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Coronavirus: Was in der Corona-Zeit hinter verschlossenen Schultüren passiert

Coronavirus

Was in der Corona-Zeit hinter verschlossenen Schultüren passiert

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    Die meisten Klassenzimmer sind gerade leer. In den Direktoraten wird dennoch gearbeitet.
    Die meisten Klassenzimmer sind gerade leer. In den Direktoraten wird dennoch gearbeitet. Foto: Urs Flueeler, dpa

    An den Schulen ist es still. So still vermutlich, dass die Stimme in den Gängen hallt. Überprüfen kann man das als schulfremde Person gerade nicht, denn die Gebäude sind sozusagen Sperrgebiet. Es herrscht Betretungsverbot. Doch was geschieht hinter den Mauern?

    Anruf bei mehreren Schulleitungen. Die meisten heben ab. Bei Fragen verweisen sie ans zuständige Schulamt oder das Kultusministerium. Denn die Schulen müssen zwar selbst eine Lösung dafür finden, dass die Schüler trotz Unterrichtsausfall etwas lernen. Das Kommunizieren aber sollen sie in Krisenzeiten anderen überlassen.

    Die Schulleiter haben auch in Zeiten von Corona viel zu tun

    Die Schulleiter, soviel wird deutlich, haben genug zu tun, auch wenn ihre Häuser geschlossen sind. Manche sind jeden Vormittag da, es gibt viel zu organisieren. Die Homepage auf dem aktuellen Stand halten, Elternbriefe schreiben. "Altlasten aufarbeiten", sagt einer. Und ein paar versprengte Schüler lernen ja doch noch in den Klassenzimmern. Es sind Kinder, deren Eltern systemkritische Berufe haben. Polizisten, medizinisches Personal, Pflegekräfte, Journalisten, Mitarbeiter im Lebensmittelbereich: Sie dürfen ihre Kinder auf Antrag an der Schule betreuen lassen, damit sie nicht selbst zu Hause bleiben müssen. Bis zur 6. Jahrgangsstufe gilt dieses Angebot.

    Bisher nehmen es nur wenige an. In manchen Landkreisen waren es in der ersten Woche nur eine Handvoll Kinder verteilt auf alle Schulen. Im Kreis Augsburg etwa wurden vergangene Woche rund 50 Kinder betreut. Auch hier gilt: Die Schule entscheidet, wie die Betreuung läuft. Regulärer Unterricht kann natürlich nicht stattfinden. Pädagogische und spielerische Inhalte wechseln sich im Idealfall ab.

    Corona verpflichtet Lehrer und Schüler zur Heimarbeit

    Der überwältigende Teil der rund 1,6 Millionen Schüler in Bayern lernt von zu Hause. Wenn nicht gerade eine Besprechung stattfindet oder Kinder beaufsichtigt werden müssen, sind auch die Lehrer zur Heimarbeit verpflichtet – so wie eine Grundschullehrerin aus dem Kreis Donau-Ries. Sie wolle sich in der Krise nicht wichtig machen, sagt sie und erzählt lieber ohne Angabe ihres Namens.

    Tablet und Schulbuch: Der Unterricht funktioniert gerade vor allem digital.
    Tablet und Schulbuch: Der Unterricht funktioniert gerade vor allem digital. Foto: Ulrich Wagner

    Vor der Zwangsschließung haben ihre Schüler in der Klasse eigene Geschichten geschrieben. Zu Hause hat die Lehrerin ein Buch daraus gemacht, es jedem Kind in den Briefkasten geworfen. Gerade sitzt sie daheim am Schreibtisch und erarbeitet Lösungen für die Aufgaben aus dem Wochenplan, den sie vor einer Woche für jedes Fach erstellt hat. "Ich verschicke sie an die Eltern, damit die Kinder – oder auch die Eltern – sie selbst korrigieren können." So einen Plan haben viele, gerade Grundschullehrer, ihren Schülern mitgegeben, mit dem Versprechen, per E-Mail erreichbar zu sein.

    Beim Unterricht via Internet, findet die Lehrerin, "hakt es noch gewaltig". Um solche Dinge nutzen zu können, hätte das vorher mit den Kindern eingeübt werden müssen. "Aber ich hatte an meiner Schule bis vor zwei Wochen noch nicht einmal einen Internetzugang." Solche Klagen liest man öfter, etwa auf Facebook, wo sich mehrere hundert Lehrer in eigenen Gruppen austauschen. Schüler nutzen demnach etwa oft nur das Smartphone für den digitalen Unterricht. Das ist für die Arbeit mit Dateien nicht immer praktisch. Manche hätten gar keinen PC oder würden sich selten zurückmelden. Viele aber sehen die Krise als Chance. Ihre Meinung: Wenn jeder Lehrer sich mit digitalen Mitteln behelfen muss, kann das den Unterricht nach Corona nur bereichern.

    Sozial schwache Schüler fallen zurück

    Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands, hat sich in den vergangenen Tagen viel umgehört, wie Eltern und Lehrer es zusammen hinbekommen. "Die Rückmeldungen sind so unterschiedlich wie die Schülerschaft", sagt sie. Eine Vielzahl der Eltern hat sich gut an die Rolle des "Ersatzlehrers" gewöhnt. Manche aber würden es als "unverschämt" bezeichnen, plötzlich miteinbezogen zu werden.

    Die einstige Schulleiterin Fleischmann ist sicher, dass sich der Unterricht daheim einspielen wird. Und doch hat sie eine große Befürchtung. "Die Bildungsgerechtigkeit wird sich weiter verschlechtern." Mit anderen Worten: Das Gefälle zwischen Kindern mit bildungsaffinen Eltern und Schülern, deren Mütter und Väter kein Interesse zeigen, wächst.

    Schon jetzt hängt in Deutschland die Leistung in der Schule so sehr wie in kaum einem anderen Land von der Familie ab. Kinder aus sozial schwachen Schichten und mit Migrationshintergrund hinken im Schnitt hinterher. "Das wird uns Lehrer noch schwer beschäftigen."

    Sollten die Schulen auch nach dem 20. April geschlossen bleiben, dürften die Auswirkungen bis ins nächste Schuljahr hinein zu spüren sein, sagt Fleischmann. Man müsse überlegen, Unterricht so umzuschichten, dass Schüler "in den Basiskompetenzen" wieder auf den gleichen Stand kämen. Kinder, die in der unterrichtsfreien Zeit abgehängt wurden, müssten dann nochmal extra gefördert werden. "Das haut uns in Zeiten des Lehrermangels aus der Kurve." Mit der Ruhe in den Klassenzimmern ist es dann vorbei.

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