„Das Grantigsein ist oft eine Besessenheit alter Männer“, heißt es in der bayerischen Fibel. Schmellers bayerisches Wörterbuch umschreibt den Grant als „Unmuth, Unwille, Verdruß, Zorn“. „Aber der Grant ist viel mehr“, behauptet jetzt der Münchner Autor und Journalist Thomas Grasberger in seinem gerade erschienenen Buch „Grant. Der Blues des Südens“. Nämlich eine Philosophie, ein Lebensgefühl und gelegentlich auch ein Mittel zur Selbstverteidigung.
Die Herkunft der Bezeichnung Grant ist nicht eindeutig belegt, sagt Professor Anthony Rowley, Herausgeber des bayerischen Wörterbuchs und Leiter der Kommission für Mundartforschung an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Die erste Nennung gehe auf den Münchner Stadtschreiber Wolfgang Schönsleder von 1618 zurück. In einem Wörterbuch übersetzte er das bayerische Wort „gränt“ in das Lateinische „querulus“, was „klagend, weinerlich“ bedeutet.
Von der Nähe zum Krieg – „krant“ – bei den Gebrüdern Grimm bis zur Ableitung vom spanischen „grand“, was so viel heißt wie „sich groß machen“, ist Rowley mit keiner Theorie einverstanden. „Kein Wörterbuch schafft es, die Lautungs- und Bedeutungsentwicklung auf einen Nenner zu bringen.“ Alle Versuche, den Grant zu erklären, greifen zu kurz.
Auf rund 190 Seiten, mit viel Humor und Augenzwinkern folgt der gebürtige Altöttinger Grasberger den Spuren dieser bayerischen Wesensart und behauptet: „Der Grantler ist nicht immer nur mürrisch, schlecht gelaunt und fatalistisch. Er ist oft sogar recht heiter und humorvoll.“ Den ständig mies gelaunten Klischeegrantler gebe es auch, aber sehr selten. Viel spannender seien die „Grant-Segnieurs“, wie Grasberger sie nennt: Etwa Karl Valentin und Gerhard Polt.
Doch nicht nur Kabarettisten und Literaten haben den Grant, er sei vielmehr in allen Berufen und Gesellschaftsschichten zu Hause. „In Bayern hingegen führt eine Wurzel des Grants in die Zeit der Gegenreformation, als der Bayer wieder katholisch gemacht wurde. Alle Ansätze für Protestantisches wurden den Menschen schnell wieder ausgetrieben. Kritik konnte dann nur noch leise geübt werden, eben grantelnd“, sagt Grasberger. Der Grantler unterscheide sich auch vom normalen Nörgler, wie er im Rest Deutschlands zu Hause ist. „Er ist kein Weltverbesserer, denn grundsätzlich möchte der Bayer sei’ Rua’, – seine Ruhe –, er ist nämlich eher kein revolutionärer Mensch. Aber wenn ihm das „Kraut ausgeschüttet“ wird, dann geht er auch schon mal auf die Barrikaden, wie man in der Geschichte sehen kann.“ In der Regel beschränkt er sich jedoch auf den Alltags-Grant. Wenn ihm zum Beispiel die Tram vor der Nase wegfährt oder statt einer anständigen Bäckerei nur noch unzählige Backshops existieren, dann trete der Grant auf den Plan.
Lion Feuchtwanger, Oskar Maria Graf, Ödön von Hórváth, Helmut Dietl – der Grantler ist eine schillernde Figur – auch literarisch. Elisabeth Tworek, Kulturwissenschaftlerin und Leiterin des Literaturarchivs Monacensia in München, hat sich in mehreren Veröffentlichungen mit der Mentalität der Bayern auseinandergesetzt. „Heutzutage ist der Grantler doch eher ein Klischee“, sagt sie. „Der Bayer ist nicht mehr Bauer auf dem eigenen Feld. Mit dem Tourismus und der Globalisierung musste er sich auch dem Fremden und Neuen öffnen.“ Ein Grantler müsse in unserer heutigen Gesellschaft unter Umständen ganz schnell freundlich werden, meint Tworek. Ihrer Meinung nach ist der Grantler zwar ein schützenswertes Kulturgut, aber doch eher ein Auslaufmodell.
„Umso wichtiger ist der wohldosierte Grant heutzutage“, meint der Wahlmünchner Grasberger: „Grant tut not, weil er eine Selbstverteidigungsform des intelligenten Lebens ist und daher bestens geeignet, Widerstand zu leisten gegen den Gute-Laune-Terror der Berufsoptimisten und Dauerlächler, der Jasager und Apologeten einer weltumfassenden Verblödungsmaschine.“ (dpa)
Buch Thomas Grasberger: „Grant. Der Blues des Südens“. Diederichs Verlag, 192 Seiten, 14,99 Euro.