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CSU: Debatte um Horst Seehofer: Revolution ist verschoben

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Debatte um Horst Seehofer: Revolution ist verschoben

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    Horst Seehofer wirkte am Mittwoch angeschlagen – aber geschlagen gab sich der CSU-Chef nicht.
    Horst Seehofer wirkte am Mittwoch angeschlagen – aber geschlagen gab sich der CSU-Chef nicht. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Es gibt zwei Wege in den Sitzungssaal der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag: entweder vorne, durch den Vorraum, wo die Journalisten auf Gesprächspartner warten – oder eben durch die hintere Tür. Wer als CSU-Politiker keine Fragen gestellt bekommen will, nimmt den Hintereingang. Markus Söder steht gerne im Rampenlicht. Er gehört in aller Regel nicht zu der Gruppe, die den Hintereingang nimmt. An diesem Morgen schon. Anders als sonst hat er offenbar keine Lust, Interviews zu geben – obwohl sieben Kamerateams und rund zwei Dutzend Journalisten in erster Linie auf ihn warten. Sie hätten nach all der Aufregung in der CSU gerne gewusst, ob der ehrgeizige bayerische Finanzminister sich an die Spitze einer Revolution gegen CSU-Chef Horst Seehofer stellt.

    In den zwei Tagen nach der historischen Wahlschlappe der CSU bei der Bundestagswahl hat Söder diese Frage in den vielen Interviews, die er gegeben hatte, offen gelassen. Er hatte sich darauf beschränkt, die Dimension des Absturzes der Partei in düsteren Farben zu malen. Er hatte davon gesprochen, dass das Wahlergebnis nicht nur Deutschland verändert habe, sondern auch Bayern und die CSU. Und er hatte gefordert, man müsse jetzt „sehr genau in die Partei hineinhören, welche Stimmung an der Basis ist“. Das ließ weiten Raum für Deutungen.

    Söder will diesmal nichts sagen

    Eindeutig wäre es gewesen, seinem Chef, den er, was in der Partei alle wissen, möglichst bald ablösen will, erst einmal demonstrativ zur Seite zu springen nach dem Motto: Wir haben gemeinsam gekämpft und gemeinsam verloren, jetzt müssen wir in dieser schweren Stunde Geschlossenheit zeigen.

    Eindeutig wäre es auch gewesen, Seehofer offen und frontal zu attackieren. Söder hätte nur an die erzwungenen Rücktritte der jüngeren Vergangenheit erinnern müssen: Edmund Stoiber wurde 2007 aus dem Amt gedrängt, nachdem die CSU in Umfragen unter 50 Prozent gefallen war. Günther Beckstein und Erwin Huber mussten gehen, weil sie bei der Landtagswahl 2008 nur noch 43,4 Prozent erreicht hatten. Da müsste doch auch das mit 38,8 Prozent schlechteste Bundestagswahlergebnis der CSU seit 1949 für einen Personalwechsel an der Parteispitze reichen?

    Mehr hätte Söder – so oder so – nicht sagen müssen. Die Situation wäre geklärt gewesen. Echte Geschlossenheit in dem einen, offene Feldschlacht im anderen Fall. Beides wollte Söder vermeiden.

    So kam alles ganz anders. Einige Parteifreunde, die entweder gegen Seehofer oder für Söder oder beides sind, nahmen die Aufforderung, in die Partei hineinzuhorchen, offenbar als Wink mit dem Zaunpfahl. Sie hörten Verärgerung, Zorn und Schuldzuweisungen: Seehofer sei zu hart mit der Bundeskanzlerin umgesprungen. Seehofer sei gegenüber Angela Merkel zu nachgiebig gewesen. Seine Strategie sei ein Schlingerkurs gewesen, der potenzielle CSU-Wähler verschreckt habe. Prompt forderten einige deshalb einen Rücktritt Seehofers oder zumindest eine ernsthafte Debatte über einen „geordneten Übergang“ an der Parteispitze.

    Seehofer hat jede Menge Wut im Bauch

    Seehofer ereilten diese unangenehmen Meldungen am Dienstag in Berlin während der Gespräche mit der CDU und mit Merkel. Es stinkt ihm gewaltig. Seinen Ärger bringt er am Mittwochmorgen mit in den Landtag. Anders als Söder aber nimmt Seehofer den Vordereingang und stellt sich mit spürbarer Wut im Bauch den Fragen der Journalisten.

    Droht die Partei Schaden zu nehmen? Seehofer: „Der Schaden ist schon entstanden. Der ist nicht mehr auszuradieren.“ Warum? Seehofer: „Wie sollen wir kraftvoll in Berlin Positionen zum Tragen bringen, wenn das so begleitet wird, wie das gestern der Fall war?“ Ob Söder dahinter steckt? Seehofer: „Schau´n Sie doch mal die Situation real an. Wir hatten doch die Debatte schon unabhängig vom Wahlergebnis hinter den Kulissen. Das hat sich auch in den Medien niedergeschlagen. Da kann sich jeder seinen Reim drauf machen.“

    Nach Seehofer kommt CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer. Er hat den Beginn der Sitzung von 10 Uhr auf 8.30 Uhr vorverlegt, damit möglichst viele Abgeordnete zu Wort kommen. „Jeder kann in der CSU-Fraktion ansprechen, was er will. Wir sind eine offene Fraktion“, sagt Kreuzer, stellt aber zugleich klar: „Ich halte es für grundfalsch, im Moment eine Personaldiskussion zu führen.“ Das schwäche die ohnehin schwierige Verhandlungsposition der CSU gegenüber der CDU in Berlin.

    Seehofer sagt, man gebe die CSU der Lächerlichkeit preis

    Kurz nach 8.30 Uhr schließen sich die Türen des CSU-Fraktionssaales. Nur Kurznachrichten dringen nach draußen. Seehofer sei zum Gegenangriff übergegangen, heißt es. Er habe sich verärgert gezeigt, dass zwei Abgeordnete (Petra Guttenberger aus Nürnberg und Alexander König aus Hof) öffentlich seinen Rücktritt und der Finanzstaatssekretär Albert Füracker einen „geordneten Übergang“ gefordert hatten. Er habe davor gewarnt, die CSU der „Lächerlichkeit“ preiszugeben. Er habe von peinlichen Situationen während des Gesprächs mit Merkel berichtet: „Wenn da dann diese Meldungen reinkommen, dann muss ich der Merkel jedes Mal erklären, wer das überhaupt ist.“ Das schade der CSU und das schade ihren politischen Zielen bei der Zuwanderung und der inneren Sicherheit, bei Rente und Pflege, bei Familienförderung und Wohnungsbau. Draußen vor der Tür ist erstmals Applaus zu hören.

    Noch mehr Beifall als Seehofer bekommt nach Berichten von Teilnehmern der CSU-Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Er hatte schon unmittelbar nach der Wahl eingeräumt, dass das Ergebnis eine herbe Enttäuschung für die CSU und auch für ihn persönlich sei. Er hatte aber auch zur politischen Mäßigung aufgerufen: Wenn die Partei jetzt sage, dass sie in der Auseinandersetzung mit der AfD die „rechte Flanke schließen“ wolle, so Herrmann, dann dürfe das „kein Rechtsruck der CSU“ sein. Die Partei müsse für Konservative ebenso eine Heimat bleiben wie für Liberale oder für überzeugte Christen.

    Als einer der ersten kommt kurz nach zehn Uhr der Günzburger Abgeordnete und frühere bayerische Justizminister Alfred Sauter vor die Tür. „Bis jetzt sind wir in der Wohlfühlphase“, sagt er. Der oberfränkische Abgeordnete Jürgen Baumgärtner bestätigt das: „Es ist harmonischer als man denkt.“

    Allzu lange freilich hält die Harmonie nicht an. Guttenberger und König fordern nach Aussage von Teilnehmern einen „Neuanfang“. Füracker versichert, dass sein Wunsch nach einem „geordneten Übergang“ nicht als Rücktrittsforderung zu verstehen sei, sondern als Aufforderung, die Sache in absehbarer Zeit zu regeln. Der Münchner Kultusstaatssekretär Georg Eisenreich trägt vor, dass die CSU unter Seehofer nun schon zwei Wahlen (Europa und Bund) verloren habe und deshalb zur Landtagswahl 2018 ein personeller Neustart nötig sei.

    Entscheidungen soll es erst im November geben

    Heftig angemahnt wird von mehreren Abgeordneten zudem, dass Seehofer und Söder ihren jahrelangen Streit doch endlich beilegen und gemeinsam an einem Strang ziehen sollten. Dafür plädieren unter anderem der frühere Wissenschaftsminister und CSU-Generalsekretär Thomas Goppel und der Allgäuer Abgeordnete Klaus Holetschek. Eine Antwort der beiden Matadore bekommen sie nicht.

    Als die Sitzung um 13 Uhr beendet ist, gibt es zumindest ein Ergebnis. Fraktionschef Kreuzer verkündet, dass die CSU sich jetzt auf die Durchsetzung ihrer Ziele in Berlin konzentrieren wolle. Die Fraktion sei sich auch darin einig, jetzt keine Personaldebatten zu führen. Der Platz dafür sei am Parteitag Mitte November. Und mit Blick auf die Landtagswahl 2018 sei nichts entschieden.

    Kurz darauf kommt Söder – jetzt wieder gesprächsbereit. Er bestätigt die Vereinbarung, drückt erneut seine Sorge über die politische Situation aus und sagt schließlich: „Ich bin erleichtert, dass wir heute eine gute Diskussion geführt haben. Und, wie gesagt, ich reiche immer die Hand.“ Auf die Frage, ob er sich als Parteichef bewerben werde, sagt Söder nur „Guten Tag“ und geht.

    Das letzte Wort hat dann der Parteivorsitzende. Seehofer sagt: „Ich finde, wir hatten eine sehr vernünftige Diskussion, sehr ehrlich, sehr offen. Ich bin damit zufrieden.“ Er sei auch froh darüber, dass man sich darauf verständigt habe, die Frage des Parteivorsitzes auf dem Parteitag zu verhandeln. Bis dahin werde in Berlin auch geklärt sein, ob es eine gemeinsame Position mit der CDU für Sondierungsgespräche mit möglichen Koalitionspartnern gebe.

    Erst auf mehrfache Nachfrage bekräftigt Seehofer, dass er, wie schon lange angekündigt, bei Parteitag wieder für das Amt des Parteivorsitzenden kandidieren wird. „Ich habe jetzt keinen Grund, da eine Neuausrichtung vorzunehmen.“ Die Frage, ob er einen Gegenkandidaten hat, ließ er offen: „Ich kommentiere das jetzt nicht, weil wir ja gesagt haben, über Personalien reden wir nicht.“

    Lesen Sie dazu auch: Die Angst der CSU vor dem Abstieg aus der Bundesliga

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