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Donauwörth: Opfer schildern Missbrauch im Internat Heilig Kreuz

Donauwörth

Opfer schildern Missbrauch im Internat Heilig Kreuz

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    Johannes K. und andere Kinder haben Tränen in den Augen, wenn sie an ihre Zeit im Internat Heilig Kreuz in Donauwörth denken.
    Johannes K. und andere Kinder haben Tränen in den Augen, wenn sie an ihre Zeit im Internat Heilig Kreuz in Donauwörth denken. Foto: Wolfgang Widemann (Archiv)

    Johannes K. (die Namen der Schüler wurden geändert) hat am Montagvormittag ein mulmiges Gefühl, als er nach all den Jahren den Turm von Heilig Kreuz aus dem Auto heraus sieht. Das Kloster bestimmt seit eh und je die Silhouette Donauwörths. Hier besuchte K. das Internat der Herz-Jesu-Missionare, die es bis 2016 leiteten. Zwischen 1955 und 1961 lebte K. im

    Nun traf er sich mit anderen ehemaligen Internatsschülern sowie mit Vertretern des Ordens, um die schwere Vergangenheit aufzuarbeiten. Für viele der ehemaligen Schüler war es eine anstrengende Reise, zurück in düstere Zeiten.

    Missbrauch in Donauwörth: Eine Jugend voller Angst

    Dass es in dem Internat, das sich bis vor drei Jahren in dem imposanten, über der Stadt thronenden Klostergebäude befand, zu Gewaltausbrüchen von Lehrern und Patres kam, ist bekannt. Erst jetzt wurde allerdings deutlich, dass mindestens bis Mitte der 1990er Jahre geschlagen wurde, ja, dass Schüler regelrecht drangsaliert worden sind.

    So wie K.: Er beschreibt eine Jugend in Angst. Mit zehn Jahren sei er aus der Oberpfalz in das Internat geschickt worden. Seine Eltern hätten es gut gemeint, der Vater war hier einst Schüler gewesen. Er habe die Jahre in Heilig Kreuz zwischen 1913 und 1917 stets als die schönste Zeit des Lebens bezeichnet. Bei seinem Sohn war das Ganze von Anfang an das blanke Gegenteil: „Wir sind geschlagen worden. Systematisch und willkürlich“, sagt K. Unvermittelt hätten Lehrer und Patres „Kopfnüsse“ verteilt. Ein Patre sei gefürchtet gewesen wegen seiner „Klapperschlange“ – dabei handelte es sich um ein Kabel, mit dem auf die Hände eingedroschen wurde.

    Johannes K. hat hier, in den alten Räumen des Internats, viele solcher Szenen vor Augen. Szenen „der Angst, die sich eingeprägt haben“, wie er sagt: als der Klassenleiter einen Schulkameraden so heftig ohrfeigte, dass das Kind sieben bis acht Meter durch den Raum stolperte. Wieder und wieder habe der Klassenleiter das getan, von einer Ecke zur nächsten. K. berichtet von schikanösen Strafarbeiten, die schlicht nicht zu schaffen waren, weshalb dann neue Schläge drohten. Er spricht davon, wie er zu Gott gebetet habe, dass das Ganze doch enden möge. Es hörte auf, als er das Internat mit 16 Jahren verließ. Er sei überzeugter Christ, sagt K., er habe den Tätern vergeben, längst schon. Vergessen habe er aber nicht. Zu tief sitzen die Verletzungen. Lange hätten ihn Albträume geplagt, noch als erwachsener Mann sah er sich dann als gänzlich „machtloses Kind in diesen furchtbaren Jahren“.

    Die Ex-Schüler eint, dass sie über die dunklen Tage reden müssen

    Solch traurige Berichte sind immer wieder zu hören am Montag in Donauwörth. Am Rande des Treffens der ehemaligen Schüler mit Ordens- und Kirchenvertretern sagt Andreas Steiner, der Provinzial der Herz-Jesu-Missionare, der eigens aus Salzburg angereist war, dass es keinen Zweifel gebe an den beklemmenden Schilderungen der Schüler: „Das Leid, das durch einige meiner Mitbrüder angerichtet wurde, bleibt eine unbestreitbare Tatsache und macht mich sehr betroffen.“ „Zutiefst beschämend“ sei das Fehlverhalten der Patres und Pädagogen, die in Heilig Kreuz arbeiteten und schlugen. Diese Gewalt widerspreche zutiefst dem christlichen Leitbild. Steiner bittet im Namen des Ordens um Verzeihung.

    Viele Anwesende nehmen das an, wie in Gesprächen zu hören ist. Auch Paul M. sagt, es habe gut getan, sich mit Vertretern des Ordens vor Ort auszusprechen. M. war zwischen 1991 und 1995 Internatsschüler. Auch er berichtet von Schlägen, von einer Atmosphäre der Angst und Einschüchterung. Mund halten, mitschwimmen, bloß nicht auffallen. Irgendwie habe er sich durchgehangelt, meist musste er dafür „die Gefühle abstellen – das haben wir im Internat gelernt“.

    Andere Ex-Schüler erwähnen auch bessere Tage im Internatsleben. Was jedoch alle eint, ist, dass sie über die dunklen Tage reden müssen – um Frieden zu finden. Johannes K. indes ist froh, wieder heimfahren zu können. Er hege keine Rachegefühle, obgleich er pure „Boshaftigkeit unzufriedener Menschen“ als Motiv der Täter vermutet. Die Kirche sei derweil „auf dem richtigen Weg“ – die Wahrheit müsse ans Licht.

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