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Coronavirus: Kirche: Wo es in der Corona-Krise Hoffnung gibt

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Kirche: Wo es in der Corona-Krise Hoffnung gibt

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    Ostersteine - eine Aktion in der evangelischen Pfarrei Nähermemmingen-Baldingen. Ein Kind hat auf diesen Stein geschrieben: „Gottes Liebe ist so wunderbar“.
    Ostersteine - eine Aktion in der evangelischen Pfarrei Nähermemmingen-Baldingen. Ein Kind hat auf diesen Stein geschrieben: „Gottes Liebe ist so wunderbar“. Foto: S. Burger

    Das wäre jetzt genau der richtige Platz, wenn alles normal wäre. Die Holzbank vor der Salzbergkapelle zwischen Anwalting und Gebenhofen, Landkreis Aichach-Friedberg. Genau der richtige Platz für ein Treffen mit dem katholischen Pfarrer Max Bauer, wie im Spätsommer 2018, wenige Wochen vor der Landtagswahl in Bayern.

    Damals war Bayern ein anderes Land. Eines, in dem Gotteshäuser immer leerer wurden und das Verhältnis zwischen CSU und Teilen der Kirche, auch der evangelischen, mit „angespannt“ noch zurückhaltend beschrieben war. Wegen der Flüchtlingspolitik, wegen des „Kreuz-Erlasses“. Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder und sein Kabinett hatten beschlossen, dass im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes ein Kreuz anzubringen sei. Das Kreuz sei weniger religiöses Symbol, so Söders viel diskutierte Worte, sondern Bekenntnis zur bayerischen Identität.

    Gottesdienstverbot macht dieses Osterfest zu einem denkwürdigen

    Anderthalb Jahre später, im Frühling 2020, erreicht die CSU in einer Umfrage 44,1 Prozent, fast sieben Prozentpunkte mehr als bei der Landtagswahl 2018. Und die Kirchen sind leerer denn je. Aber beides, Umfragewerte wie leere Gotteshäuser, hat mit etwas zu tun, das nun wirklich niemand so vorhersehen konnte: der Verbreitung des neuartigen Coronavirus.

    Markus Söders Umgang mit der Pandemie hat ihn, sogar bundesweit, zum geschätzten Krisenmanager gemacht. Und die leeren Kirchen zeugen nicht von dramatisch gestiegenen Austrittszahlen oder Glaubensschwund. Sie sind eine Folge des Gottesdienstverbotes, das auch das diesjährige Osterfest umfasst und zu einem besonderen werden lässt – zu einem denkwürdigen, traurigen, jedenfalls historischen.

    Die Holzbank vor der Salzbergkapelle wäre genau der richtige Ort gewesen, um darüber zu reden. Das Bauwerk ist ein weithin sichtbares Zeichen dafür, dass jede schlechte Zeit endet. Dass es irgendwann aufwärtsgeht. Im Mai 2015 war ein Tornado über Teile des Landkreises Aichach-Friedberg gefegt und hatte unter anderem die Kapelle verwüstet. Zwei Jahre danach erstrahlte sie dank des Einsatzes ungezählter freiwilliger Helfer in neuem Glanz.

    Theologisch ausgedrückt: Nach dem Leiden und Sterben Jesu folgt seine Auferstehung. Christen feiern sie, normalerweise, in der Osternacht von diesem Samstagabend auf den Sonntag in vollen Gotteshäusern. Es ist ihr höchstes Fest.

    Pfarrer Max Bauer im September 2018 vor der Salzbergkapelle in der Nähe von Affing bei Augsburg.
    Pfarrer Max Bauer im September 2018 vor der Salzbergkapelle in der Nähe von Affing bei Augsburg. Foto: Daniel Biskup

    Pfarrer Max Bauer lässt sich von Gemeindemitgliedern Fotos schicken

    Pfarrer Max Bauer sagt am Telefon, schließlich gelten auch für Geistliche und Journalisten die Ausgangsbeschränkungen: „Der Tornado und Corona sind vergleichbar – mit Blick auf die Solidarität, die zu spüren ist.“ Der 37-Jährige hatte die Idee zu einem Hilfsnetz. 110 Menschen meldeten sich auf die Flugzettel hin, die er verteilte. Die Helfer erledigen jetzt für Ältere Einkäufe, wollen für andere da sein. Der Bürgermeister, die Feuerwehr, die Fußballer – alle beteiligen sich.

    Am vergangenen Sonntag bat Bauer Gemeindemitglieder über WhatsApp, ihm Fotos von ihren Familien und sich selbst zu schicken. Am Montag hatte er 50, am Gründonnerstag schon 140. Er druckte sie aus und brachte sie an den Kirchenbänken von St. Peter und Paul in Affing an, gleich gegenüber seinem Pfarrhaus. Nun ist er nicht mehr so einsam, wenn er Gottesdienst hält. Denn das tut er, in allen Gotteshäusern seiner Pfarreiengemeinschaft. Jeden Tag in einem anderen. Ohne Mesner, die wegen ihres Alters teils zur Hochrisikogruppe gehören, ohne Organisten, ohne Ministranten. Ohne Gläubige.

    Der Zusammenhalt in der Krise ist das eine. Das andere sind die kleinen Begebenheiten und die großen Sorgen, von denen Bauer erfährt. Er telefoniert gerade häufig, das gehört zu seinem etwas anderen Seelsorge-Alltag in Corona-Zeiten. Er ruft diejenigen an, die Geburtstag haben, und diejenigen, die mit dem Virus infiziert sind. Mal für zwei Minuten, mal für eine Viertelstunde. „Es gibt einen unwahrscheinlichen Redebedarf, die Leute wollen mir ihr Herz ausschütten“, sagt Bauer. Sie erzählen ihm, wie schön es gewesen sei, dass die Enkel ein Geburtstagsständchen vorm Gartenzaun gesungen hätten, in sicherer Entfernung; und wie schwierig es sei, in Quarantäne bleiben zu müssen, wie belastend, Angst zu haben um Familienangehörige oder um die Zukunft.

    Pfarrer Bauer erinnert: Auch das erste Osterfest fand in verschlossenen Wohnungen statt

    „Wie geht es weiter?“, fragen sie. Pfarrer Max Bauer weiß es nicht. „Ich weiß aber“, sagt er, der sonst eher leise spricht, mit fester Stimme, „dass Jesus von den Toten auferstanden ist.“ Das gibt ihm Kraft, und er hofft, anderen auch.

    Besonders bedrückend empfindet er Beerdigungen, die noch trauriger seien als sonst. Die wenigen erlaubten Trauernden müssen Abstand halten, kein Weihwasser, kein Erdwurf, keine Umarmung.

    Für die Internetseite seiner Pfarreiengemeinschaft hat Bauer einen Gedanken ausformuliert, der ihn nicht mehr loslässt: „Dieses Jahr ist an Ostern alles anders – so scheint es… Keine öffentlichen Gottesdienste, keine Verwandtschaftsbesuche, statt Frohsinn Furcht und Eingesperrtsein. So sollte kein Ostern sein!“ Doch auch das erste Osterfest habe in verschlossenen Wohnungen stattgefunden – und Jesus, der Auferstandene, sei mitten unter seinen Jüngern gewesen.

    Ostersteine - eine Aktion in der evangelischen Pfarrei Nähermemmingen-Baldingen. Ein Kind hat auf diesen Stein geschrieben: „Von guten Mächten wunderbar geborgen“.
    Ostersteine - eine Aktion in der evangelischen Pfarrei Nähermemmingen-Baldingen. Ein Kind hat auf diesen Stein geschrieben: „Von guten Mächten wunderbar geborgen“. Foto: S. Burger

    Pfarrerin Senta-Victoria Burger freut sich über „Ostersteine“

    Senta-Victoria Burger, 35, ist Pfarrerin der evangelisch-lutherischen Pfarrei Nähermemmingen-Baldingen, die zu Nördlingen im Landkreis Donau-Ries gehört. Wenn sie in diesen Tagen zur Marienkirche Nähermemmingen oder zur St.-Gallus-Kirche Baldingen geht, freut sie sich. Nicht über die Leere dort, natürlich nicht, sondern über die bemalten Steine, die Kinder an die Kirchenmauern oder neben die Wege gelegt haben. Ostersteine, immer wieder neue. Eine Idee der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland, die bundesweit Nachahmer fand.

    Auf der Internetseite ihrer Pfarrei, die erst seit Ende März online ist und bereits zu einem wichtigen Kommunikationsmittel wurde, ist die Aktion unter der Rubrik „Hoffnung trotzt Corona“ beschrieben: „Als die Frauen zum Grab Jesu gehen, um seinen Leichnam zu salben, ist der Stein weggerollt und das Grab leer.“ Der weggerollte Stein werde zum Symbol der Botschaft, dass Gott stärker ist als der Tod. „Aus einem Zeichen der Ohnmacht wird ein Zeichen der Hoffnung.“ Dieses Zeichen solle zu Ostern 2020 durch die Welt wandern – in Form bunt bemalter Steine. Das Zeichen ist nach Nördlingen gewandert.

    „Von guten Mächten wunderbar geborgen“, hat ein Kind auf einen Osterstein geschrieben, ein anderes: „Gottes Liebe ist so wunderbar“.

    Pfarrerin Burger stimmt das zuversichtlich, denn sie macht sich Sorgen. Nicht um sich, um ihre Gemeindemitglieder. Um die Älteren und die Einsamen, die Kranken und die Kinder. Aus Medienberichten weiß sie, dass die Ausgangsbeschränkungen das Problem häuslicher Gewalt verstärken. Sie fragt sich, ob das auch in ihrer Pfarrei so ist. Sie will da sein, wenn jemand ihre Hilfe braucht, oder einfach so. Nähe in Zeiten des „social distancing“. Dafür allerdings hat sie momentan nur ihr Telefon, die Internetseite ihrer Pfarrei, auf die sie Videos einstellt – und Karten, die sie in Briefkästen einwirft. Etwa kürzlich in die ihrer 21 Konfirmationskinder. „Ich denke an dich und wünsche dir, dass du das Beste aus diesen Tagen machst“, hat sie jedem Kind geschrieben. Die Konfirmation ist ausgefallen, wann sie nachgeholt werden kann? Pfarrerin Burger ist ratlos. Aber es werde eine Zeit nach Corona geben, gewiss.

    Pfarrerin Senta-Victoria Burger aus dem Kreis Donau-Ries.
    Pfarrerin Senta-Victoria Burger aus dem Kreis Donau-Ries. Foto: S. Burger

    Beide haben festgestellt: Die Menschen sind froh, dass es die Kirche gibt

    Max Bauer, der katholische Pfarrer aus Affing, sagt: „Ich freue mich darauf, wenn man sich endlich wieder die Hände geben kann. Und ich freue mich auf eine volle Kirche.“ In der Osternacht an diesem Samstag wird er nicht alleine sein. Er hat ja die ausgedruckten Fotos seiner Gemeindemitglieder. Sowie ausnahmsweise und in gebührendem Abstand zwei Erwachsene als Ministranten, zudem Mesner und Lektor an seiner Seite. Senta-Victoria Burger, die evangelische Pfarrerin aus dem Donau-Ries, hat eine Osterkarte gestaltet. Zum Ostersonntag sollen sie die 1450 Gläubigen ihrer Pfarrei in den Briefkästen haben.Darauf die Osterkerze aus der St.-Gallus-Kirche, darin die Zeilen: „Gott leuchtet uns in den schweren Zeiten. Sein Geist macht uns auch in lähmenden Zeiten lebendig. So werden wir voll Zuversicht aus dieser Krise auferstehen.“

    Beide, Burger und Bauer, teilen eine Erfahrung: Kirche sei den Menschen in diesen Zeiten wichtig. Die Menschen, Kirchenferne inbegriffen, seien froh, dass es die Kirche gebe. Pfarrerin Burger sieht das zum Beispiel daran, dass in ihren Gotteshäusern Kerzen angezündet werden, jeden Tag mehrere. Sie lässt ihre Gotteshäuser, die normalerweise nur sonntags geöffnet sind, gerade täglich offen und überlegt, das künftig beizubehalten. Auch die Salzbergkapelle habe derzeit täglich geöffnet, sagt Pfarrer Bauer. „Die Leute schöpfen hier Kraft.“

    Über Markus Söders Kreuz-Erlass redet im Corona-Frühling 2020 niemand mehr. Der Ministerpräsident ist beliebter denn je. Er hat Gläubige zum Beten aufgerufen. Dass es Deutschland nicht zu hart treffen möge.

    Über alle Entwicklungen informieren wir Sie auch immer in unserem Live-Blog.

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