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Dasing: Western-City kämpft nach Tragödien ums Überleben

Dasing

Western-City kämpft nach Tragödien ums Überleben

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    Die Aufräumarbeiten nach dem Brand  in der Western-City Dasing haben begonnen. Noch ist unklar, wie es weitergeht.
    Die Aufräumarbeiten nach dem Brand  in der Western-City Dasing haben begonnen. Noch ist unklar, wie es weitergeht. Foto: Michael Hochgemuth

    Winnetou und Old Shatterhand sind Helden, die oft in letzter Minute als Retter angeritten kommen. Dramatische Musik, typische Begrüßung mit der Hand auf dem Herzen – und alles wird gut. Wenn es nur so einfach wäre, auch heute noch, und auch im Wilden Westen an der Autobahn bei Dasing unweit von Augsburg. Doch in der dortigen Western-City, die seit 2005 die Süddeutschen Karl-May-Festspiele veranstaltet, spielt sich ein Drama nach dem anderen ab.

    Der Tod des charismatischen Gründers Fred Rai 2015 und drei Brände innerhalb weniger Jahre machten aus dem erfolgreichen Freizeitpark ein Unternehmen mit schwieriger Zukunft. Klar ist: Für das letzte Feuer im Juli 2017 war ein Brandstifter verantwortlich. Den sucht die Polizei noch immer. Außerdem prüft sie, ob Fred Rais Testament tatsächlich in Gänze von ihm selbst stammt. Reitstall und Kulissen liegen in Schutt und Asche. Wie Winnetou und Old Shatterhand gibt aber auch das Team der Western-City nicht auf. Vielleicht auch, weil der Optimismus von Fred Rai noch immer in den Ruinen zu spüren ist.

    Es ist eine Geschichte wie im Roman, die den Weg des Kaufmannssohnes aus Ellwangen zum „singenden Cowboy“ mit Pferd „Spitzbub“ und eigener Westernstadt beschreibt. 1941 geboren, hatte Manfred Raible – so sein bürgerlicher Name – schon früh ein Faible für Musik und Abenteuer. Die Kühe des Onkels, so wird erzählt, hütete er nur unter der Bedingung, dazu auf einem Pferd reiten zu dürfen.

    Trotz aller Lagerfeuerromantik musste der Bub etwas Ordentliches lernen. Er wurde Versicherungskaufmann. Aber er machte lieber Musik und ritt mit dem Pferd durch Deutschland. Nachdem es ihn beruflich nach Augsburg gezogen hatte, entdeckte er im nahen Dasing das Areal eines alten Bauernhofs. Hier zog er mit Frau, Kindern und Pferden ein. Daraus wurde die Western-City. Die Kulissen der Westernstadt erhielt er bei einem Auftritt als Gage. 1980 eröffnete er damit den Freizeitpark. 35 Jahre später starb er mit 73 Jahren bei einem Ausritt an einer Herzattacke. Wiederum zwei Jahre später lagen Saloon und Blockhütten in Trümmern.

    "Der Brand hat mehr zerstört als ein paar Gebäude"

    Es hatte hier schon öfter gebrannt. Beim ersten Mal, 2013, war es ein Tunnel, durch den eine Bimmelbahn fuhr. Im Herbst 2016 traf es den großen Stall. 700.000 Euro Schaden. Technischer Defekt, wie zuvor beim Tunnelbrand, hieß es damals. Die Akte wurde geschlossen. So schnell geht es nach dem letzten Feuer nicht. Die Polizei will die Suche nach dem Feuerteufel nicht aufgeben, der Ende Juli 2017 immensen Schaden angerichtet hat.

    Die Saison der Karl-May-Festspiele hatte gerade begonnen. Darsteller und Mitarbeiter saßen spätabends nach einer Vorstellung am Lagerfeuer zusammen, jemand machte Musik. Da entdeckte eine Pferdepflegerin, die nach den Tieren schauen wollte, das Feuer im Heulager. Sie schlug Alarm, alle rannten zur Hilfe, die Feuerwehr wurde gerufen. Die Flammen zerstörten sechs Gebäude. Mehr als 400 Feuerwehrleute konnten gerade noch verhindern, dass das Feuer auf den Festspielbereich und das große Wohnhaus übergriff.

    Die Menschen, die diese Nacht erlebten, haben teilweise immer noch Albträume. Daniela Sippel, die Pferdepflegerin, verlor damals ihre Wohnung in einer der Blockhütten. Jetzt lebt sie mehr schlecht als recht mit ihrer kleinen Tochter im Dasinger Bahnhof. Hört sie von dort aus Feuerwehrsirenen schrillen, steht sie auf und sieht im Stall nach dem Rechten, auch mitten in der Nacht. „Der Brand hat mehr zerstört als ein paar Gebäude“, sagt sie. „Er hat Existenzen vernichtet.“ Die 38-Jährige ist praktisch als einzige Mitarbeiterin geblieben. Für die anderen gab es keine Arbeit mehr.

    Derweil versucht das Team der Geschäftsführung, den Betrieb weiterzuführen beziehungsweise wiederaufzubauen. Nur zwei Wochen nach dem Brand gingen die Festspiele in der Open-Air-Arena, die vom Feuer verschont wurde, wieder los. Voll waren die Tribünen, die Platz für 600 Zuschauer bieten, aber nur ein Mal: als die Feuerwehrleute und Helfer aus der Brandnacht eingeladen waren. Damals gab es eine Welle der Hilfsbereitschaft. Menschen brachten Kleidung vorbei oder Tierfutter. Der Dasinger Förderverein sammelte mehrere tausend Euro,die Kartei der Not, das Leserhilfswerk unserer Zeitung, leistete Mitarbeitern, die Hab und Gut verloren hatten, Unterstützung.

    Das Testament war blumig formuliert - aber juristisch nicht haltbar

    Das half in der ersten Not, aber nicht bei der Frage, wie es mit dem Unternehmen weitergehen kann. „Wenn man so lange mit Fred Rai zusammen war, gibt man nicht auf“, lautet eine Antwort. Die Worte stammen von einer Frau, die Fred Rai eng verbunden war: Gabriele Amrhein. Sie lernte den „singenden Cowboy“ in den 70er Jahren kennen, da hatte er schon eine Ehefrau und zwei Töchter. Rai und Amrhein wurden trotzdem ein Paar und bauten nicht nur die Western-City zusammen auf, sondern auch die Lucky Hills Ranch in Arizona. Dort werden Pferde und Rinder gehalten, Urlauber machen Reiterferien. Die Geschäfte liefen gut, in den 80ern und auch später gaben sich Prominente in Dasing die Klinke in die Hand, von Heidi Brühl bis Pierre Brice. Noch in den 2000er Jahren machte die Westernstadt nach Aussagen Rais einen Millionenumsatz.

    Und selbst wenn in den vergangenen Jahren so mancher Besucher – mittlerweile ein anderes Niveau von Freizeitparks gewohnt – die Nase rümpfte ob der angegrauten Ausstattung, kamen andere gerne. Die einen, weil sie sich hier in stilechtem Ambiente in die Welt des Wilden Westens hineinträumen konnten, die anderen, weil sie das Rai-Reiten schätzten, eine gewaltlose Form des Umgangs mit Pferden. Rai, ein großer Tierfreund, hat sie selbst entwickelt. Seine letzte Lebensgefährtin Tessa Bauer führt diese Aufgabe im Dasinger Bundesausbildungszentrum für Rai-Reiten fort, als Rais Erbe. Überhaupt, das Erbe…

    Fred Rai war ein überaus charmanter Mann, der auf jeden zuging und bei vielen gut ankam. Auch bei den Frauen. Zwei Töchter gibt es aus der Ehe mit seiner Ex-Frau, außerdem einen Sohn aus einer anderen Beziehung. Zwei ehemalige Lebensgefährtinnen – Amrhein und Bauer – führen zusammen mit dem Journalisten Volker Waschk seit Rais Tod die Geschäfte.

    Gabriele Amrhein leitet die Geschäfte der Western City in Dasing.
    Gabriele Amrhein leitet die Geschäfte der Western City in Dasing. Foto: Fred Schöllhorn

    Eine Konstellation, die zu funktionieren schien. Doch dann wurde es kompliziert. Jahrelang konnte die Erbschaft nicht geregelt werden. Das Testament, so heißt es, sei in eher blumigem Stil formuliert. Gut gemeint, aber juristisch nicht haltbar. Jetzt überprüft die Kriminalpolizei im Rahmen der Brandermittlungen, ob der letzte Wille Rais tatsächlich in Gänze von Rai stammt. Fast alle potenziellen Erben haben Anwälte genommen. Einer von ihnen ist Michael Ott-Eulberg. Dem Juristen zufolge ist das Schriftbild im Testament nicht einheitlich. Das könne aber auch daran liegen, dass Rai zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedlich geschrieben hat. Gabriele Amrhein scheint das nicht anzufechten: „Es ist eindeutig Freds Handschrift und Wortlaut“, sagt sie unserer Zeitung. Jeder, der ihn kannte, könne das erkennen.

    Ermittlungen: Belohnung von insgesamt 11.000 Euro ausgesetzt

    Stellt dies auch der Grafologe fest, ist laut Ott-Eulberg zu klären, welche der bedachten Personen wie viel erhält. Das sind die zwei Töchter und die Lebensgefährtin beziehungsweise Ex-Lebensgefährtin. Sollte das Testament nicht anerkannt werden, gebe es ein anderes, älteres Exemplar – mit einer „etwas anderen Erbfolge“. In der gesetzlichen Erbfolge wiederum würden nur die drei Kinder erben.

    Angesichts der komplizierten Situation hat das Amtsgericht Aichach einen Nachlasspfleger eingesetzt. Der Augsburger Rechtsanwalt Robin Trini regelt die Angelegenheiten von Versicherungsleistungen für die Brandschäden, die jetzt anlaufen, bis zum Wiederaufbau der Westernstadt und der nötigen Brandschutzmaßnahmen. Eine Mammutaufgabe. Denn Fred Rai hat mehr hinterlassen als die Western-City, deren Wert Insider auf eine halbe bis zwei Millionen Euro schätzen. Es geht auch um Wohnungen und die 84 Quadratkilometer große Ranch in Arizona, auf die Amrhein aufgrund spezieller US-Gesetze Anrecht erhebt. Auch der Wert der Ranch muss nun festgestellt werden.

    Wie lange es dauert, bis die Testamente überprüft, die Erbangelegenheiten und alle Versicherungsfragen geregelt sind, darauf mag sich niemand festlegen. Dasselbe gilt für die Ermittlungen zum Brand. In einem solchen Fall zähle Beharrlichkeit, sagt Siegfried Hartmann, Sprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Nord. Polizei und Versicherung haben eine Belohnung von insgesamt 11.000 Euro ausgesetzt. „Es geht ja nicht um einen abgebrannten Wohnwagen.“ Auch Monate nach dem Feuer gebe es neue Gutachten, alte Vernehmungsprotokolle würden unter neuen Gesichtspunkten durchgesehen. Auch die vorherigen Brände würden miteinbezogen. „Das betrachtet man nicht isoliert.“

    Wie zu hören ist, wurden unter anderem Handy- und Telefondaten ausgewertet sowie aktuelle und frühere Mitarbeiter unter die Lupe genommen. Hartmann äußert sich dazu nicht, sagt aber: „Es ist klar, dass das nicht ein normaler Spaziergänger war.“

    Im Dorf machten nach dem Feuer diverse Gerüchte die Runde, sogar der Ausdruck „gesundgebrannt“ fiel ab und an. Dagegen wehren sich Geschäftsführer und Mitarbeiter. „Niemand aus der Western-City selber hätte das Leben von Tieren und Menschen riskiert“, sagt Amrhein. Außerdem bestätigen Insider, dass die Versicherung zwar zahlen werde, doch wegen der komplexen Lage daraus kein finanzieller Vorteil für irgendjemanden entstehe.

    Western-City auch 2018 Schauplatz der Karl-May-Festspiele

    Und trotz allem haben die Beteiligten Hoffnung, dass die Western-City den Neuanfang schafft. Vergangene Woche begann eine Spezialfirma mit der Entsorgung des Brandschutts. Der Termin für die nächsten Süddeutschen Karl-May-Festspiele steht schon fest. Vom 27. Juli bis 9. September sorgen Winnetou und Old Shatterhand im „Tal des Todes“ für Gerechtigkeit.

    Außerdem ist das Team nach Angaben von Sprecher Volker Waschk mit Veranstaltern im Gespräch. Die Arena, verkehrsgünstig nahe der A8 gelegen und mit Parkplätzen ausgestattet, könnte fremdvermietet werden. Um Infrastruktur dafür zu schaffen, zieht das „Winterland“, das in der kalten Jahreszeit vor dem Augsburger Einkaufszentrum City-Galerie aufgebaut ist, für diese Sommersaison nach Dasing. Mit dem Eislaufen wird es dann natürlich nichts, doch die Fläche könnte in eine Art Streichelzoo umfunktioniert werden, meint Waschk. Außerdem soll es an Veranstaltungstagen der Festspiele ein kleines Rahmenprogramm dort geben, etwa Lassowerfen. Konzerte, Freilufttheater, Geburtstagsfeste, Firmenveranstaltungen, all das sei auf dem Areal vorstellbar. Die Reithalle soll ebenfalls wiederaufgebaut werden.

    Ein Jahr des Testens, Überlegens und Planens werde 2018 wohl werden, sagt Volker Waschk. „Wir müssen es nutzen, um die Dinge komplett neu zu planen.“ Wer jetzt denkt, das sei eine filmreife Geschichte, angesiedelt irgendwo zwischen Drama und Krimi, sollte am Montag fernsehen. Das ZDF strahlt ab 18 Uhr eine Folge von „Soko München“ aus. „Himmel, Herrgott, Sacramento“ heißt sie. Drehort: Western-City Dasing.

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