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Dachau: Staatsanwalt erschossen: Zwei Zeugen überwältigen Angeklagten

Dachau

Staatsanwalt erschossen: Zwei Zeugen überwältigen Angeklagten

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    In Dachau hat ein Angeklagter im Gerichtssaal einen Staatsanwalt erschossen. Der Täter wurde überwältigt.
    In Dachau hat ein Angeklagter im Gerichtssaal einen Staatsanwalt erschossen. Der Täter wurde überwältigt. Foto: Andreas Gebert

    Der Angeklagte hätte das Gericht als freier Mann verlassen können - doch noch vor dem Urteil schoss er wild um sich: Offenbar weil er eine Verurteilung wegen des Vorenthaltens von 44.000 Euro an Sozialbeiträgen nicht akzeptieren  wollte, hat ein 54-jähriger Transportunternehmer im Amtsgericht  Dachau einen 31-jährigen Staatsanwalt erschossen. Der Mann konnte  die Waffe ohne Kontrolle ins Gericht schmuggeln.

    "Wir sind fassungslos und entsetzt über die schreckliche Tat", sagte Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) am Abend. "Es war ein Verfahren, in dem kein Mensch damit rechnen kann, dass so ein brutale Straftat begangen werden kann." Es habe sich um eine Routineverhandlung gehandelt - deshalb habe es auch keine speziellen Sicherheitsvorkehrungen gegeben.

    Zeugen, die in dem Verfahren anwesend waren, überwältigten den 54-jährigen Schützen, der wegen Mordes festgenommen wurde.

    Staatsanwalt war erst seit kurzem im Dienst

    Der nicht vorbestrafte Mann, der ein Transportunternehmen in Dachau betrieb, war wegen der Beschäftigung Scheinselbstständiger und nicht bezahlter Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von rund 44 000 Euro zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt worden. Der 31 Jahre alte Staatsanwalt, der erst vor kurzem den Dienst als Ankläger aufgenommen hatte und zur Staatsanwaltschaft München II gehörte, starb gegen 17 Uhr  - trotz einer Notoperation im Krankenhaus.

    "Während der mündlichen Urteilsverkündung zog der mutmaßliche Täter unvermittelt eine Schusswaffe und gab mehrere Schüsse ab", sagte Polizeivizepräsident Winfried Bischler. Ob der Mann auch auf den Richter geschossen habe, sei noch unklar. Die Waffe, eine französische FN Kaliber 6,35, habe er illegal besessen . Über die Familienverhältnisse des Mannes machten die Ermittler keine Angaben. Er soll am Donnerstag dem Haftrichter vorgeführt werden.

    Zunächst soll der Angeklagte auf den 35-jährigen Richter gezielt haben,  dieser wurde aber nicht getroffen. Danach richtete der Mann seine  Pistole auf den Staatsanwalt und schoss mehrmals. Der aus München  stammende Anklagevertreter wurde den Angaben zufolge drei Mal im  Oberkörper getroffen. Ein Notarzt brachte den Staatsanwalt noch ins  Krankenhaus. Dort erlag er aber während einer Notoperation seinen  schweren Verletzungen.

    Dachau: Auf den Angeklagten ist keine Waffe registriert

    Weitere Menschen seien nicht verletzt worden. Zwei Zeugen, die im Gerichtssaal waren, konnten den Angreifer überwältigen. Dieser wurde noch vor Ort festgenommen, die Staatsanwaltschaft München II  leitete ein Verfahren wegen Mordes ein. Der Beschuldigte soll am Freitag dem Haftrichter vorgeführt werden.

    Tödliche Anschläge bei Gericht

    Die Sicherheitsvorkehrungen in Gerichten können blutige Angriffe nicht immer verhindern. Eine Auswahl spektakulärer Fälle:

    Juli 2009: Während einer Verhandlung am Dresdner Landgericht ersticht der Angeklagte eine als Zeugin geladene Ägypterin. Der Russland-Deutsche tötet die Frau aus Fremdenhass und muss lebenslang in Haft.

    April 2009: Im Landshuter Landgericht erschießt ein Mann seine Schwägerin und nimmt sich danach das Leben. Zwei weitere Menschen werden bei der Schießerei vor einem Sitzungssaal verletzt.

    Mai 1998: Ein 69-Jähriger erschießt aus Rache und Hass auf die Justiz einen 52 Jahre alten Amtsrichter in dessen Dienstzimmer in Essen. Dann tötet er sich selbst.

    Februar 1998: Ein Angeklagter schießt im Gerichtssaal in Aurich (Niedersachsen) einen Staatsanwalt an und erschießt sich selbst.

    März 1997: Ein 39-jähriger Polizist erschießt in einem Amtsgericht in Frankfurt/Main seine Ex-Lebensgefährtin und verletzt deren Anwältin schwer.

    Januar 1995: Ein 54-Jähriger schneidet einer Richterin im Kieler Amtsgericht die Kehle durch. Er hatte irrtümlich angenommen, sie sei für seine Sorgerechtsangelegenheit zuständig.

    März 1994: Im Gericht in Euskirchen (Nordrhein-Westfalen) zündet ein 39-Jähriger einen Sprengsatz, da seine Ex-Freundin ihn wegen Körperverletzung verklagt hatte. Bilanz: sieben Tote, darunter die Frau, der Richter und der Täter selbst.

    März 1981: In Lübeck tötet eine 30 Jahre alte Gastwirtin während einer Verhandlung im Landgericht den mutmaßlichen Mörder ihrer siebenjährigen Tochter.

    Zunächst blieb unklar, woher die Waffe stammte. Nach den Worten  eines Polizeisprechers ist auf den Mann keine Waffe registiert. Die  Pistole konnte dieser ohne Weiteres ins Gericht schmuggeln. Wie ein  Sprecher des bayerischen Justizministeriums sagte, ist der Mann  wahrscheinlich vor der Verhandlung nicht kontrolliert worden.

    Justizministerin Merk, die sich in ihrem Dienstwagen auf dem Weg zu einem Termin befunden haben soll, eilte sofort an den Tatort, um sich selbst ein Bild zu machen. Bereits vor einiger Zeit seien individuelle Sicherheitskonzepte für die bayerischen Gerichte erarbeitet worden. "Aber wir haben alle gewusst damals, wie wir es auch heute wissen, dass keine absolute Sicherheit erreicht werden kann", sagte Merk.

    Aus einem Gericht kann keine Trutzburg gemacht werden

    Aus einem einzelnen Gerichtsgebäude könne keine Trutzburg gemacht werden. "Wir können nicht 99 Gebäude komplett verriegeln. Es ist ja so, dass unsere Richter im Namen des Volkes Recht sprechen." Deshalb gehöre es auch dazu, dass die Verfahren öffentlich zugänglich seien, sagte die Ministerin. In dem speziellen Fall waren zwei Justizwachtmeister anwesend, außerdem wurde der Eingang mit einer Videokamera überwacht.

    Es sei keine neue, aber eine "ganz bittere Erkenntnis", dass viele Staatsdiener ihre Arbeit unter dem Einsatz ihres Leibes und Lebens täten, sagte Merk. Sie wolle den Angehörigen des Staatsanwalts auch im Namen von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) ihr Mitgefühl aussprechen.

    Der Ministeriumssprecher sagte, im Amtsgericht Dachau gebe es anders als in großen bayerischen Gerichten keine wie an Flughäfen übliche Durchleuchtung von Menschen, die das Gebäude betreten. In  dem Gericht, wo sich die Bluttat ereignete, sei eine Kamera  installiert, ein Wachtmeister habe Dienst gehabt. In dem Gebäude  werde nur nach Anordnung im Einzelfall schärfer kontrolliert.

    Gericht: Es ist nicht das erste Mal, dass es in Bayern zu Schüssen kommt

    Es ist nicht das erste Mal, dass es in einem bayerischen Gericht  zu Schüssen kommt. Im Jahr 2009 erschoss in einem Erbstreit ein  Mann seine Schwägerin und nahm sich danach selbst das Leben. Danach  ordnete Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) ein  Sicherheitskonzept an, das zu verbesserten Kontrollen in den  Gerichten führen soll. Wie der Sprecher Merks sagte, wird dieses  Konzept weiterhin nach und nach umgesetzt. Allerdings werde es  zuerst an größeren Gerichten umgesetzt - das kleine Amtsgericht  Dachau sei noch nicht an der Reihe gewesen. AZ, dpa, afp

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