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"The Monuments Men": Der Schatz im Schloss Neuschwanstein

"The Monuments Men"

Der Schatz im Schloss Neuschwanstein

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    Die Nazis horteten Kulturgüter aus ganz Europa, eine US-Spezialeinheit spürte die Verstecke auf. Auch in Neuschwanstein. Ein Hollywood-Film erzählt davon. Einheimische wissen mehr.
    Die Nazis horteten Kulturgüter aus ganz Europa, eine US-Spezialeinheit spürte die Verstecke auf. Auch in Neuschwanstein. Ein Hollywood-Film erzählt davon. Einheimische wissen mehr. Foto: Ralf Lienert

    Deutschland liegt in Trümmern, das Ende des Zweiten Weltkriegs steht bevor. Zwischen Splitterbomben, Scharfschützen und fanatischen SS-Männern versucht eine amerikanische Sondereinheit, von den Nazis geraubte Kunstwerke vor der Vernichtung zu retten. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Ein Wettlauf, den die rund 350 Architekten, Kunsthistoriker und Museumsleiter am Ende gewinnen – in der Realität und auf der Kinoleinwand: Im Thriller „The Monuments Men – Ungewöhnliche Helden“ hat Regisseur und Hauptdarsteller George Clooney den wild zusammengewürfelten Schatzjägern aus den Staaten jetzt ein actiongeladenes Denkmal gesetzt.

    Schlüsselrolle Schloss Neuschwanstein

    Eine Schlüsselrolle in dem Film, der morgen im Rahmen der Berlinale seine Deutschland-Premiere feiert, spielt ausgerechnet eine Ikone der bayerischen Geschichte: Schloss Neuschwanstein. Wieder mal ein Hirngespinst aus Hollywood? Von wegen. Was heute weitgehend vergessen ist: Die Nazis hatten das Königsschloss während des Zweiten Weltkriegs tatsächlich in eine streng bewachte Schatzkammer verwandelt. Nach heutiger Währung lagerten am Fuß der Ammergauer Alpen Milliardenwerte.

    Selbst gesehen habe er das natürlich nicht, sagt Magnus Peresson, 65, schmunzelnd. „Man sagt aber, dass das Schloss damals bis unters Dach voll war mit Kunstwerken.“ Das mag ein wenig übertrieben sein, fügt der Chef des Vereins Alt Füssen an. Fakt ist jedoch: In fast jedem Stockwerk des Märchenschlosses sind von 1941 an wertvolle Kulturgüter eingelagert. „Dienerzimmer und Adjutantenräume wurden ebenso genutzt wie die Königswohnung, in der besonders wertvolle Stücke lagerten“, weiß Julius Desing. Der 85-Jährige war bis Anfang der 1990er Jahre Schlossverwalter auf Neuschwanstein und kennt viele Details aus den Kriegsjahren, die ihm von seinen Vorgängern geschildert wurden.

    1300 Gemälde im Schloss versteckt

    Allein die Zahl wertvoller Gemälde, die sich in den weitläufigen Räumen in eigens gezimmerten Regalen aneinanderreihten, wird von Fachleuten auf mindestens 1300 geschätzt. Hinzu kommen Plastiken und Fayencen, Möbel und Tapisserien, Schmuck und Handschriften. Stücke aus dem Louvre werden im Traumschloss Ludwigs II. ebenso versteckt wie der berühmte Genter Altar, eines der kostbarsten Kunstwerke Belgiens.

    Transportiert werden die geraubten Schätze in einer Vielzahl schwergewichtiger Kisten. Um diese unbeschadet von der Zufahrtsstraße in den Schlosshof verfrachten zu können, werden die Treppen mit Rampen versehen, die man mit Schmierseife behandelt, erzählt Magnus Peresson. Zudem kommen große Flaschenzüge zum Einsatz.

    Dr. Sabine Heym, bei der Bayerischen Schlösserverwaltung für die Museen zuständig, unterteilt die Depots im Schloss in zwei Kategorien: Bestände, die von 1941 an zum Schutz vor Bombenangriffen aus staatlichen Museen ausgelagert werden – etwa aus der Staatsgemäldesammlung oder der Münchner Residenz. Und die Raubkunst, die Hitlers Chefideologe Alfred Rosenberg von seinem Einsatzstab (ERR) systematisch aus den besetzten Gebieten abtransportieren lässt. Rosenberg soll im österreichischen Linz ein gigantisches „Führermuseum“ errichten, das die hochkarätigsten Kunstwerke Europas unter einem Dach vereint – ein wahnwitziges Unterfangen, an dem Hitler bis kurz vor Kriegsende festhält.

    Nationalsozialisten erbeuteten fünf Millionen Werke

    „Allein aus Frankreich wurden vom ERR von April 1941 bis Juli 1944 fast 4200 Kisten mit über 22.000 Objekten weggeschafft“, erläutert Heym. Die meisten kommen direkt nach Neuschwanstein – darunter auch die berühmte Sammlung Rothschild mit erlesenem Schmuck und Gemälden. Insgesamt erbeuten die Nationalsozialisten in ganz Europa rund fünf Millionen Werke – der größte Kunstraub der Geschichte.

    Schlösser, Burgen, Klöster und Kirchen dienten bereits im 19. Jahrhundert in Kriegszeiten als Hort für Kunstwerke. Im Zweiten Weltkrieg jedoch wird von solchen Verstecken in weit größerem Umfang Gebrauch gemacht. „Die eingesetzten Sprengbomben erforderten beispielsweise in München, dass vieles in Sicherheit gebracht wurde“, so der Sprecher der Staatlichen Schlösserverwaltung, Dr. Thomas Rainer. Schloss Herrenchiemsee, die Veste Coburg, die Kartause Buxheim bei Memmingen oder die Befreiungshalle in Kelheim werden so mit Kunstwerken aller Art bestückt.

    Doch weshalb fällt gerade Neuschwanstein eine so zentrale Rolle zu? Das Schloss habe sich wegen der vielen freien Räume und der Bahnlinie München–Füssen angeboten, erklärt Rainer. „Und natürlich spielte die Überzeugung eine große Rolle, dass hier wegen der Berge keine Bomben fallen werden.“

    Bei den Kronjuwelen der Wittelsbacher, die aus der Schatzkammer der Münchner Residenz ausgelagert werden, ist das den Verantwortlichen aber nicht genug. „Der bayerische Thronschatz wurde in der einstigen Metzgerei im Keller eingemauert. Das war der sicherste Raum“, berichtet der frühere Schlossverwalter Desing. Noch heute zeugten Mörtelreste vom „Tresor“ der Nazis. Überhaupt habe der Rosenberg-Stab das Schloss „restlos abgeschottet“, ergänzt Desing: „Alles wurde einbruchsicher gemacht, etwa durch ein massives Gitter am Eingang. Schließlich lagerte im Schloss ja ein unglaubliches Vermögen.“

    "Das war kein Spaß"

    „Ja, das waren enorme Werte“, sagt Johann Schneidberger und nickt. Der 86-jährige Schwangauer Altbürgermeister hat Bilder, Plastiken und viele andere wertvolle Stücke mit eigenen Augen gesehen. Als Zimmermannslehrling wird er mit seinem Meister regelmäßig ins Schloss gerufen, wenn Holzarbeiten anstehen. „Wir haben Regale und Kisten gefertigt, aber auch die Rutschen im Hof für die großen Trümmer. Und wir waren für Feuerschutzarbeiten zuständig.“ So gilt es, den Dachboden oder die Zugänge zu Thronsaal und Sängersaal mit Trennelementen zu versehen. „Als Dämmung diente Asbest und Glaswolle. Das war kein Spaß“, erinnert er sich.

    Der Rosenberg-Stab im Schloss habe nur aus acht bis zehn Zivilisten bestanden, erzählt der Schwangauer – alles „normale, unauffällige Leute“, die damals im Haus Bethania, einem früheren Erholungsheim, wohnten. Beim Anblick eines großen Steinsarkophags habe sein Meister einmal mit einem Maurer gewitzelt: „Da kommt hoffentlich bald der Hitler rein...“ In damaliger Zeit ein lebensgefährlicher Satz, der aber ohne Folgen bleiben sollte.

    „Natürlich haben wir geahnt, dass da manches Kunstwerk nicht auf rechtschaffenem Weg nach Neuschwanstein gekommen ist“, sagt Schneidberger heute. „Aber das war eine Zeit, in der man nicht groß denken durfte.“ Nicht denken und nicht reden. „Es muss nicht jeder wissen, was wir da tun“, habe ihm sein Meister eingebläut. Daran haben sich Schneidberger und das halbe Dutzend weiterer Handwerker all die Jahre gehalten.

    Beutekunst in großem Stil im "Castle"

    Und so gibt es in den Kriegsjahren unten im Ort nur Gerüchte. Auf dem Schloss, raunen sich die Schwangauer von Zeit zu Zeit zu, gehen geheimnisvolle Dinge vor sich. Fahrzeug-Konvois, die immer wieder große Kisten vom Füssener Bahnhof bis vors Schlosstor karren – oder auf umgekehrtem Weg hinunter. Und immer ist von Schätzen die Rede, von riesigen Schätzen.

    Bis zum 28. April 1945 – dem Tag, an dem amerikanische Truppen Neuschwanstein in Besitz nehmen. Längst wissen die Alliierten aus zuverlässigen Quellen, dass im „Castle“ Beutekunst in großem Stil lagert. Der Rosenberg-Stab hat das Schloss kurz zuvor fluchtartig in Richtung Lechtal verlassen. Die Kunstwerke bleiben zurück.

    Die Prunkstücke aus der Schatzkammer der Münchner Residenz dagegen werden in letzter Sekunde weggebracht: Tino Walz, ein Mitarbeiter der Staatlichen Schlösserverwaltung, fürchtet die Zerstörung des einmaligen Kulturguts. Denn angeblich sind im Schloss Sprengladungen deponiert. Lieber soll Neuschwanstein gemäß dem „Nerobefehl“ Hitlers in die Luft gesprengt werden, als das Depot dem Feind zu überlassen. Walz packt sieben Kisten voller Preziosen in und auf seinen Opel Blitz. Er chauffiert die wertvolle Ladung, darunter die Königskrone von 1806, an den Tegernsee – und versteckt alles im Kartoffelkeller eines Bauern.

    Wenig später rücken die ersten GIs von Lechbruck her an. An der Straße nach St. Coloman gehen zahlreiche Panzer in Stellung, die Amerikaner rechnen mit Beschuss aus dem Märchenschloss. Doch der bleibt aus: Die „Besatzung“, die aus älteren Schlossführern besteht, öffnet widerstandslos die mächtigen Tore. Die „Monuments Men“ unter Führung von Leutnant James Morimer betreten die Schatzkammer – und trauen ihren Augen nicht angesichts der Masse an Kunst. Es entstehen Fotos, die um die Welt gehen: Lachende Soldaten, die wertvolle Ölbilder oder den legendären Rothschild-Schmuck in die Kameras halten.

    Rückabwicklung dort sich bis 1949 hin

    Es dauert sechs Wochen, bis alle eingelagerten Stücke dokumentiert und an der zentralen Sammelstelle der Alliierten, dem „Collecting Point“ in München, abgeliefert sind. „Die Rückabwicklung dort zog sich bis 1949 hin“, erläutert Dr. Sabine Heym von der Staatlichen Schlösserverwaltung. Und selbst dann sind noch lange nicht alle erbeuteten Objekte zugeordnet. Ungeklärte Fälle gehen an eine Treuhandverwaltung, später an staatliche Behörden in Berlin.

    Ruhe kehrt nach Kriegsende auch in Schwangau nicht ein. Nach dem Abzug der „Monuments Men“ erkunden immer wieder US-Soldaten, aber auch private Schatzsucher das Terrain ums Schloss. Sie sind auf der Suche nach dem verschollenen Goldschatz der Reichsbank. Die Barren im Wert von rund 150 Millionen D-Mark waren angeblich im April 1945 von zwölf SS-Männern in gepanzerten Fahrzeugen von Berlin nach Schwangau gebracht worden. Wenig später soll der Konvoi das Schloss verlassen haben. Ziel: unbekannt.

    Ein Tarnmanöver, wie viele glauben? Wird der Schatz aus Angst vor dem heranrückenden Gegner nur ein paar Meter weiter versteckt? Vergraben am Fuß der Berge, versenkt im nahen Alatsee? Auf der Suche nach den Barren wird sogar ein verschütteter Luftschutzstollen nahe der ehemaligen Marinefliegerschule in Schwangau freigelegt. Ohne Erfolg. Es folgen weitere, vergebliche Anläufe. Jahr für Jahr tauchen neue Gesichter und neue Techniken auf. Die Mär vom Goldschatz – sie wabert bis heute wie Nebel um die Schlossmauern.

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