Händchenhaltend mit dem Partner durch die Stadt bummeln: Das ist für die meisten Menschen völlig normal. Wenn Maximilian Wittig mit seinem Ehemann durch München läuft, wird er häufig schief angeschaut - manchmal sogar belächelt oder wegen seiner Homosexualität beleidigt. Eine Tatsache, die der 30-Jährige ändern möchte. Daher entschied sich der Münchner bei der Wahl "Mr Gay Germany" teilzunehmen und etwas zu bewegen. "Denn von nichts kommt nichts", sagt der 30-Jährige.
"Mr Gay Germany" ist dabei alles andere als ein Schönheitswettbewerb im klassischen Sinne. Statt Aussehen, Oberflächlichkeit und Styling stehen Werte wie Mut, Empathie und Akzeptanz im Vordergrund. "Wir suchen ein Vorbild - einen Helden der Szene", steht in den diesjährigen Casting-Aufruf. Eine Beschreibung, die Wittig ansprach. "Gerade in der heutigen Zeit, wo ein politischer Wandel stattfinden könnte, ist es umso wichtiger sich für etwas stark zu machen", sagt er. Der Münchner möchte sich für "die guten Dinge im Leben einsetzen" und für Akzeptanz und Toleranz seiner Szene werben. Denn nach wie vor müssen Homosexuelle in Deutschland darum kämpfen.
Homosexuelle haben nach wie vor mit Klischees zu kämpfen
"Ich bin in meiner Familie, meinem Freundeskreis und meinem Arbeitsumfeld geoutet und werde zum Glück akzeptiert", sagt Wittig. Für den 30-Jährigen war seine sexuelle Orientierung nie ein großes Problem. Wittig ist sich aber auch bewusst, dass es nicht jedem so geht. "Als schwuler oder lesbischer Mensch wird man immer wieder mit Vorurteilen und Klischees konfrontiert", sagt er. In Deutschland herrsche oftmals ein Schubladendenken vor. "Und zu jeder Schublade gibt es das passende Vorurteil." Diese Erfahrung macht auch Wittig immer wieder. So arbeitet er als Salesforce Consultant - in einem recht technischen Beruf. Darauf werde er immer wieder angesprochen. "Ach wirklich, das hätte ich jetzt gar nicht gedacht", sei die häufigste Reaktion. "Wenn ich dann nachfrage, wieso, stecken meistens Klischees dahinter", sagt Wittig, der nebenbei auch als Barkeeper in einem Münchner Gay-Club arbeitet. "Dadurch bekomme ich die Stimmung und Entwicklung in der Szene mit und möchte genau da ansetzen", sagt er.
So entwickelte Wittig im Rahmen seiner Bewerbung die Kampagne "1 Community 2 Respect". "Mein Ziel ist, dass wir bereits in naher Zukunft als ‚normal‘ zählen und mit genau diesem Respekt angesehen werden“, sagt er. Um dies zu erreichen, möchte Wittig als Ansprechpartner seiner Szene fungieren und sich die Erlebnisse anhören, in denen sich Betroffene nicht „normal“ behandelt gefühlt hätten. „Mit diesen echten Erzählungen werde ich anschließend arbeiten und sie veröffentlichen“, sagt er. Dies solle aber kein moralischer Fingerzeig auf das Fehlverhalten anderer werden, betont Wittig. Vielmehr möchte er dadurch Mitmenschen für das Thema sensibilisieren und Lösungen erarbeiten. „Oftmals ist es beispielsweise einem Unternehmen gar nicht bewusst, dass es eine homosexuelle Person diskriminiert“, sagt Wittig.
Kein Schönheitswettbewerb im klassischen Sinn
Ein Konzept, das bei dem Casting zu „Mr Gay Germany“ ankam. Wittig setzte sich in mehreren Runden gegen rund 200 andere Kandidaten durch. "Ich und die anderen Kandidaten sind keine Schönheitsobjekte, die zum Entscheid mal eben kurz von der Bühne winken dürfen", sagt Wittig. Im Gegenteil: Vielmehr gehe es um das Gesamtpaket. Neben den Bereichen Sport und Interview, mussten sich die Kandidaten auch in einem Test über die Homosexuellen-Gemeinschaft beweisen.
Obwohl Wittig während des Auswahlverfahrens ein gutes Gefühl hatte, war die Überraschung doch riesig. „Ich habe mich unendlich gefreut, als ich die Zusage zum Vorentscheid erhalten habe“, sagt er. Mit sechs anderen Kandidaten, die aus ganz Deutschland kommen, stellt Wittig sich am 14. Dezember erneut unbekannten Aufgaben und kämpft im Finale um den Titel. Der Sieger darf das Land bei Wettbewerben zu "Mr Gay World" vertreten. Die Wahl bietet den Kandidaten in erster Linie eine Plattform, um für die Bedürfnisse und Rechte der homosexuellen Gemeinschaft zu sprechen.
"Ich wünsche mir für die LGBTQ-Community, dass wir akzeptiert und toleriert werden, wie wir sind und uns nicht in der Öffentlichkeit, bei der Arbeit oder bei Freunden und Familie verstellen müssen", sagt Wittig. Der erste Schritt in die richtige Richtung sei bereits getan. Nachdem die gleichgeschlechtliche Ehe in Deutschland erlaubt wurde, heiratete Wittig seinen langjährigen Freund. "Für uns bedeutet das nicht einfach nur Ehe. Wir können endlich unsere Liebe ein Stück weit so ähnlich ausleben wie jedes andere heterosexuelle Paar in Deutschland."