Es ist das vermutlich kurioseste Gericht in ganz Deutschland: Kaum einer weiß, wo es ist. Kaum einer weiß, welche Aufgaben es hat. „Selbst Juristen“, räumt Präsidentin Beate Schmidt offen ein, „wissen oft nicht, dass es dieses Gericht gibt, geschweige denn, was es macht.“ Am Freitag kommender Woche aber wird in der Allerheiligen-Hofkirche in der Münchner Residenz ganz groß gefeiert – mit Bundespräsident Christian Wulff als Festredner. Das Bundespatentgericht (BPatG) wird 50 Jahre alt.
Wer Präsidentin Schmidt in ihrem Büro treffen will, braucht entweder ein gutes Navigationsgerät oder einen Stadtplan. Das Bundespatentgericht residiert in einem ehe-maligen US-amerikanischen Militärkrankenhaus in Obergiesing, ganz im Süden Münchens, noch hinter der Justizvollzugsanstalt Stadelheim und dem Friedhof am Perlacher Forst. Ein Verfassungsorgan im Randbezirk – irgendwie passt diese Abgeschiedenheit zu diesem Gericht mit seinen vielen Eigentümlichkeiten.
Die Liste der Besonderheiten ist lang. Sie beginnt bei der Entstehung. Die Väter des Grundgesetzes nämlich hatten an alles Mögliche gedacht, nur nicht an ein Patentgericht. Die ersten Jahre ging das gut, bis ein junger Stuttgarter Rechtsanwalt namens Fromut Völp, später Professor in Tübingen, gegen den Umstand mobil machte, dass gegen Entscheidungen des Bundespatentamtes kein Gericht angerufen werden konnte. Wenn einem Erfinder oder einem Unternehmer eine Patententscheidung nicht passte, konnte er sich nur wiederum beim selben Amt beschweren.
Auslöser des Musterprozesses, den Anwalt Völp auf eigene Rechnung anstrengte, war eine Lappalie: Es ging um Kosten in Höhe von 445,12 Mark im Zusammenhang mit einem „Löschungsverfahren gegen ein Gebrauchsmuster, die Verbesserung eines ,Rockbügelhalters‘ betreffend“. Völp bestand darauf, dass auch bei Patentstreitigkeiten der Rechtsweg offen stehen muss, und bekam im Juni 1959 vor dem Bundesverwaltungsgericht recht. Das Grundgesetz musste nachgebessert werden. Am 1. Juli 1961 nahm das Bundespatentgericht in München seine Arbeit auf.
Das BPatG ist aber nicht nur das einzige Gericht Deutschlands, das quasi per Gerichtsurteil gegründet wurde. Es ist auch das einzige Gericht, an dem man Berufsrichter auf Lebenszeit werden kann, ohne Jurist zu sein. Dies sei „absolut einmalig“, sagt Präsidentin Schmidt. Der Grund: Um Patententscheidungen beurteilen zu können, brauche es nicht nur juristisches, sondern auch technisches Fachwissen. 65 der insgesamt 120 Richter seien Naturwissenschaftler. Gemeinsam mit 125 weiteren Mitarbeitern bearbeiten sie pro Jahr rund 3000 Verfahren rund um gewerbliche Schutzrechte für Patente, Marken und geografische Herkunftsbezeichnungen.
Die meisten dieser Verfahren erregten kaum Aufsehen – außer es gehe um Populäres wie „Neuschwanstein“ als Marke oder „Münchner Weißwurst“ als geografische Herkunftsbezeichnung.
Für die Beteiligten, so Schmidt, stehe aber oft viel Geld auf dem Spiel. Bis zu 30 Millionen Euro Streitwert könne das Gericht festsetzen – in erster Instanz. Und auch das ist eine Besonderheit: Das BPatG ist das einzige Bundesgericht, das zugleich erste Instanz ist.