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Donau-Ries: Senior aus dem Ries feiert seinen Leichenschmaus schon zu Lebzeiten

Donau-Ries

Senior aus dem Ries feiert seinen Leichenschmaus schon zu Lebzeiten

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    Hans Urban ist 77 Jahre alt und quicklebendig – trotzdem hat er unlängst seinen eigenen Leichenschmaus gefeiert. 
    Hans Urban ist 77 Jahre alt und quicklebendig – trotzdem hat er unlängst seinen eigenen Leichenschmaus gefeiert. 

    So existenzielle Ereignisse wie der Tod sind in Bayern seit jeher reich von Bräuchen und Traditionen umflort. Bisweilen spannt man Leben und Tod sogar zusammen wie bei dieser Geschichte aus dem Nördlinger Ries, die von einer sehr ungewöhnlichen Form des Leichenschmauses handelt.

    Das Problem am traditionellen Leichenschmaus: Die Hauptperson ist nicht dabei

    Ein wesentliches Merkmal einer traditionellen katholischen Beisetzung ist ja bekanntlich das Essen hinterher. Über die Jahrhunderte hat sich die Tradition gehalten. Oft bleiben die Trauergäste bis zum Abend fröhlich vereint, manchmal spielt sogar eine Blaskapelle zum Tanz auf.

    Das Problem beim Leichenschmaus ist: Die Hauptperson kann aus nachvollziehbaren Gründen nicht mehr mit dabei sein. Das wiederum wollte Hans Urban aus Ederheim bei Nördlingen so nicht akzeptieren. Und darum hat der 77-Jährige, der nach eigenen Angaben noch bei „guter Gesundheit“ ist, kürzlich Freunde und Bekannte zu sich nach Hause eingeladen, um mit ihnen seinen eigenen Leichenschmaus als „Lebensfest“ zu begehen.

    Schließlich könne einen in seinem Alter jederzeit der Tod ereilen, argumentiert der frühere katholische Pfarrer. Da wolle er vorher noch einmal mit allen, die ihm wichtig sind, feiern und sich anständig verabschieden. Und wie bei einem echten Leichenschmaus auch, durfte dabei das handfest Kulinarische nicht fehlen. „Mit Salaten und Würsten, mit Kaffee und Kuchen war für das leibliche Wohl eines jeden gesorgt“, erzählt Urban.

    Über 50 Gäste begrüßte er an diesem Herbst-Nachmittag in seinem Häuschen, das auf dem Lachberg in der Gemeinde Ederheim (Landkreis Donau-Ries) steht. Die meisten hätten am Ende der Veranstaltung mit Reden und Musik gesagt, dass sie ihn gerne noch einmal besuchen wollten, freute sich Urban.

    In seinem Leben gab es immer Veränderung

    Was ist das für ein Mensch, der sich so ein ungewöhnliches Fest hat einfallen lassen? Der rote Faden durch sein Leben sei „die Veränderung“ gewesen, sagt Urban. Er habe oft die Orte gewechselt und hatte eigenen Angaben zufolge drei Berufe. Das Stete war seine Sache also nicht. Sogar seinen Glauben hat er gewechselt. In seiner Gemeinde ist er bekannt: „Mein Markenzeichen ist das Fahrrad.“ Von ihm könnten sich die Jugendlichen abschauen, wie Umweltschutz und einfaches Leben funktioniere, schmunzelt Urban.

    Der ältere Herr wurde einst in eine Bauernfamilie hineingeboren, später arbeitete er als Landwirt, danach als selbstständiger Futtermittelhändler. Einem inneren Ruf folgend, hat er in der Lebensmitte begonnen, katholische Theologie zu studieren, als Pfarrer wirkte der Schwabe in Gemeinden, bei Behinderten, in einer Wallfahrtsstätte und bei Obdachlosen.

    Allerdings bekam er zunehmend Zweifel an der Schöpfungsgeschichte der Bibel. War es wirklich so, wie dort berichtet wurde?, fragte sich Urban. Er änderte schließlich die Glaubensrichtung und beschäftigte sich fortan mit fernöstlicher Mystik sowie erneut Fragen, wer Gott denn nun ist. Heute sieht er den Tod als „Vollender des Positiven“. Er selbst sei als Person „ein Tropfen im Ozean“, formuliert es der Ex-Seelsorger fast lyrisch.

    Das Fest bedeutet dem 77-Jährigen aus dem Donau-Ries viel

    Das klingt alles ein wenig eigenbrötlerisch, und der ein oder andere wird Urbans Lebensfeier und Todesphilosophie vielleicht belächeln. Ihm selbst aber bedeutet das Fest, bei dem auch ein befreundeter Ex-Pfarrer gesprochen hat, viel.

    Abseits vom Dorf lebt Hans Urban auf seinem naturbelassenen Grundstück im Ries. Dort pflanzt er Blumen und Gemüse, hält auch ein paar Hühner. Irgendwie sei der Bauer auf seine alten Tage in ihm noch einmal erwacht, berichtet er. Ein Buch hat er über seine Lebenserkenntnisse und seine Beziehung zu Gott geschrieben. Seine Botschaft: Besser als viel Geld, ein großes Auto oder ein gut gefülltes Konto zu besitzen sei es, sich selbst zu entdecken, dankbar zu sein und etwas zu tun, das einen tief drinnen glücklich macht. Und weil ihm sein jüngstes Fest so gut gefallen hat und er gar nicht alle Bekannten einladen hat können, plant Urban im kommenden Jahr eine Wiederholung des Leichenschmauses zu Lebzeiten – „vorausgesetzt, mich gibt es dann noch“, fügt er lächelnd hinzu.

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