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Interview: Diese Apothekerin verbannt homöopathische Mittel aus ihren Regalen

Interview

Diese Apothekerin verbannt homöopathische Mittel aus ihren Regalen

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    Die Apothekerin Iris Hundertmark aus Weilheim bietet keine homöopathischen Mittel mehr an.
    Die Apothekerin Iris Hundertmark aus Weilheim bietet keine homöopathischen Mittel mehr an. Foto: Bahnhof-Apotheke Weilheim

    Frau Hundertmark, warum gibt es in der "Bahnhof-Apotheke" in Weilheim neuerdings keine Homöopathika mehr?

    Iris Hundertmark: Dieser Schritt war eine klare Gewissensentscheidung. Die Patienten bringen uns ihr Vertrauen entgegen. Dieser Verantwortung möchten meine Mitarbeiterinnen und ich gerecht werden. Dementsprechend können wir nur Medikamente empfehlen, deren Wirksamkeit auch wissenschaftlich nachgewiesen ist. Bei homöopathischen Mitteln ist das nicht der Fall.

    Viele Menschen setzen dennoch aus Überzeugung auf diese Mittel.

    Hundertmark: Grundsätzlich möchte ich die Homöopathie auch absolut nicht verteufeln, doch ich stelle sie infrage. Als Apothekerin bin ich verpflichtet, leitliniengerecht zu arbeiten. Das bedeutet, dass ich mich mit gezielten Fragen über die Beschwerden der Kunden informiere und anschließend eine Empfehlung gebe - zum Beispiel für eine medikamentöse oder eine ärztliche Behandlung. Die Grundlage dafür ist die Pharmazie, die ich studiert habe. Bei homöopathischen Mitteln fällt diese Beratung aus, denn ich habe keine wissenschaftlichen Belege für deren Wirkung.

    Die Befürworter der Homöopathie bauen auf den Placebo-Effekt. Wie denken Sie darüber?

    Hundertmark: Die Wirksamkeit des Placebo-Effekts ist erwiesen und anerkannt. Wenn sich der Zustand eines Patienten dank dieses Effekts verbessert, dann finde ich das großartig. Bei schweren Erkrankungen kann es jedoch gefährlich sein, sich nur darauf zu verlassen. Ich hatte in meiner Apotheke auch schon Kunden, die nach häuslichen Unfällen und sogar bei Krebs auf ein homöopathisches Mittel bestanden haben. In solch akuten Fällen halte ich eine Behandlung mit Homöopathie für riskant.

    Auch gegenüber der Schulmedizin gibt es Vorbehalte. Befürworter der Homöopathie sehen in ihr eine ganzheitliche Therapie, die - anders als chemische Medikamente - den Organismus als Ganzes betrachtet. Wie stehen Sie dieser Ansicht gegenüber?

    Hundertmark: Ich hatte einmal einen Kunden, der trotz einer starken Infektion an seinem Fuß entgegen meiner Empfehlung auf homöopathischen Mitteln bestanden hat. Wenige Tage später litt er unter Blutvergiftung. Das Risiko von Nebenwirkungen bei Medikamenten ist nicht zu leugnen, aber die Angst davor geht in vielen Fällen schlicht auf Unwissenheit zurück. Wer Medikamente ablehnt, weil sie "chemische Produkte" sind, ist falsch aufgeklärt. Es gibt eben keine echte Wirkung ohne das Restrisiko einer Nebenwirkung. Den Menschen diese Angst zu nehmen gehört auch zu meinem Beruf.

    Wie reagiert die Kundschaft auf Ihre Entscheidung?

    Hundertmark: Wir haben bislang überraschend viele positive Reaktionen auf diesen Schritt erhalten. Ursprünglich hatte ich mit einem großen Shitstorm gerechnet. Doch die Leute schätzen unsere Ehrlichkeit und das freut mich persönlich sehr. Außerdem lassen wir den Kunden die Wahl: Wer nach einem bestimmten homöopathischen Mittel verlangt, kann es sich in unserer Apotheke bestellen lassen. Aber wir weisen auf den aktuellen Stand der Wissenschaft hin und dass das Mittel keine nachgewiesene Wirksamkeit hat.

    Schaden Sie damit nicht Ihrem eigenen Geschäft?

    Hundertmark: In kaufmännischer Hinsicht ist es ein Risiko, das stimmt. Deshalb musste ich mir die Entscheidung natürlich gut überlegen, denn immerhin habe ich meine Mitarbeiter zu bezahlen und das Geschäft zu führen. Dennoch bin ich in erster Linie keine Geschäftsfrau, sondern Naturwissenschaftlerin. Und deshalb ist es eine Frage der Ethik.

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