Nach der Veröffentlichung eines Prüfberichts des bayerischen Datenschutzbeauftragten Thomas Petri streitet Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nicht nur mit der Landtagsopposition erneut heftig über den Einsatz von Computer-Spähprogrammen zur Telekommunikationsüberwachung, sondern steuert auch auf einen Konflikt mit dem Koalitionspartner FDP zu. Herrmann will das seit Herbst geltende Trojanerverbot bei der Polizei schnell aufheben.
Im vergangen Herbst hatte die sogenannte Quellen-TKÜ in Bayern bundesweit für Schlagzeilen gesorgt, nachdem der Chaos-Computer-Club in der eingesetzten Software versteckte illegale Funktionen entdeckt hatte. Petri hatte sowohl die Software als auch die 23 Fälle untersucht, in denen bayerische Sicherheitsbehörden von dem „Trojaner“ Gebrauch gemacht hatten.
„Es gibt keine Anhaltspunkte, dass die Polizei illegale Methoden angewandt hatte“, sagte Petri. Allerdings habe die von einer privaten Firma zugekaufte Software in der Tat rechtlich fragwürdige Funktionen gehabt und hätte über eine Nachlade-Funktion sogar eine illegale Raumüberwachung möglich gemacht. Bis heute sei zudem nicht nachvollziehbar, was das Landeskriminalamt eigentlich bestellt habe, kritisierte Petri.
Bei der Quellen-TKÜ darf – anders als etwa bei einer Onlineuntersuchung – nach einer richterlichen Anordnung nur tatsächliche Kommunikation etwa via E-Mail oder Internettelefonie überwacht werden. Die eingesetzte Software übertrug allerdings laut Petri auch automatisch eine Liste aller auf dem Computer gespeicherten Programme. Zudem war technisch auch die Übertragung von Bildschirmfotos („Screenshots“) möglich. Ob diese rechtlich „tiefdunklen Graubereiche“ für die Sicherheitsbehörden relevant waren oder überhaupt genutzt wurden, sei letztlich nicht entscheidend, findet Petri.
SPD und Grüne wollen den Trojaner „endgültig begraben“
In zwei der bayerischen Fälle war die Späh-Software heimlich in der Wohnung der Verdächtigen auf den Computer aufgespielt worden. Dafür habe es zwar eine richterliche Anordnung gegeben. Dennoch stelle sich die Frage der Verhältnismäßigkeit, findet Petri – zumal das „Betretungsrecht“ der Polizei 2009 aus dem bayerischen Polizeiaufgabengesetz gestrichen worden sei.
Petri fordert deshalb vor einem erneuten Einsatz der Quellen-TKÜ in Bayern mehr Klarheit und Kontrolle über die verwendete Software sowie eine rechtliche Klarstellung über Möglichkeiten und Grenzen.
Für neue Regelungen gebe es „keinen zwingenden gesetzgeberischen Bedarf“, findet dagegen Bayerns Innenminister Herrmann. Denn alle Vorwürfe gegen die bayerische Polizei hätten sich als haltlos erwiesen. Der im letzten Herbst ausgesetzte „Trojaner“-Einsatz soll umgehend wieder aufgenommen werden: „Ich möchte, dass wir auch in Bayern so schnell wie möglich wieder technisch einsatzfähig sind“, sagte Herrmann.
SPD und Grüne wollen dagegen den Trojaner „endgültig begraben“: Der Datenschutzbericht „bestätigt unsere Kritik auf ganzer Linie“, sagte die Grünen-Rechtsexpertin Susanna Tausendfreund. Die Staatsregierung sei „unfähig, die technischen, rechtlichen und datenschutzrechtlichen Anforderungen sicherzustellen“, so Florian Ritter (SPD).
Der FDP-Rechtsexperte Andreas Fischer forderte eine „ergebnisoffene Diskussion“ über die Zukunft der Quellen-TKÜ: „Nicht alles, was für die Strafverfolgung hilfreich ist, ist auch unverzichtbar und den Bürgern zuzumuten.“