Welche Rolle spielen Kinder bei der Übertragung von Corona? Diese Frage ist fast so alt wie die Pandemie selbst. Und weiterhin nicht geklärt. Selbst Experten sind sich uneins. Vor einigen Wochen führte die Frage zu einer hitzigen Auseinandersetzung zwischen Christian Drosten und der Bild-Zeitung.
Forscher aus Bayern wollen das Thema in den nächsten Monaten genauer untersuchen. „COVID Kids Bavaria“ heißt die gemeinsame Langzeitstudie der sechs Universitätskinderkliniken im Freistaat. Die Wissenschaftler wollen von Juli bis Januar die Öffnung von Krippen, Kindergärten und Schulen wissenschaftlich begleiten. An 140 Standorten sollen demnach Kinder, aber auch ihre Eltern und Erzieher jeweils vier Mal über den Zeitraum der Studie getestet werden. Die Standorte orientieren sich an den Wahlkreisen in Bayern, damit soll das gesamte Landesgebiet möglichst gleichmäßig abgebildet werden. Eine Schule pro Wahlkreis. Dazu kommen noch Krippen und Kindergärten. Eine Million Euro wird die Studie kosten, 12.000 Tests sollen durchgeführt und 14.000 Fragebögen ausgefüllt werden.
Neue Studie will Infektionsgeschehen außerhalb des Lockdowns betrachten
Über die Auswirkungen der Krankheit bei Kindern und Jugendlichen sei bisher noch wenig bekannt, sagte Ministerpräsident Markus Söder bei der Vorstellung der Studie in München. „Es ist unsere Aufgabe, das besser zu erforschen.“ Ausdrückliches Lob hatten die Verantwortlichen für eine Studie aus Baden-Württemberg. Im Juni hatte das Universitätsklinikum Ulm Forschungsergebnisse veröffentlicht, wonach Kinder sich seltener mit dem Coronavirus ansteckten als ihre Eltern. Sie seien daher nicht als Treiber der Infektionswelle anzusehen, sagte damals Klaus-Michael Debatin, Ärztlicher Direktor der Kinderklinik am Universitätsklinikum Ulm, zum Ergebnis der Untersuchung.
Dort waren 2500 Kinder und je ein Elternteil ohne Corona-Symptome auf das Virus und Antikörper getestet worden. Das Ergebnis: 64 Personen hatten Antikörper gebildet und weitgehend unbemerkt eine Corona-Infektion durchlaufen. Darunter befanden sich 45 Erwachsene und 19 Kinder. Man kann bei den positiv getesteten Eltern-Kind-Paaren jedoch keine Aussage darüber treffen, wer wen angesteckt hat.
„Der große Nachteil der Beobachtungsstudien, die wir haben, ist der, dass alle unter den Lockdown-Bedingungen gemacht wurden“, sagte Studienleiter Johannes Hübner vom Hauner‘schen Kinderspital am Uniklinikum der Ludwig-Maximilian-Universität in München. Vieles deute darauf hin, dass man das Risiko von Schulöffnungen zwar eingehen könne, so Hübner. „Aber wir dürfen es nicht blind eingehen.“ Die Studie begleitet die Öffnungen und hilft damit, Infektionsherde frühzeitig zu erkennen. Ab September will man in Bayern zum Regelbetrieb an Schulen zurückkehren.
Neue Studie will auch die Psyche der Kinder in den Blick nehmen
Mit der neuen Studie soll die Gesundheit der Kinder außerdem ganzheitlich betrachtet werden. Deshalb wolle man mit validierten Fragebögen die Auswirkungen der Pandemie auf die Psyche untersuchen. „Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Sie haben ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten“, sagte Christoph Klein, ebenfalls Studienleiter von „COVID Kids Bavaria“. Kinder spürten besonders sensibel, wenn ihr Umfeld von einer Bedrohung tangiert werde.
Markus Söder nutzte die Vorstellung der Studie noch, um weiterhin Vorsicht in der Bevölkerung anzumahnen. „Corona ist nicht weg“, sagte er und übte Kritik an Staaten wie den USA, die das Virus ignorierten. Als indirekte Kritik an Bundesländern wie Mecklenburg-Vorpommern könnte man auch Söders Aussage zur Maskenpflicht verstehen: „Die Maske ist keine Glaubensfrage, sondern eine Notwendigkeit.“ Bei den Öffnungen wolle man „keine Experimente“ eingehen, bemüht Söder den alten Adenauer-Slogan. Seine Botschaft: „Wer öffnet, muss testen."
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