Jahr nach der Einführung der E-Scooter beim DVK aber positiv aus. In Städten, so ist der Eindruck, würden hauptsächlich Touristen und Geschäftsleute auf die neuen Roller setzen. Besonders beliebt ist das Transportmittel in der Altersgruppe von 28 bis 35, weiß Fomann.

    Kritik an E-Scootern: Das sind die Probleme

    Weniger gut kommen die elektrischen Roller allerdings beim Fußgängerverband Fuß an. Vor allem für sehbehinderte und alte Menschen, sagt Sprecher Roland Stimpel, sind die auf Gehwegen abgestellte E-Scooter eine gefährliche Stolperfalle. Unangenehm findet er auch die eingeschränkten Platzverhältnisse in der Corona-Pandemie: "Die abgestellten Roller erzwingen Gedränge und engere Kontakte, als man sich aktuell wünscht." Besonders groß sei das Problem an Sehenswürdigkeiten und in Kneipenvierteln. Der häufigste Beschwerdegrund, weiß auch Pressesprecher Johannes Mayer von der Stadt München, sei das behindernde Abstellen der Roller auf dem Gehweg. Ähnlich in Augsburg. Prinzipiell sei die Nutzung des öffentlichen Raumes durch E-Scooter von Verleihfirmen genehmigungsfrei, betont Baureferent Merkle. Bereiche, in denen die Roller also nicht abgestellt werden dürfen, habe die Stadt nur in Absprache mit den Anbietern festlegen können.

    Unfälle mit Fußgängern, sagt Stimpel vom Fußgängerverband, seien hierzulande glücklicherweise wenige registriert worden. Anders sehe das in Paris oder beispielsweise Barcelona aus. Trotzdem sieht er Verbesserungsbedarf: "Es gibt viele Rempeleien, wegen denen man sich zwar ärgert, aber nicht gleich zur Polizei geht." Abgesehen davon sei es gar nicht so einfach, sich zu beschweren. Weil viele E-Scooter-Fahrer in einer solchen Situation gleich weiterfahren würden und auch ihr Versicherungskennzeichen zu klein sei, um etwas erkennen zu können.

    Gespalten fällt auch das Urteil über die E-Scooter beim Bund Naturschutz aus. Laura Weis, Referentin für urbane Mobilität sagt: "In begrenztem Umfang kann es sinnvolle Einsatzmöglichkeiten für die Roller geben." Zur Frage, ob sie im Stadtzentrum tatsächlich das Auto ersetzen können, zeigt sie sich kritisch: "Oftmals werden Fußwege oder beispielsweise Fahrten mit der U-Bahn und dem Bus ersetzt."

    Abhängig davon für welches Verkehrsmittel die Roller zum Einsatz kämen, falle auch ihre Umweltbilanz aus. Der zusätzliche Stromverbrauch und der Rohstoffbedarf für die Akkus, so die Expertin, dürfe nicht vergessen werden. Kritik übt sie auch am Platzverbrauch durch die E-Scooter. "Dass sie Fußgänger vom Gehweg verdrängen, ist problematisch. Städte sollten stattdessen Stellflächen für Autos umwandeln", appelliert sie.

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