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Corona: Überteuerte Masken bringen Bayerns Gesundheitsministerium in Erklärungsnot

Corona

Überteuerte Masken bringen Bayerns Gesundheitsministerium in Erklärungsnot

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    Zwei Schweizer Jungmillionäre haben 2020 offenbar auch den Freistaat Bayern bei der Bestellung von Masken abgezockt.
    Zwei Schweizer Jungmillionäre haben 2020 offenbar auch den Freistaat Bayern bei der Bestellung von Masken abgezockt. Foto: Alexander Kaya (Symbolbild)

    Wenn sich der Staat in seiner Corona-Not von dreisten Geschäftemachern über den Tisch und viele Millionen Euro aus der Tasche ziehen lässt, dann sollte man fragen, wie das genau hergegangen ist. So dachte es sich zumindest der Münchner SPD-Landtagsabgeordnete Florian von Brunn, als er erfuhr, dass im März vergangenen Jahres nicht nur das Schweizer Militär und die deutsche Bundesregierung bei der Beschaffung von Schutzmasken und -anzügen heftig draufgezahlt hatten, sondern auch der Freistaat Bayern. Die Antworten, die er bekam, aber stellen ihn nicht zufrieden. Im Gegenteil.

    In der Schweiz gilt die Geschichte längst als Skandal, der vielleicht sogar strafrechtliche Konsequenzen hat. Die Kapitel, die Deutschland und Bayern betreffen, hat das Nachrichtenmagazin Der Spiegel recherchiert.

    Die Schweizer sollen Schutzmasken überteuert weiterverkauft haben

    Es ist eine Geschichte vom schnellen Geld: Zwei offenbar sehr spekulationsfreudige Schweizer Jungmillionäre hatten sich mit ihrer Firma Emix Trading rechtzeitig mit Schutzmasken eingedeckt und im März 2020, als der Markt wegen der heraufziehenden Corona-Pandemie plötzlich leer gefegt war, angeblich für das Zehn- bis Zwanzigfache weiterverkauft. Sie werden dort deswegen als "Masken-Kids" bespöttelt und als "Abzocker" beschimpft. 20 Millionen Franken soll die Schweizer Armee gezahlt haben, 350 Millionen Euro die Bundesregierung, 15,2 Millionen Euro der Freistaat Bayern und 5,2 Millionen Euro das Land Nordrhein-Westfalen.

    Von Brunn wurde aber nicht nur wegen des offenbar weit überhöhten Preises hellhörig, sondern auch, weil eine Spur des fragwürdigen Geschäfts direkt ins bayerische Gesundheitsministerium beziehungsweise in die CSU führte. Nach Recherchen der Spiegel-Reporter nämlich soll die damalige bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) Kontakt zu einer Schlüsselfigur der Emix-Maskengeschäfte in Deutschland gehabt haben: Andrea Tandler, Tochter des einst hochrangigen CSU-Politikers Gerold Tandler und Inhaberin einer Werbeagentur in München. Tandler soll als Vermittlerin aufgetreten sein und Huml soll ihren Kollegen in Nordrhein-Westfalen, Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), auf Tandler und ihre Schweizer Bezugsquelle für die heiß begehrten Masken aufmerksam gemacht haben. Tandler äußerte sich bisher nicht.

    Gesundheitsministerium verteidigt den Kauf der Schutzmasken

    Recht viel mehr, als offiziell bei der Staatsregierung anzufragen, kann ein Abgeordneter in so einer Situation nicht tun. Also fragte von Brunn, welche Mitglieder der Staatsregierung über die Geschäfte "informiert beziehungsweise darin involviert waren", welche Preise der Freistaat Bayern bezahlt hat und "zu welchem niedrigsten Preis vergleichbare Artikel vom Freistaat Bayern im gleichen Zeitraum beschafft wurden." Die Antwort gefiel ihm nicht.

    Melanie Huml (CSU), musste im Januar als Gesundheitsministerin des Landes gehen.
    Melanie Huml (CSU), musste im Januar als Gesundheitsministerin des Landes gehen. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Das Gesundheitsministerium schwieg sich über die Beteiligung von Mitgliedern der Staatsregierung aus, verteidigte aber den Kauf. Die Beschaffung der Materialien sei bei der damaligen Marktlage "nur unter Einsatz erheblicher finanzieller Mittel und hoher personeller Ressourcen" möglich gewesen. Die Atemschutzmasken (Typ FFP2/KN95) seien zum Stückpreis von 8,90 Euro, die Schutzanzüge zum Stückpreis von 18,90 Euro beschafft worden. Außerdem erklärte das Ministerium: "Im gleichen Zeitraum wurden – bedingt durch die weltweit dramatisch gestiegene Nachfrage und des knappen verfügbaren Angebots – keine vergleichbaren Artikel beschafft."

    Dass das Ministerium keine Namen nannte, war aus Sicht des SPD-Abgeordneten zwar ärgerlich, aber für die Aufklärung des Vorgangs nicht weiter tragisch. Melanie Huml hatte auf Anfrage von Journalisten mittlerweile erklärt, dass sie nicht direkt involviert war. Huml bekräftigte das auch gegenüber unserer Redaktion: "Das ist alles auf Fachebene gelaufen und geprüft worden. Ich hatte diesbezüglich keinen Kontakt mit Frau Tandler."

    SPD-Abgeordneter Florian von Brunn spricht vom "Täuschen und Tricksen"

    Der Rest der Antwort aber erzürnt von Brunn. Die Behauptung, dass im gleichen Zeitraum keine vergleichbaren Artikel beschafft wurden, sei eine "Täuschung" und entspreche nicht der Wahrheit. Die Geschäfte des Freistaats nämlich sind nach Recherchen des SPD-Abgeordneten bei der Europäischen Union schwarz auf weiß dokumentiert. Von Brunn: "Im März wurden nachweislich laut der EU-Beschaffungsdatenbank TED nicht nur fast vier Millionen FFP2-Masken von anderen Lieferanten eingekauft, sondern mindestens 200.000 zum Preis von knapp drei Euro – also für nur ein Drittel des Tandler-Wucherpreises!"

    Und das, so sagt er, sei noch nicht alles. Schweizer Behörden gingen obendrein davon aus, dass die Masken nicht FFP2- oder KN95-zertifiziert gewesen seien. Auch das widerspräche der Antwort des Gesundheitsministeriums. Von Brunn wählt harte Worte: "Dieses Täuschen und Tricksen deutet für mich ganz stark darauf hin, dass die Staatsregierung etwas zu vertuschen hat." Er will sich nun in einem "unmittelbaren Auskunftsverlangen" an Bayerns neuen Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) wenden und wissen, wie die Masken auf ihre Schutzwirkung überprüft wurden und wer sie erhalten hat.

    Holetschek erfuhr von der ganzen Sache erst durch Nachfrage unserer Redaktion. "Ich kannte den Vorgang bisher nicht. Das war alles vor meiner Zeit", sagt er, versichert aber zugleich: "Wir werden alles dafür tun, dass Herr von Brunn die Antworten auf seine Fragen bekommt."

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