Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat angesichts erster positiver Rückmeldungen nach den Ladenöffnungen vom Montagmorgen weitere Lockerungen für Geschäfte und auch die Gastronomie in Aussicht gestellt. Das Konzept "Erleichterungen gegen Schutz" scheine zu funktionieren, sagte Söder am Montag nach einer CSU-Parteivorstandssitzung in München.
Man werde sich beim Handel "weitere Maßnahmen" überlegen. Bei der Gastronomie nannte er erneut Ende Mai als möglichen Zeitpunkt für Lockerungen. Alle Perspektiven und Zeitachsen hingen aber vom Verlauf des Infektionsgeschehens ab.
Söder berichtete, der sogenannte Reproduktionsfaktor liege in Bayern derzeit bei 0,57 und damit "deutlichst" unter 1. Der tägliche Zuwachs der Neuinfektionen liege derzeit bei um die 1 Prozent, sagte er.
Die CSU-Spitze ging in der Videoschalte deutlich auf Distanz zum nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU). Dieser hatte am Sonntagabend in der ARD beklagt, dass Virologen alle paar Tage ihre Meinung änderten. Das führe zu Verunsicherung. Söder sagte ganz grundsätzlich, ohne Laschet namentlich zu nennen: "Es wäre falsch, nicht auf Virologen zu hören, denn sie haben uns bisher gut beraten."
Söder verteidigte den bisherigen Kurs im Kampf gegen das Coronavirus und mahnte weiterhin zu nur vorsichtigen Lockerungen. Die bisherige Strategie, Inhalt und Zeitpunkt, seien richtig gewesen. Man müsse nun weiterhin langsam, behutsam und vorsichtig agieren - aber mit Perspektiven. Es dürfe bei den Lockerungen keinen Überbietungswettbewerb geben.
Söder kündigt nach Gerichtsentscheid Korrektur von Handel-Auflagen an
Söder kündigte allerdings Korrekturen an, nachdem der Bayerische Verwaltungsgerichtshof am Montag das Verkaufsverbot für große Geschäfte mit mehr als 800 Quadratmetern für verfassungswidrig erklärt hatte. Diese Woche ändere sich aber nichts, sagte der CSU-Chef nach der Videoschalte des CSU-Vorstands. "Wir überlegen uns, das wollten wir ohnehin tun, wie wir mit nächster Woche dann umgehen." Dabei orientiere man sich an der Gerichtsentscheidung. Schon am Abend war aber klar: Große Geschäfte in Bayern können ab sofort wieder öffnen, wenn sie ihre Verkaufsfläche auf 800 Quadratmeter verkleinern.
Die Richter an Bayerns höchstem Verwaltungsgericht sahen 800-Quadratmeter-Verordnung wegen der Ungleichbehandlung mit kleineren Ländern und der Ausnahmen für größere Geschäfte in anderen Branchen als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. Das Gericht setzte die Vorschrift wegen der Pandemie-Notlage "ausnahmsweise" nicht außer Kraft, stellte aber die Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz fest.
Söder sagte, nach widersprüchlichen Entscheidungen von Vorinstanzen gebe es nun Klarheit. Er wertete die Entscheidung aber nicht als Kritik am Kurs der Staatsregierung. "Also im Grunde genommen ist es eher eine Sicherheitsmaßnahme und bestätigt den umsichtigen Kurs gegenüber dem etwas lockereren Kurs des Bundes." Es sei kein Angriff, sondern aus Sicht der Staatsregierung eine Präzisierung. "Und die werden wir dann natürlich entsprechend umsetzen und auch vornehmen."
Söder verwies dabei auf den Hinweis des Gerichts, dass die "Freistellung" für Buchhändler und Fahrradgeschäfte, für die die Begrenzung auf 800 Quadratmeter nicht gilt, "aus infektionsschutzrechtlicher Sicht sachlich nicht gerechtfertigt" sei.
Söder kündigt Corona-Exit-Konzepte für Schule, Kita und Senioren an
Söder kündigte nach der Vorstandssitzung zudem an, Bayern wolle bis zur kommenden Woche eigene Konzepte zur Lockerung der Corona-Beschränkungen für Kindergärten, Schulen und Pflegeheime vorlegen. "Mein und unser Schwerpunkt, meine und unsere Priorität liegt in den nächsten zehn Tage darin, Konzepte zu erarbeiten und bis spätestens nächste Woche zu präsentieren, die vor allem die Situation der Familien wahrnimmt, und zwar alle Generationen", sagte CSU-Chef Markus Söder am Montag. Dazu gehöre für ihn eine klare Konzeption für die Schule, für Kitas und auch eine ganz sensible Entwicklung für Alten- und Pflegeheime.
"Eigentlich sollte das Ziel sein, dass vor Pfingsten jeder Schüler zumindest einmal wieder in der Schule war", sagte der bayerische Ministerpräsident. Es sei nun an der Zeit, bei den Schulen die vielen, klugen Konzepte, die in der Diskussion seien, etwa für einen zeitversetzten Unterricht oder die Reduktion auf die Kernfächer miteinander zu verzahnen. Ziel sei es, "ganz langsam vorsichtig wieder heranführen an den Schulalltag, aber mit allen maximalen Schutzmaßnahmen."
Welche Rolle spielen kleinere Kinder bei der Übertragung des Coronavirus?
Auch bei Kitas gebe es Handlungsbedarf. Es müsse auch vom Robert Koch-Institut eine Einschätzung erteilt werden, welche Rolle die Kleinsten der Übertragung des Virus einnehmen. Sollte sich bestätigen, dass sie "nicht so stark davon betroffen sind", dann seien schnellere Öffnungen denkbar. "Mir ist zum Beispiel wichtig, flexible Konzepte zu entwickeln." Denkbar sei, dass Eltern von zwei Familien gegenseitig die Kinder betreuen.
Söder reagierte damit auf die seit Tagen wachsende Kritik von einigen Bildungsexperten und -Verbänden an bundesweit fehlenden Perspektiven für Familien. Auch Söder hatte es bisher strikt abgelehnt, hier konkretere Zeitkorridore zu benennen. In Bayern sind seit diesem Montag nur die Abschlussklassen wieder zurück im Unterricht. Für alle anderen Schüler, Kindergärten und Kindertagesstätten gibt es trotz anderslautender Forderungen bisher keinerlei bekannte Pläne.
In Alten- und Pflegeheimen habe der Schutz der älteren Generation laut Söder zwar weiter absolute Priorität. "Aber wir werden versuchen, mit einem weiterentwickelten Schutzkonzept Möglichkeiten zu entwickeln, dass beispielsweise gegen die Einsamkeit auch vorgegangen werden kann", sagte er. Denkbar seien einzelne Besuche von einer festen Kontaktperson. (AZ, dpa)
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