Neun Menschen starben bereits. Weitere sieben Bewohner des Würzburger Seniorenheims Ehehaltenhaus/St. Nikolaus liegen zur Behandlung in Kliniken. Bis Sonntag waren 25 weitere Heimbewohner positiv auf Covid-19 getestet worden. Diese Zahlen gab die Stiftung Bürgerspital, zu dem die Einrichtung gehört, auf Anfrage unserer Redaktion bekannt. Die Ausbreitung des Coronavirus trifft demnach auch das Pflegepersonal hart: Mehr als 50 Mitarbeiter seien unter Quarantäne gestellt und getestet worden, bisher 27 von ihnen positiv.
Mit der hohen Zahl an Corona-Toten steht das Altenheim mit seinen insgesamt 160 Bewohnern bundesweit in den Schlagzeilen. Bereits am Freitagabend war der Tod von vier weiteren Bewohnern bekannt geworden. Damit werden dort fast die Hälfte der bisher vom Ministerium bestätigten 21 Corona-Todesfälle in Bayern gezählt.
Neun Tote in einem Würzburger Pflegeheim: Brachte Pfleger das Virus in die Einrichtung?
Wie es zu dem Ausbruch der Krankheit in dem Heim kommen konnte, lässt sich laut Stiftungsdirektorin Annette Noffz nicht mehr nachvollziehen. Auch das Gesundheitsamt konnte die Infektionsquelle nicht ermitteln.
Allerdings sprach Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) im ZDF von Hinweisen, dass das Virus durch einen Pfleger ins Heim getragen worden sein könnte.
Um die Verbreitung des Virus im Heim zu verhindern, wurden nach Bekanntwerden des ersten Falls weitergehende Schutzmaßnahmen ergriffen. Bewohner dürfen ihre Zimmer nicht mehr verlassen, vom Personal dürfen sie nur noch mit Schutzmasken und Schutzkleidung betreten werden. Auch gilt seitdem ein komplettes Besuchsverbot.
Um alle personellen Kapazitäten auf die aktuelle Krisensituation zu konzentrieren, wurden zwei Bereiche – eine Tagespflege und ein Geriatriezentrum – vorübergehend geschlossen. Die Pflegefachkräfte aus diesen Bereichen unterstützen nun ihre Kollegen im Seniorenheim. Man warte zudem dringend auf die Lieferung von weiteren Schutzmasken und Schutzkleidung, heißt es in einer Mitteilung. Auch an Covid-19-Testsets mangelt es.
Würzburger Pflegeheim hat Sanitätspersonal von der Bundeswehr angefordert
Bereits Anfang der Woche sei Sanitätspersonal der Bundeswehr angefordert worden, um die personelle Situation im Haus zu verbessern. „Wir hoffen, dass wir diese notwendige personelle und materielle Unterstützung schnellstmöglich erhalten“, so die Bitte aus dem Bürgerspital. Die Heimleitung steht nach Angaben der Stiftungsdirektorin in sehr engem Kontakt mit dem Gesundheitsamt und stimme sämtliche Schritte und Maßnahmen ab.
Für die Mitarbeiter stelle die Versorgung und Betreuung der Bewohner in dieser Krisensituation eine große Herausforderung und „eine an ihre Leistungsgrenzen gehende Belastung“ dar.
Aus der Würzburger Uniklinik heißt es, der Kampf der Ärzte und des Pflegepersonals gegen die Krankheit sei in einem Pflegeheim noch weitaus schwieriger als in den Kliniken, die rund um die Uhr mit ärztlichem und pflegerischem Fachpersonal für Infektionskrankheiten ausgestattet sind, so Sprecherin Susanne Just. Sollten weitere Heimbewohner in die Klinik verlegt werden müssen, stehe man bereit, so der Ärztliche Direktor des Uniklinikums, Georg Ertl. „Aber Hut ab vor dem Team des Pflegeheimes, das solche Leistungen erbringt, stets selbst auch bedroht von der Infektion, die aber bei Jüngeren meist nicht so schwer verläuft.“
Mit der Verschärfung der staatlichen Vorgaben hat die bayerische Regierung am Freitag generell Besuche in Pflegeheimen, Seniorenresidenzen und Krankenhäusern untersagt. Ausgenommen sind nur Geburts- und Kinderstationen für engste Angehörige sowie Palliativstationen und Hospize, wenn Angehörige im Sterben liegen.
Es fehlen Mundschutz und Schutzkleidung
Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, sprach von einem „Weckruf“ und mahnte: „Höchst bedenklich ist, dass infizierte Bewohner weiter im Pflegeheim bleiben können.“ Bund und Länder müssten jetzt verstärkt die Pflege in den Blick nehmen. „Es ist unverantwortlich, dass der Notfallplan zum Schutz der 80.0000 Pflegebedürftigen und 764.000 Beschäftigten aus dem Jahr 2013 immer noch nicht angepasst wurde“, sagt Brysch.
Der Plan sei damals erstellt worden, um eine Grippewelle abzuwehren. Diese Menschen lebten auf engstem Raum in den 13.700 Pflegeheimen. Sie seien eine Hochrisikogruppe. Die in dem Notfallplan festgelegten Minimalstandards werden laut Brysch seit Wochen nicht mehr eingehalten. „Es fehlen Mundschutz und Schutzkleidung für die Beschäftigten und die infizierten Bewohner. Von den jetzt notwendigen Spezialbrillen kommt gar nichts vor Ort an.“ (mit dpa)
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