Bayerns Innenministerium ist bekannt dafür, Flüchtlingen den Zugang zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt nicht gerade leicht zu machen. Nun scheint die CSU eine Kehrtwende einzuleiten. Innenminister Joachim Herrmann verkündet, dass besonders gut integrierte Flüchtlinge künftig einfacher an Ausbildungsstellen und Arbeitsplätze kommen sollen.
Das trifft demnach auf Migranten zu, die überdurchschnittliche Schulleistungen vorweisen oder sich bürgerschaftlich engagieren. Positiv soll es sich auch auswirken, wenn ein Flüchtling in einen Beruf mit großer Fachkräftenot gehen will. „Hier haben wir ganz klar auch die Interessen unserer heimischen Wirtschaft im Blick“, erklärt Herrmann (CSU).
Viele Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt
Der bayerische Arbeitgeberverband begrüßt die Ankündigung: „Für die bayerischen Unternehmen verbreitert dies die Chancen, geeignete Talente aus der Gruppe der Geflüchteten zu rekrutieren“, sagt der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, Bertram Brossardt. Zustimmung erntet Herrmann auch bei der Handwerkskammer für Schwaben. Denn viele Ausbildungsplätze konnten nicht besetzt werden. „Geflüchtete mit guten Noten und handwerklichem Geschick sind daher bei den Unternehmen gefragt.“
Hauptgeschäftsführer Ulrich Wagner macht aber deutlich, dass exakte Vorgaben nötig sind: „Entscheidend ist, wie die Kriterien für überdurchschnittliche Leistungen und bürgerschaftliches Engagement definiert werden. Da braucht es klare Vorgaben.“ Grundsätzlich gehe es aber um die Frage des Aufenthaltsstatus: „Es muss sichergestellt sein, dass diese Menschen während und nach der Ausbildung auch hierbleiben können.“ Denn Betriebe brauchen Rechtssicherheit.
Darauf verweist auch Josefine Steiger von der IHK Schwaben. „Viele unserer Unternehmen sind sauer.“ Die Betriebe engagieren sich seit langem in der Ausbildung von Flüchtlingen und müssten stets fürchten, dass der junge Mensch wieder abgeschoben wird. Die „Korrektur“ von Herrmann begrüße die IHK. Allerdings komme es nun darauf an, wie sie konkret umgesetzt wird. Steiger sind vor allem die vielen nur geduldeten Jugendlichen wichtig, deren Asylverfahren negativ ausgegangen sind und die täglich ihre Abschiebung fürchten.
Die Neuausrichtung wird zunächst skeptisch gesehen
Um sie macht sich auch Sabine Reiter große Sorgen. Sie ist Arbeitsvermittlerin für Geflüchtete bei der Tür an Tür Integrationsprojekte gGmbH. So gut der Beschluss sei, nicht mehr allein auf Pässe als Identitätsnachweis zu pochen und so sehr sie sich freut, dass Einzelfällen mehr gerecht werden soll und Integrationsleistungen mehr zählen, ein Punkt bereitet ihr Probleme: Der Ermessensspielraum, den Ausländerbehörden weiter haben. Denn die Erfahrung zeige, wie unterschiedlich Vorgaben ausgelegt werden können. Dieses Problem sieht auch Alexander Thal: „Bevor ich jetzt in große Freude ausbreche, warte ich, bis ich die Weisung in der Hand halte und den Text kenne.“
Sollte die neue Weisung klar definieren, was Behörden zugunsten der Flüchtlinge berücksichtigen sollen, was genau die besonderen Integrationsleistungen sind, ist das eine gute Sache, betont der Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. Bisher traut Thal dem Frieden aber nicht: „In der Vergangenheit hat Bayern alles dafür getan, den Arbeitsmarktzugang zu torpedieren, hat ein Trümmerfeld hinterlassen. Jetzt versuchen sie, die Scherben zusammenzulesen.“