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Ursula Herrmann-Prozess: Das verräterische Knacken bei den Erpresseranrufen

Ursula Herrmann-Prozess

Das verräterische Knacken bei den Erpresseranrufen

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    Die Sachverständige Dagmar Boss vom LKA Bayern mit dem Tonbandgerät, das im Ursula Herrmann-Prozess eine entscheidendes Beweismittel ist.
    Die Sachverständige Dagmar Boss vom LKA Bayern mit dem Tonbandgerät, das im Ursula Herrmann-Prozess eine entscheidendes Beweismittel ist. Foto: Fred Schöllhorn

    Da war dieses typische Knacken in den Erpresseranrufen im Entführungsfall Ursula Herrmann. Tausende Male hat die Phonetik-Gutachterin des Bayerischen Landeskriminalamts (LKA), Dagmar Boss, dieses

    Erst als ihr im Jahr 2007 ein Tonbandgerät vom Typ Grundig TK 248 zur Untersuchung vorgelegt wurde, war die Expertin elektrisiert: "Da hatte ich ein starkes Aha-Erlebnis", berichtet sie am Dienstag vor dem Landgericht Augsburg.

    Die Starttaste des Geräts klang genauso wie das Knacken in den Erpresseranrufen, die im September 1981 aufgezeichnet worden waren. Das Gerät war beim Angeklagten Werner M. (59) beschlagnahmt worden. Als die Geräusche im Gerichtssaal vorgespielt werden, ist die frappierende Ähnlichkeit selbst für Laien unüberhörbar.

    Der Angeklagte zeigt keine Regung. Er soll die Anrufe getätigt haben, auf denen man noch einmal das verzweifelte Flehen von Ursulas Mutter hört, "lassen Sie doch das Zeichen weg, reden Sie doch mit mir, ich beschaffe die zwei Millionen, geben Sie doch ein Lebenszeichen von Ursula." Kein Wort, nur das damalige Verkehrssignal des Bayerischen Rundfunks in eigenartiger Verzerrung, auf drei von fünf Erpresseranrufen mit den verräterischen Schaltgeräuschen.

    Der Angeklagte bestreitet, die zehnjährige Ursula entführt und in eine im Wald vergrabene Kiste gesperrt zu haben. Das Mädchen war kurz darauf erstickt. Werner M. behauptet, er habe das Tonbandgerät im Herbst 2007 auf einem Flohmarkt in Beverungen (Niedersachsen) gekauft.

    Neben dem Geräusch der Starttaste ist auf den Mitschnitten auch das Klacken der Pausentaste des Tonbandgerätes zu hören, das ganz ähnlich klingt wie bei dem Gerät des Angeklagten - ein weiteres Puzzleteil bei der Untersuchung des Gerätes, das die Staatsanwaltschaft als Hauptindiz zur Überführung des Angeklagten sieht.

    Besonders auffällig ist die Dämpfung des höchsten Tones des Verkehrsfunk-Signals auf den Erpresseranrufen. Die Spezialisten haben bei akribischen Untersuchungen herausgefunden, dass dies an einer Schrägstellung des Aufnahmekopfs liegt. Boss führt diesen Effekt im Gerichtssaal eindrucksvoll vor. Versuche mit vergleichbaren Tonbandgeräten hätten gezeigt, dass diese Tonkopf-Fehlstellung mit dem Dämpfungseffekt ein einmaliges Kennzeichen des Gerätes aus dem Haushalt des Beschuldigten sei.

    Ihre Schlussfolgerung: "Dieses Tonbandgerät ist wahrscheinlich zum Zusammenschnitt des Tatmaterials für die Erpresseranrufe verwendet worden." Auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters Wolfgang Rothermel, was "wahrscheinlich" bedeute, sagt die Gutachterin: "Wahrscheinlich wie in unserem normalen Sprachgebrauch."

    Sie erläutert, wie die Kriminologen unterscheiden: von "nicht entscheidbar" über "möglich" zu "wahrscheinlich", "mit hoher Wahrscheinlichkeit", "mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit" und "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit". In diesem Fall sei das Gerät eben wahrscheinlich das vom Erpresser benützte.

    Die Verteidigung zweifelt an den Kernpunkten des Gutachtens. Rechtsanwalt Walter Rubach hat mehrere Anträge gestellt. Er will weitere Sachverständige hören. Und die Schaltgeräusche könnten auch von anderen ähnlichen Tonbandgeräten dieser Bauart stammen. (Von Holger Sabinsky)

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