Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

Derivataffäre: Grünen-Politiker: Minister Zeil kennt keine Skrupel

Derivataffäre

Grünen-Politiker: Minister Zeil kennt keine Skrupel

    • |
    Bayern Wirtschaftsminister Martin Zeil soll einen Landsberger Stadtrat über eine nicht öffentliche Sitzung befragt haben. Die Vorwürfe gegen Zeil häufen sich nun.
    Bayern Wirtschaftsminister Martin Zeil soll einen Landsberger Stadtrat über eine nicht öffentliche Sitzung befragt haben. Die Vorwürfe gegen Zeil häufen sich nun. Foto: Stephanie Sartor

    In der Landsberger Derivataffäre gibt es neue Vorwürfe gegen Bayerns Wirtschaftsminister und stellvertretenden Ministerpräsidenten Martin Zeil (FDP). Der Landsberger Stadtrat Jonas Pioch teilte in einer Presseerklärung mit, er sei von Zeil angerufen und unter anderem zum nicht öffentlichen Teil einer Stadtratssitzung befragt worden, in der Zeils Name in Zusammenhang mit dem Derivatprozess vor dem Landgericht München genannt wurde. Der Minister bestreitet dies gegenüber unserer Zeitung.

    Martin Zeil soll in hochriskante Zinsgeschäfte verwickelt sein

    Die Landsberger Derivataffäre

    Im Jahr 2004 beschließt der Landsberger Stadtrat, moderne Finanzinstrumente einzusetzen. Dazu zählen unter anderem Derivate. Allerdings soll die Kämmerei um Stadtkämmerer Manfred Schilcher in den Jahren 2008 und 2010 Geschäfte getätigt haben, die weder vom Kommunalrecht noch vom damaligen Beschluss des Stadtrats gedeckt waren.

    Im Frühjahr 2011 werden OB Ingo Lehmann die riskanten Finanzgeschäfte über den Kommunalen Prüfungsverband bekannt. Der Rathauschef schaltet daraufhin die Wirtschaftskanzlei Becker Bütner Held aus München ein, die die Angelegenheit untersucht.

    Am 28. Dezember 2011 informiert Ingo Lehmann erstmals öffentlich, dass die Stadt mit Derivatgeschäften über zwei Millionen Euro Verlust gemacht hat.

    Einen Tag später bestreitet Kämmerer Manfred Schilcher Vorwürfe, er habe vier Finanzgeschäfte getätigt, ohne Finanzausschuss und Oberbürgermeister zu informieren.

    Am 30. Januar 2012 leitet die Landesanwaltschaft Bayern ein Disziplinarverfahren gegen Manfred Schilcher ein. Unmittelbar danach entbindet ihn Ingo Lehmann von der Verantwortung für die Kämmerei.

    Anfang Februar 2012 beginnt die Staatsanwaltschaft Augsburg mit ihren Vorermittlungen.

    Der Stadtrat beauftragt den Oberbürgermeister, Strafanzeige gegen die Münchner Niederlassung der Frankfurter Privatbank Hauck & Aufhäuser sowie das Beratungsunternehmen Hauck & Aufhäuser Finance Management (seit 2010 Finance Consulting) zu stellen.

    Am 23. Februar 2012 schreibt die Stadt die Stelle des Kämmerers neu aus.

    Überraschend wird Ingo Lehmann am 11. März 2012 bereits im ersten Wahlgang abgewählt. Zwei Wochen später gewinnt Mathias Neuner (CSU) die Stichwahl gegen Ludwig Hartmann (Grüne).

    Die Landesanwaltschaft enthebt Manfred Schilcher am 13. März 2012 vorläufig des Dienstes. Gleichzeitig wird gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue eingeleitet.

    Knapp eine Woche später leitet die Landesanwaltschaft ein Disziplinarverfahren gegen den noch amtierenden Oberbürgermeister Ingo Lehmann ein. Gleichzeitig werden die laufenden Verfahren gegen Schilcher und Lehmann ausgesetzt. Die Landesanwaltschaft begründet dies mit den gleichzeitigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Augsburg.

    Mitte Oktober 2012 wird bekannt, dass sich der Gesamtverlust aus den Derivatgeschäften allein für 2012 auf 1,6 Millionen Euro summiert. Insgesamt liege der potenzielle Schaden, der der Stadt aufgrund der Zinsgeschäfte entstehen könnte, nach Hochrechnungen und Einschätzungen bei 6,2 bis 6,8 Millionen Euro.

    Am 4. Juni 2013 wird im Zivilprozess Stadt Landsberg gegen das Bankhaus Hauck & Aufhäuser erstmals vor dem Landgericht München I verhandelt. Dabei lehnt die Stadt eine von Richterin Ingrid Kerschner ins Spiel gebrachte Mediation ab. Der Prozess soll am 8. Oktober 2013 fortgesetzt werden.

    Der Stadtrat bestätigt die Haltung der Stadt am 12. Juni und stimmt in nicht öffentlicher Sitzung gegen eine Mediation.

    In der Sitzung, in der Rechtsanwalt Martin Hoffschmidt die Argumente der Stadt ausführlich darlegt, fällt der Name Martin Zeil (FDP). Bayerns Wirtschaftsminister war zum Zeitpunkt des Abschlusses des Rahmenvertrags mit der Stadt Landsberg Leiter der Rechtsabteilung bei Hauck & Aufhäuser sowie Geschäftsführer der Tochtergesellschaft Hauck & Aufhäuser Finance Management.

    Am Tag nach der Sitzung will sich Zeil bei Stadtrat Jonas Pioch über die Sitzung informieren. Pioch macht dies, und einen Anruf des Parlamentarischen Geschäftsführer der Landtagsfraktion Tobias Thalhammer (beide FDP), öffentlich. Daraufhin tritt der Kreisrat und stellvertretende Bezirksvorsitzende der FDP, Markus Wasserle aus Windach, zurück.

    Wie berichtet ist noch unklar, ob und wie weit Martin Zeil in die hochriskanten Zinsgeschäfte zwischen der Stadt und dem Münchener Bankhaus Hauck & Aufhäuser verwickelt ist. Zeil war vor Beginn seiner Laufbahn als Minister bei der Bank viele Jahre Leiter der Rechtsabteilung. Das operative Geschäft, die Beratung von Kunden und der Abschluss von Beratungsverträgen gehörten seinen Worten nach jedoch nicht zu seinen Aufgaben. Zeil sagte gestern gegenüber unserer Zeitung, er habe am Tag nach der Stadtratssitzung am Mittwoch erfahren, dass sein Name genannt wurde. Daraufhin habe er in Erfahrung bringen wollen, warum. Deswegen rief er unter anderem Pioch an, der für die Landsberger Mitte im Stadtrat sitzt. "Er bat mich, ihm detaillierte Fragen zu Verlauf und Inhalt der Sitzung zu beantworten", so Pioch. Er habe Zeil nur allgemeine Informationen gegeben und darauf hingewiesen, dass er als Stadtrat nicht befugt sei, Fragen zum nicht öffentlichen Teil der Sitzung zu beantworten.

    Jonas Pioch berichtet in seiner Erklärung von einem weiteren Telefonat. Diesmal mit dem Landtagsabgeordneten und Parlamentarischen Geschäftsführer der FDP-Landtagsfraktion, Tobias Thalhammer. Der habe ihm Fragen zum Landtagsabgeordneten Ludwig Hartmann (Grüne) gestellt, der ebenfalls Stadtrat in Landsberg ist. "Zu den Fragen gehörte unter anderem, wie sich Hartmann bei den Derivatgeschäften verhalten hat."

    Ludwig Hartmann (Grüne): "Zeil besitzt keinen moralischen Anstand."

    Wie berichtet hatte Hartmann Zeils Rolle in der Derivataffäre kritisiert und legt nun nach: "Damals wie heute: Minister Zeil kennt keine Skrupel und besitzt keinen moralischen Anstand." Dass sich der Wirtschaftsminister darauf hinausredet, nicht am operativen Geschäft beteiligt gewesen zu sein, sei eine groteske Form des Umgangs mit Verantwortung gegenüber seinen damaligen Mitarbeitern. Erneut diskreditiert habe sich Zeil mit den Anrufen nach Bekanntwerden seiner Beteiligung an der Derivataffäre. "Diese hektische Form des Krisenmanagements ohne jeglichen Anstand lässt vermuten, dass Zeil noch tiefer im Derivatsumpf steckt, als bislang bekannt", so Ludwig Hartmann.

    Der Wirtschaftsminister hatte noch am Freitag mitgeteilt, er sei durch Anfragen der Presse am Donnerstag zum ersten Mal seit über sieben Jahren wieder "mit diesem Sachverhalt" befasst worden. Gestern sagte er, der Bundestagsabgeordnete Klaus Breil, der den Landkreis Landsberg für die Freien Demokraten betreut, habe ihn vor etwa einem halben Jahr über die Derivataffäre in Landsberg unterrichtet. Einen Zusammenhang zu seiner Person habe er damals nicht gesehen. Bis zum Donnerstag habe es auch diesbezüglich keine Gespräche mit Vertretern der Bank gegeben.

    FDP-Politiker Markus Wasserle tritt zurück

    Das Vorgehen von Zeil und Thalhammer hat den Landsberger Kreisrat, FDP-Bezirkstagskandidaten und stellvertretenden Vorsitzenden des FDP-Bezirks Oberbayern, Markus Wasserle, bewogen, seine Parteiämter niederzulegen und die FDP zu verlassen. "Meine politischen Grundüberzeugungen wurden in den Grundfesten erschüttert. Der Politikstil einiger Parteifreunde aus der FDP hat mich zutiefst enttäuscht", sagte Wasserle. Er sei von Jonas Pioch über die Telefongespräche informiert worden. Beide kennen sich aus ehrenamtlicher Tätigkeit, unter anderem waren sie Organisatoren einer Ausbildungsmesse in Landsberg. Auch Tobias Thalhammer kennt Pioch und Wasserle. Sie seien enge politische Freunde. Er selbst habe sich bei seinem Anruf nur über Hartmanns Vorgehen in der Landsberger Derivataffäre bei Pioch erkundigen wollen und unabhängig von Martin Zeil gehandelt.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden