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Das große Los gezogen: Im Raum Kempten wird ein Millionär gesucht

Das große Los gezogen

Im Raum Kempten wird ein Millionär gesucht

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     Lotto-Kugeln
    Lotto-Kugeln Foto: DPA

    Wie beginnt man mit der Suche nach einem Menschen, von dem man nichts, rein gar nichts weiß? Indem man jemanden fragt, der Experte ist bei der Suche nach verschwundenen, vermissten, völlig abgetauchten Personen. "Wen suchen Sie? Na, da werden Sie sich aber schwer tun", heißt es bei der Polizei. Der Beamte weiß so spontan auch keinen Rat. Ohne Tatort. Ohne Zeugen. Ohne konkreten Hinweis.

    Diese Suche könnte in der Tat schwierig werden. Denn Tatort gibt es keinen. Oder doch? Eigentlich schon. Zumindest einen Ort des Geschehens. Den rückt die Bayerische Lotterieverwaltung aber nicht raus: "Kempten oder das Umland", sagt Sprecher Michael Tyll. Und, dass Umland bis zu 30 Kilometer rund um

    Wir sind auf der Suche nach einem echten Glückspilz. Nach demjenigen, der in einer Allgäuer Lotto-Annahmestelle seinen Spielschein abgegeben hat - und tatsächlich gewann. Seine Losnummer 4527073 stimmte exakt mit den Gewinnzahlen der Glücksspirale überein. Eine Gewinnsumme von 2,1 Millionen Euro - oder alternativ eine monatliche Sofortrente von 7500 Euro - bedeutet das für den Losbesitzer.

    Doch noch immer, mittlerweile 16 Wochen später, hat dieser sich nicht bei der Lotterieverwaltung am Karolinenplatz 4 in München gemeldet. Und die Uhr tickt. Bis 10. Juli hat der Gewinner noch Zeit, seine 2,1 Millionen Euro einzufordern. Danach fließt das Geld in den Topf der Glücksspirale zurück.

    Aber von vorn: Was wissen wir? Das ist schnell gesagt. Der oder die Unbekannte gab am 9. Januar in einer Allgäuer Lotto-Annahmestelle einen Schein ab. Ausgefüllt waren für die Samstagsziehung vier Lottofelder. Außerdem kreuzte Mr. oder Mrs. X bei den Zusatzspielen Super 6, Spiel 77 und Glücksspirale jeweils "Ja" an. Der Unbekannte zahlte elf Euro und verschwand auf Nimmerwiedersehen.

    Oder vielleicht doch nicht? Einer, der bei der Suche bestimmt weiterhelfen kann, ist Markus Birnstiel. Seit 1942 gibt es seinen kleinen Laden direkt auf dem Kemptener Rathausplatz. Hinter der Theke ist das Angebot an Zigaretten aufgereiht, im anderen Teil des Raumes liegen die Zeitschriften aus.

    Seit 1955 wird hier auch Lotto gespielt. Neuerdings prangt, direkt vor dem Ladentisch, ein Schild. "Gewinner gesucht", steht darauf: "Monatliche Sofortrente von mindestens 7500 ¤ bei der Glücksspirale-Ziehung vom 9. 1. 2010 noch nicht abgeholt."

    Hat der Gewinner seinen Schein am Ende in Birnstiels Annahmestelle abgegeben? "Wenn ich das wüsste", seufzt der Mann mit dem Pferdeschwanz und dem kunstvoll geschwungenen Schnauzer und fügt hinzu: "Außer der Lotterieverwaltung kann das im Moment keiner sagen." Doch auch, wenn Markus Birnstiel zum Millionengewinner selbst nichts sagen kann: "Das Thema habe ich täglich mit meinen Kunden." Diese, erzählt er, lassen nämlich ihre Spielscheine teilweise mehrfach überprüfen, haben ihre Wohnungen auf den Kopf gestellt, um Spielquittungen zu finden, und erleben - "das ist jetzt kein Witz" - angeblich lange, schlaflose Nächte.

    Und während Zeitschriften, Zigaretten und Lottoscheine über den Tresen von Markus Birnstiel wandern, wird so manche Theorie über den Gewinner aufgestellt. Beispielsweise, dass er vor lauter Freude einen Herzinfarkt bekommen haben könnte. Oder dass er auf das Geld überhaupt keinen Wert legt. Und was meint der Mann von der Lotto-Annahmestelle selbst? "Er spielt nicht regelmäßig und hat vermutlich nur die Lottozahlen kontrolliert", mutmaßt Markus Birnstiel.

    Er schließt kurz die Augen und schickt ein "eigentlich schade" hinterher. Denn er wüsste genau, was er mit 2,1 Millionen Euro anfangen würde: "Die Hälfte würde ich in Immobilien stecken, ein Viertel in festverzinsliche Wertpapiere und das letzte Viertel würde ich verprassen."

    So weit, so gut. Wenigstens hat er schon einen Plan. Trotzdem geht es weiter. Diesmal ins Umland, über kurvige Straßen hinauf nach Wiggensbach im nördlichen Oberallgäu. Der Ort mit gut 4700 Seelen ist im ganzen Landkreis die einzige Gemeinde, die völlig schuldenfrei ist. Da riecht die Luft doch nach Geld.

    "Lotto" prangt in Rot auf einem gelben Schild. Drinnen ist gerade kein Betrieb. Weder an der Kuchentheke rechts noch am Lottotresen links. Ein guter Zeitpunkt also für ein Pläuschchen mit Heike Rothbauer. Weiß sie etwas über den Gewinner? Schließlich kennt man sich im Ort, da fällt es doch auf, wenn einer von Hausbau-, Ferrari- oder Jachtkaufplänen spricht. "Nein", sagt

    Was hat der Kaffee trinkende Mann im Nebenstübchen da gesagt? Schnell ein Anruf bei der Lotterieverwaltung. "Nein, er ist noch nicht gefunden", heißt es aus München. Und je mehr Zeit verstreiche, desto unwahrscheinlicher werde es, dass der Unbekannte noch auftaucht. Also Kommando zurück.

    Vielleicht kann er auch gar nicht auftauchen. Und zwar nicht etwa, weil er seine Spielquittung schon längst weggeworfen hat. Sondern weil er schlicht und einfach noch nichts weiß. Ein Abstecher ins Reisebüro ist da einen Versuch wert. "Ja, klar, vielleicht ist er monatelang mit dem Rucksack durch Australien unterwegs", sagt Johanna Westermayer vom Kemptener

    Also wieder nichts. Aber wer sagt eigentlich, dass der Lottogewinner völlig ahnungslos ist? Kann ja sein, dass er längst Bescheid weiß. Dass er sich Zeit lassen will. Dass er noch überlegt, wohin mit all dem Geld. Dass er einen genauen Plan braucht, bevor er die Millionen tatsächlich in die Hand nimmt.

    Ein kleiner gepflasterter Weg, die Klostersteige, führt hinunter zum Immobilienbüro Engel und Völkers in Kempten. Immobilien und Jachten in 40 Ländern der Welt kann man dort kaufen. Hier ist ein frischgebackener Millionär doch genau richtig, oder? Gut möglich, dass er sich in letzter Zeit nach einer Villa in Dubai oder Miami erkundigt hat. Dass er es sich künftig auf seinem Schiff auf Sardinien oder in Südafrika gut gehen lassen will.

    Bei der Frage nach dem Lottogewinner kippt Micaela Halder vor Lachen fast vom Stuhl. "Hat sich bei euch jemand gemeldet, der zwei Millionen loswerden will?", fragt sie die Kollegen im Raum. Schallendes Gelächter. Nein, der letzte mutmaßliche Millionär, den

    Nichts gegen Kevin Costner. Der hat aber am 9. Januar bestimmt nicht im Allgäu Lotto gespielt. Weiter geht es deshalb in Kemptens Süden. Exklusive Autos stehen bei Lottogewinnern ganz oben auf der Wunschliste, zeigt die Erfahrung bei der Lotterieverwaltung. Darf es vielleicht eine britische Nobelkarosse sein? "Nein, nein, bei uns hat sich niemand als Lottomillionär geoutet", winkt Tino Bonkowski vom Jaguar-Händler Hartmann ab.

    Ein letzter Versuch. Wenn sich der Gewinner keinen Luxus gönnt, möchte er seine Schäfchen doch sicher im Trockenen haben. Was läge da näher, als bei einer Bank anzuklopfen und nach Anlagemöglichkeiten zu fragen. "Nicht bei uns", muss auch Rainer Schaidnagel, Vorstand der Raiffeisenbank Kempten, passen. Auch wenn Herr oder Frau Unbekannt nicht der erste Lottogewinner wäre, der bei der Bank Rat sucht. Und was rät der Bankenchef? "Erst müssen die persönlichen Lebensziele klar definiert werden", sagt Sabine Beck

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