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Drama in Dillingen: Tod eines Dreijährigen: Kritik an den Behörden reißt nicht ab

Drama in Dillingen

Tod eines Dreijährigen: Kritik an den Behörden reißt nicht ab

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    Im Oktober starb ein Dreijähriger aus Dillingen auf tragische Weise. Das Kind war mit schweren Verletzungen die Augsburger Uniklinik gebracht worden und dort gestorben.
    Im Oktober starb ein Dreijähriger aus Dillingen auf tragische Weise. Das Kind war mit schweren Verletzungen die Augsburger Uniklinik gebracht worden und dort gestorben. Foto: Alexander Kaya (Symbol)

    War es menschliches Versagen? Wussten die Mitarbeiter der Ämter nicht, was sie tun sollen? Oder waren sie durch die Vorgaben des Datenschutzes eingeschränkt? Im Fall des Dillinger Buben, der im Oktober mit schweren Verletzungen in das Augsburger Uniklinikum gebracht wurde und dort starb, gibt es noch viele offene Fragen. Immer mehr aber zeichnet sich eines ab: Die ganze Sache hätte so nicht enden müssen. Das Leben des Kindes hätte womöglich gerettet werden können. Deswegen reißt die Kritik an den Behörden auch nicht ab. Die Bundestagsabgeordnete Ekin Deligöz (Grüne), die auch zweite Vorsitzende beim Deutschen Kinderschutzbund ist, sagt etwa, dass durch ein frühzeitiges Einschreiten der Behörden der Bub womöglich noch leben würde.

    Das Dillinger Landratsamt hatte Monate zuvor einen Hinweis bekommen. Eine Frau machte das Veterinäramt auf mögliche Missstände aufmerksam – die Informationen wurden aber nicht an das Jugendamt weitergegeben. Es spreche vieles dafür, dass das Veterinäramt in Dillingen rechtlich verpflichtet gewesen wäre, den Verdacht auf Kindeswohlgefährdung an das Jugendamt weiterzuleiten, meint Deligöz. Darauf weise zumindest Artikel 54 des Bayerisches Landesrechts hin. „Ohne jeden Zweifel wäre es aber zur Meldung beim Jugendamt befugt gewesen.“

    Eine Nachbarin hatte beim Veterinäramt angerufen

    Damals hatte eine Nachbarin der Familie des Buben beim Veterinäramt angerufen und gesagt, sie höre häufig Hunde in der Wohnung bellen, die Tiere dürften nie nach draußen. Die Mitarbeiterin des Veterinäramtes fragte, ob auch Kinder im Haushalt lebten – dies bejahte die anonyme Anruferin und berichtete dem Dillinger Landratsamt zufolge, dass die Kinder „eingesperrt“ seien.

    Das Veterinäramt sei nur dann verpflichtet, Informationen an das Jugendamt weiterzugeben, wenn ihm „gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung“ bekannt werden, sagt Peter Hurler, Sprecher des Dillinger Landratsamtes. „Dies trifft auf die beim Telefonat Anfang Juli 2019 durch die Anzeigeerstatterin übermittelten Informationen jedoch nicht zu.“

    Zur Situation der Kinder und zu den Wohnverhältnissen habe die Anruferin keine weiteren Angaben machen können. „Weitere Informationen, die auf gewichtige Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung hingedeutet hätten, wurden nicht mitgeteilt“, erklärt Hurler. „Wäre dies geschehen, so wäre seitens der Mitarbeiterin umgehend das Jugendamt informiert worden.“ Stattdessen habe die Mitarbeiterin die Anruferin gebeten, sich an das Jugendamt zu wenden – was dann allerdings nicht geschehen sei.

    Dass das Veterinäramt in solchen Fällen den Anzeigeerstatter an das Jugendamt verweise, sei darin begründet, dass derartige Meldungen immer wieder aus Familien- oder Nachbarschaftsstreitigkeiten resultierten und das Jugendamt daher Wert darauf lege, den gemeldeten Vorfall unmittelbar mit dem Anzeigeerstatter selbst zu verifizieren, fährt Hurler fort. Das Jugendamt Dillingen habe im Jahr 2018 insgesamt 258 Meldungen über eine Kindeswohlgefährdung erhalten, von denen sich jedoch nur 130 als zutreffend erwiesen hätten.

    Warum reagierte das Jugendamt in Halle nicht?

    Und warum hat das Jugendamt in Halle, das die Familie vor deren Umzug betreute, die Informationen nicht nach Schwaben weitergegeben? Das Amt argumentiert, dass die Familie nur bis zum Jahr 2017 Hilfen vom Jugendamt Halle bekommen habe – erst Anfang 2019 zog die Mutter dann mit ihren drei Kindern nach Dillingen. Die Behörden am neuen Wohnort zu informieren sei nur verpflichtend, wenn es eine aktuelle Betreuung gebe, rechtfertigt sich das Jugendamt in Halle. Und eben das sei nicht der Fall gewesen.

    Nachbarn zufolge hatte der dreijährige Junge keine sogenannten U-Untersuchungen, die Mutter ging mit ihrem Sohn offenbar nicht zum Kinderarzt. Das Tragische dabei: Das wäre nur dann aufgefallen, wenn das Kind in einer Kindertagesstätte angemeldet gewesen wären – was allerdings nicht der Fall war.

    Deligöz sagt, man müsse in Bayern die Einführung eines sogenannten Einladungswesens für Früherkennungsuntersuchunungen überprüfen. In anderen Bundesländern gebe es das bereits. So ein Meldewesen sieht Deligöz zufolge vor, dass Eltern, die eine Untersuchung versäumen, daran erinnert werden – und dann auch aufgesucht werden, um herauszufinden, ob es Probleme gibt.

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