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Kommentar: Deutschlands gefragtester Beruf: Lehrer

Kommentar

Deutschlands gefragtester Beruf: Lehrer

Sarah Ritschel
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    In vielen Bundesländern sind Lehrer verzweifelt gesucht.
    In vielen Bundesländern sind Lehrer verzweifelt gesucht. Foto: Patrick Pleul, dpa

    Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen: Viele Lehramtsstudenten wissen das. Vor fünf Jahren warnte das Kultusministerium angehende Grundschullehrer vor der Arbeitslosigkeit: Der Bedarf an ihnen werde ab 2020 kontinuierlich zurückgehen, heißt es in der offiziellen Vorhersage, an der sich Abiturienten mit Berufswunsch Lehrer orientierten. Keiner weiß, wie viele sich abschrecken ließen. Heute ärgern sie sich, dass sie das Papier nicht in den Müll geworfen haben. Denn wer sich 2013 für Grundschullehramt einschrieb, findet jetzt so gute Berufschancen vor wie lange nicht. Sogar Absolventen mit der Note 3,5 im Staatsexamen bekommen einen Job. An Mittelschulen ist es ähnlich.

    Bei den Geburten hat die Politik sich verschätzt

    Ja, Prognosen sind schwierig. Deshalb kann man der Politik nicht vorwerfen, sie sei wissentlich ins Verderben gerannt. Niemand konnte vorhersehen, dass heute zehntausende Kinder aus anderen Ländern hier lernen würden. Auch bei den Geburtenzahlen kann man sich gehörig verschätzen. Babys nun mal kündigen sich nicht Jahre im Voraus an. Dass die Kultusminister für die nächsten zehn Jahre gleich um eine Million Schüler danebenlagen, wie die Bertelsmann-Stiftung schreibt, verschärft die Personalsituation an Schulen aber drastisch.

    Auch viele strukturelle Veränderungen sind nicht prognostizierbar. Dass die Große Koalition 2018 eine Ganztagsgarantie für alle Grundschüler ausrufen würde, konnte man vor der Bundestagswahl nur schwer erahnen – genauso wenig wie den immensen Personalbedarf, der damit kommt.

    Schule wandelt sich so schnell wie nie zuvor

    Andere Entwicklungen hätte man sehr wohl vorhersehen können. Zum Beispiel, dass die Schule sich so schnell wandelt wie nie zuvor. Das wichtigste Stichwort: Digitalisierung. Kinder haben die Welt in Form ihres Smartphones immer in der Hosentasche, und mit ihr die große Zahl an Informationen, Verschwörungstheorien, Parallelgesellschaften. Und sie müssen einen Weg durch diese Medienwelt finden. Lehrer sollen sie dabei an die Hand nehmen, auch ihren Unterricht digitaler gestalten. Doch das klappt nur, wenn sie nicht ständig Aufgaben fehlender Kollegen übernehmen müssen. Noch dazu driften „oben“ und „unten“ in der Gesellschaft mehr und mehr auseinander. Das merkt man in den Klassenzimmern. Jedem Kind die Förderung zuteilwerden zu lassen, die es braucht und die ihm die Eltern zu Hause vielleicht nicht geben: Diese Herausforderung ist in keiner Statistik berücksichtigt. Solche gesellschaftlichen Phänomene hat die Politik lange ausgespart und keinen Lehrer mehr als nötig eingestellt. Das ist in fast allen Bundesländern so. Mehr als ein Wissensvermittler kann der Lehrer dadurch oft nicht mehr sein.

    Lehrer sind Profis im Improvisieren

    Jetzt wird gegengesteuert: Berlin hat die Gehälter angehoben, wirbt um Lehrer aus den Nachbarländern. Hessen setzt unter anderem auf Rentner, die in den Schuldienst zurückkehren. In Bayern schulen weit über 1000 Gymnasial- und Realschullehrer auf Grund- und Mittelschule um, weil es an ihren Schultypen ein Überangebot an Bewerbern gibt. Um Leute zu finden, hat das Kultusministerium die Konditionen für das Angebot stetig verbessert. Doch ausgebildete Gymnasial- und Realschullehrer verdienen nach wie vor deutlich besser als ihre Kollegen an anderen Schularten. Daran will man in Bayern nicht rütteln. Dabei wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, über gleiches Geld für alle Lehrer nachzudenken. Als neueste Reaktion hat Kultusminister Sibler (CSU) 700 zusätzliche Studienplätze für angehende Grundschullehrer geschaffen. Sie werden aber erst Mitte der 2020er Jahre ihre Kollegen entlasten können. Gut, dass Schulleiter und Lehrer heute schon Profis im Improvisieren sind.

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