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Coronavirus: Bayerische Studie: Ist Corona an Kitas häufiger als gedacht?

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Bayerische Studie: Ist Corona an Kitas häufiger als gedacht?

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    Kinder sind im Winter oft erkältet – aber wie häufig erkranken sie eben nicht nur an einem gewöhnlichen Schnupfenvirus, sondern an Corona?
    Kinder sind im Winter oft erkältet – aber wie häufig erkranken sie eben nicht nur an einem gewöhnlichen Schnupfenvirus, sondern an Corona? Foto: Nicolas Armer, dpa

    Es gibt in dieser Pandemie, die unser Leben seit Monaten völlig auf den Kopf stellt, so viele Fragen – und nach wie vor so wenige befriedigende, eindeutige Antworten. Angesichts der Debatten über Kontaktbeschränkungen für Kinder, über vorgezogene Weihnachtsferien und über drohende Kita- oder Schulschließungen drängen sich derzeit vor allem diese drei ganz elementaren Fragen auf: Welche Rolle spielen Kinder denn nun wirklich bei der Verbreitung des Coronavirus? Erhöhen Kitas und Schulen die Gefahr einer unkontrollierten SARS-CoV-2-Ausbreitung? Und welchen Einfluss hat die Pandemie eigentlich auf die psychische Gesundheit der Kinder? Darauf wollen die Wissenschaftler der sechs bayerischen Universitätskliniken nun Antworten finden. Mit der Studie „Covid Kids Bavaria“.

    „Wir wollen aus den Ergebnissen unter anderem ableiten, ob Sars-CoV-2-Infektionen doch häufiger an Schulen und Kindergärten auftauchen als wir das bisher ahnen“, erklärt Studienleiter Prof. Dr. Christoph Klein, Direktor des von Haunerschen Kinderspitals der Ludwig-Maximilians-Universität München. Die Testungen werden über mehrere Monate an rund 150 zufällig ausgewählten Kindergärten und Grundschulen im ganzen Freistaat durchgeführt. Im Oktober fanden die ersten Untersuchungen statt, nun läuft die zweite Erhebungswelle an, Anfang des kommenden Jahres wird es eine dritte geben. Finale Ergebnisse sollen im Frühjahr vorliegen.

    Klein zufolge geben die Daten einerseits Aufschlüsse über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Kindergesundheit, andererseits auf das Infektionsgeschehen in Schulen und Kindergärten. Sie könnten in die Abwägungen bei politischen Entscheidungen Eingang finden, etwa wenn es um die Frage geht, ob Kindergärten und Schulen vorübergehend geschlossen werden sollen. „Es ist wichtig, dass solche Entscheidungen auf einer Faktengrundlage getroffen werden. Am Anfang der Pandemie war das noch nicht möglich“, sagt Klein im Gespräch mit unserer Redaktion.

    Studienleiter: Kleine Kinder sind wohl keine großen Treiber der Pandemie

    Mittlerweile gibt es weltweit mehrere Erhebungen, die sich mit der Frage beschäftigen, welche Rolle Kinder bei der Verbreitung des Coronavirus spielen – teils mit Ergebnissen, die die Bevölkerung ein Stück weit ratlos zurücklassen. Erst am Montag wurden neue Erkenntnisse einer deutschlandweiten Datenerhebung an mehr als 100 Kinderkliniken vorgestellt. Bis Mitte November wurden rund 116.000 Kinder und Jugendliche in den Krankenhäusern teils routinemäßig auf Corona getestet, bei 0,53 Prozent war das Ergebnis positiv. Nur acht von mehr als 600 infizierten Kindern und Jugendlichen hätten sich in der Schule angesteckt, hieß es.

    Allerdings gibt es auch Studien, die nahelegen, dass das Virus unter Schülern doch weiter verbreitet ist als angenommen: Eine Antikörper-Studie des Münchner Helmholtz-Zentrums hatte vor Kurzem ergeben, dass in Bayern zwischen April und Juli sechsmal mehr Kinder infiziert waren als offiziell gemeldet. Die Zahlen bewegen sich dennoch auf niedrigem Niveau: im Schnitt wiesen 0,87 Prozent der Kinder Antikörper auf.

    Professor Christoph Klein, Direktor des Dr. von Haunerschen Kinderspitals in München.
    Professor Christoph Klein, Direktor des Dr. von Haunerschen Kinderspitals in München. Foto: Ursula Düren/dpa

    Dass es inzwischen so viele Untersuchungen gibt, sei nötig, sagt Studienleiter Klein. Nicht jede Erhebung entspreche den wissenschaftlichen Kriterien, nicht immer sei die Datenlage so, dass man daraus auch etwas ableiten könne. „Die bisherige Datenlage gibt keine Hinweise dafür, dass kleine Kinder große Treiber der Pandemie sind“, fährt er fort. Doch man müsse auch bedenken, dass epidemiologische Daten nur indirekte Hinweise geben. „Ein wissenschaftliches Experiment, in dem die Ansteckungsrate unter kontrollierten Bedingungen überprüft wird, ist aus ethischen Gründen völlig undenkbar“ sagt Klein. „Daher sind wir auf indirekte Daten angewiesen“.

    Mutter wird vorgeworfen, ihr Kind für "abartige Experimente" herzugeben

    Daten für die Wissenschaft liefern – das ist auch einer jungen Mutter aus dem Landkreis Augsburg wichtig, die mit ihrem Sohn an der bayerischen Studie teilnimmt. Ihren Namen will sie lieber nicht in der Zeitung lesen. Auch deshalb, weil sie in einem Eltern-Forum im Internet von anderen Müttern extrem angefeindet wurde. „Ich wurde tatsächlich gefragt, wie ich mein Kind für solche abscheulichen Experimente hergeben kann“, erzählt die 38-Jährige. „Solche Vorwürfe sind absolut lächerlich.“

    Sie habe ihrem dreijährigen Kind im Vorfeld genau erklärt, was bei dem Test passiert. „Mit war es auch wichtig, dass ich dabei bin. Während der Arzt den Rachenabstrich gemacht hat, saß mein Sohn auf meinem Schoß“, erzählt sie weiter. So einen Abstrich, der schließlich nur wenige Sekunden dauere, könne man einem Kind schon zumuten, meint die Mutter des Kindes. „Es gibt viele Dinge, die deutlich unangenehmer sind. Spritzen im Rahmen von Impfungen zum Beispiel.“

    Mit einem Wattestäbchen wir bei den Kindern ein Rachenabstrich gemacht.
    Mit einem Wattestäbchen wir bei den Kindern ein Rachenabstrich gemacht. Foto: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa/Symbolbild

    Nach dem Test musste sie einen Fragebogen ausfüllen. Denn die Forscher wollen nicht nur herausfinden, wie viele Kinder infiziert sind, sondern auch, was die Pandemie mit ihnen macht – körperlich und psychisch. „Es wurde unter anderem gefragt, ob das Kind Bauchweh hatte oder ob es öfter niedergeschlagen war“, sagt die 38-Jährige.

    Oberbürgermeister will nicht, dass städtische Kindertageseinrichtungen an der Studie teilnehmen

    Im bayerischen Wissenschaftsministerium misst man der Untersuchung große Bedeutung bei. Im Sommer, als die Pläne auf einer Pressekonferenz erstmals vorgestellt wurden, hatte Wissenschaftsminister Bernd Sibler gesagt: „Ich erhoffe mir von dieser neuen, flächendeckenden Studie ein weiteres, großes Puzzlestück im Covid19-Bild, an dem unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler permanent arbeiten – zum Wohl unserer Gesellschaft.“ Nur: Nicht alle wollen ein Teil dieses Puzzles sein. Mancherorts stoßen die Wissenschaftler auch auf große Vorbehalte.

    Etwa im oberfränkischen Forchheim. Oberbürgermeister Uwe Kirschstein hat sich Anfang Oktober entschlossen, dass keine städtische Kindertageseinrichtung an der Untersuchung teilnimmt. Auf seiner Internetseite erklärt er seine umstrittene Entscheidung so: „Bei anlasslosen Testungen von symptomfreien Kindern, wie in dieser Studie geplant, führt ein positives Testergebnis zwangsweise zu einer Quarantäne der Kinder/Familien bzw. zu (Teil-)Schließung unserer Betreuungseinrichtung. (...) Dies kann also unweigerlich zu teils erheblichen Einschränkungen für alle Kinder/Eltern dieser Einrichtung führen.“

    Die Reaktionen im Internet sind geteilt. Die einen unterstützen Kirschstein in seiner Argumentation und meinen, dass man nicht noch mehr testen müsse, schließlich würden dann die Zahlen weiter steigen. Andere indes, unter ihnen auch ein Forchheimer Arzt, können es nicht fassen, dass der Oberbürgermeister der Stadt nicht an der Studie teilnehmen will, um etwaige Maßnahmen wie Schulschließungen zu verhindern – und so riskiert, dass symptomlose Infektionen nicht erkannt werden.

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