Ohne Handschuhe, aber mit schweren Rücksäcken starten die fünf jungen Leute in Richtung Watzmann. Bergerfahrung haben sie nicht. Stunden später muss die Bergwacht ausrücken - die Studenten sind am Ende ihrer Kräfte. 35 Retter kämpfen sich bei eisigem Wind und Schneefall auf 2700 Meter hinauf, am Abend erreichen sie die Gruppe. "Eine Stunde später wären die ersten unter Umständen bereits nicht mehr am Leben gewesen", erzählt ein Retter. Selbstüberschätzung, Leichtsinn und mangelnde Kenntnisse - das sind noch immer häufige Notfallursachen in den Bergen.
Berg, das ist Natur
"Man muss sich natürlich darüber im Klaren sein: Der Berg ist nicht die Straße, der Berg ist nicht die Wohnung - der Berg ist Natur", sagt der Sprecher der bayerischen Bergwacht, Roland Ampenberger. Obwohl immer mehr Menschen Wandern, Skitouren, Bergsteigen und Klettersteiggehen für sich entdecken, nehmen die tödlichen Unfälle seit Jahren ab.
2012 erreichte die Zahl der Todesfälle laut Unfallstatistik des Deutschen Alpenvereins (DAV) mit 28 Toten sogar einen Tiefststand. Die Auswertung umfasst zwar nur Mitglieder, die Trends sind aber überall ähnlich. Ein Grund für die niedrigen Zahlen war 2012 freilich das Wetter: Es gab wenige gute Tourentage. "Die Skitourensaison endete früh und durch einen Wintereinbruch im Oktober war auch die Sommersaison kurz", sagte Florian Hellberg vom DAV.
Nächtliche Rettung ist ein Extremeinsatz
Genau in diesen Wintereinbruch hinein planten die Studenten ihre Watzmann-Tour. Der Berg in den Berchtesgadener Alpen ist schon bei gutem Wetter eine konditionelle Herausforderung - die nächtliche Rettung bedeutete auch für die Retter einen Extremeinsatz. Weil Felsen und Stahlseilsicherungen vereist waren, mussten sie für den Rückweg im Dunkeln zusätzliche Seile legen. Dabei hatten die jungen Ausflügler großes Glück: Sie hatten Handyempfang und konnten so Hilfe holen.
Das Handy hat zu einem Anstieg der Notrufe geführt, und mehr Fälle gehen dadurch glimpflich aus. Die Bergretter können früher ausrücken, Kontakt mit den Betroffenen halten und diese oft unverletzt bergen. Dabei häufen sich Notrufe, weil Bergsportler nicht mehr vor und zurück können. Häufigster Grund: Fehleinschätzung. "Das Können passt nicht zu der Tour, die Tour ist zu lang oder zu schwierig", sagt Stefan Winter, DAV-Ressortleiter Breitensport.
Bergsportler bleiben oft bei Drahtseilen oder Leitern stecken
Vor allem an Klettersteigen mit Drahtseilen oder Leitern bleiben Bergsportler immer öfter stecken. Viele unterschätzen die Anforderungen, bekommen plötzlich Angst - oder haben keine Kraft mehr. Dabei geht der Trend zu immer schwierigeren Steigen, teils geht es 1000 Meter in der Wand hinauf.
Ein Grund für die häufigeren Hilferufe könnte auch die bessere Ausrüstung sein. "Die Vermutung liegt nahe, dass man sich mit Hightech ausgerüstet unangreifbarer fühlt", sagt Winter. Davor warnte auch der Extrembergsteiger Hans Kammerlander. "Sicherheit kann man nicht im Sportgeschäft kaufen", sagte er den "Stuttgarter Nachrichten" (Freitag). Die Leute seien besser ausgerüstet, hätten aber oft keine Ahnung, wie man die Ausrüstung richtig nutzt. "Ein Seil ist zum Klettern unentbehrlich, doch ein Seil, das falsch angebracht ist, wird schnell zum Zusatzrisiko."
Sechs Kilo schwerer Rucksack muss reichen
So tragen manche auf dem Jubiläumsgrat an der Zugspitze ein 60-Meter-Seil mit, obwohl nur 20 Meter abzuseilen sind. Ein Sechs-Kilo-Rucksack sollte laut Winter reichen. "Es gibt viele Leute, die haben doppelt so viel dabei." Und mancher schleppe ganze Laibe Brot und eine Flasche Wein mit - oder Fünf-Liter-Wasserkanister. "Das ist dann eher etwas für den Campingplatz." (dpa)