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Foto: Sebastian Gollnow, dpa
Foto: Sebastian Gollnow, dpa

Ein negativer Antigen-Schnell- und Selbsttest schließt eine Infektion mit dem Coronavirus nicht aus.

Corona-Schnelltest
23.04.2021

Trügerische Sicherheit: Wie groß ist der Nutzen der Schnelltests?

Von Stephanie Sartor

Antigentests sollen zeigen, ob man gerade ansteckend ist. Doch die Tests sind nicht an allen Tagen aussagekräftig. Helfen sie trotzdem?

Die weißen Wattestäbchen sollen ein bisschen Normalität zurückbringen. Durch massenhaftes Testen sind etwa trotz hoher Infektionszahlen die Schulen zum Teil geöffnet, es gibt mit einem negativen Ergebnis bis zu einer bestimmten Inzidenz Terminshopping und nicht wenige Menschen machen schnell selbst einen Nasenabstrich, um danach die Großeltern zu besuchen. Denn die Annahme ist ja gemeinhin die: Fällt ein Schnell- oder Selbsttest negativ aus, ist man zumindest an diesem Tag nicht ansteckend. Doch ganz so einfach ist die Sache nicht. Die Sicherheit, in der sich viele Menschen wiegen, ist trügerisch.

Christian Drosten, Deutschlands berühmtester Virologe, sagte eben erst im NDR-Podcast: „Die Schnelltests schlagen erst am Tag eins nach Symptom-Beginn an, da ist man aber schon drei Tage lang infektiös.“ Wenn man davon ausgehe, dass eine infizierte Person in der Regel acht Tage lang ansteckend sei, dann bedeute das: „An fünf von acht Tagen entdecke ich mit dem Antigentest eine Infektion, an drei Tagen werde ich sie übersehen.“

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Es gibt eine diagnostische Lücke für Schnelltests in der frühen Phase der Infektion

Das wirft Fragen auf. Vor allem: Was bedeutet das für die bayerische Teststrategie? Für künftige Öffnungsschritte? Für die Sicherheit an Schulen? Kurzum: Wie viel bringen die Tests überhaupt?

Auch Professor Dr. Clemens Wendtner hat sich mit der Zuverlässigkeit der Selbst- und Schnelltests – allesamt Antigentests – beschäftigt. Der Chefarzt an der München Klinik Schwabing, der im vergangenen Jahr die ersten deutschen Corona-Patienten behandelt hat, sagt im Gespräch mit unserer Redaktion: „Es ist in der Tat so, dass wir eine diagnostische Lücke in der frühen Phase der Infektion haben.“ Wenn ein Patient Symptome habe, dann sei die Spezifität hervorragend. „Da sieht man dann recht schnell, ob sich hinter den Beschwerden Covid-19 oder nur ein banaler Schnupfen verbirgt“, erklärt Wendtner. „Aber es gibt eben auch einen Schwarzbereich, in dem der Test nicht anschlägt.“ Trotz dieser Schwächen macht der Infektiologe deutlich: „Es ist immer noch besser, als keine Tests zu machen. Aber wir dürfen uns eben nicht in einer falschen Sicherheit wiegen.“

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Foto: München Klinik, dpa
Foto: München Klinik, dpa

Professor Clemens Wendtner, Chefarzt der Klinik für Infektiologie in der München Klinik Schwabing, hat im vergangenen Jahr die ersten deutschen Corona-Patienten behandelt.

Den Einsatz der Tests an den Schulen befürwortet der Mediziner – vor allem, weil sie dort verpflichtend zwei Mal pro Woche stattfinden. Und spätestens beim zweiten Test würde ein infiziertes Kind auffallen. „Ich persönlich hätte auch eine Testpflicht in den Betrieben für gut befunden und es begrüßt, wenn es dort auch ein stringentes Testen gäbe“, fährt er fort.

Bislang sind die Unternehmen lediglich dazu verpflichtet, den Mitarbeitern ein Test-Angebot zu machen – ob das dann wahrgenommen wird, bleibt jedem selbst überlassen. Und das sei bedauerlich, sagt Wendtner. „Denn ich glaube, dass insbesondere Großraumbüros und auch das produzierende Gewerbe mit Fließbandstraßen durchaus eine Brutstätte für das Virus sein könnten.“

Corona-Experte: Von Öffnungen sind wir meilenweit entfernt

Die Antigentests spielen nicht nur in den Schulen und Firmen eine große Rolle, sondern auch dann, wenn es um geplante Öffnungen geht, etwa von Restaurants, Kinos, Theatern. Doch von derlei sei man derzeit noch meilenweit entfernt, sagt Wendtner. „Vielleicht kann man da nun konkrete Rahmenbedingungen und Teststrategien klar definieren und sich dann die Öffnungen betreffend voraussichtlich im Juni mal vorsichtig herantasten.“ Derzeit seien die Infektionszahlen zu hoch, meint Wendtner. „Im Moment halte ich das bei steigenden Zahlen für Neuinfektionen und hohen Inzidenzzahlen in der dritten Corona-Welle für eine absurde und obsolete Diskussion.“

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Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger sieht das indes ein wenig anders. Man müsse „öffnen mit testen“, sagte er unlängst im BR. „Doch plötzlich heißt es jetzt, die Tests seien nicht sicher“, fuhr der Minister fort. „Zur Not müssen wir eben PCR-Schnelltests machen, wenn die chinesischen Schnelltests nicht sicher genug seien. Wir brauchen jetzt eine Perspektive, öffnen zu wollen und nicht jeden Tag eine andere Ausrede, warum man noch länger geschlossen hat.“

Antigentests haben eine geringere Sensitivität als PCR-Tests

Dass Antigentests Schwächen haben, räumt auch das bayerische Gesundheitsministerium ein – sie seien aber dennoch ein wichtiger Pfeiler der Teststrategie. Denn trotz der geringeren Sensitivität im Vergleich zu PCR-Tests „stellen Antigen-Schnelltests bei Erfüllung definierter Anforderungen eine sinnvolle Ergänzung der Testkapazitäten dar“, teilt eine Sprecherin des Ministeriums mit. Das sei insbesondere dort der Fall, wo schnell und vor Ort eine erste Entscheidung über das mögliche Vorliegen einer übertragungsrelevanten Infektion getroffen werden soll. „So können zum Beispiel Personen mit einer hohen Viruslast ,herausgefiltert’ und Infektionsketten aufgespürt und durchbrochen werden.“

Unterschiede zwischen PCR- und Schnelltest

PCR-Test: Etwa 48 Stunden dauert es, bis das Ergebnis eines PCR-Tests vorliegt. PCR steht für Polymerase-Kettenreaktion. Genauso wie beim Schnelltest ist eine Probe aus dem Rachenraum nötig. Allerdings wird diese durch den Mund genommen. Anschließend wird die Probe in ein Labor geschickt und ausgewertet.

Unterschiede zwischen PCR- und Schnelltest

Schnelltest: Bei einem Schnelltest wird zuerst durch die Nase eine Probe aus dem Rachenraum genommen. Noch vor Ort wird diese mit einer Flüssigkeit auf einen Teststreifen gegeben. In dem Streifen ist ein Stoff enthalten, der auf die Eiweiß-Struktur des Corona-Virus reagiert. Ist das Virus in der Probe vorhanden, verfärbt sich der Streifen. Das Ergebnis liegt bei diesem Test nach etwa 20 Minuten vor.

Auch die Ministeriumssprecherin macht deutlich: „Zu beachten ist, dass es sich bei den Testergebnissen jeweils nur um Momentaufnahmen handelt und ein negatives Schnelltestergebnis eine Infektion mit SARS-CoV-2 nicht sicher ausschließen kann.“ Die Einhaltung von Hygiene- und Abstandsregeln bleibe unverzichtbar.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Auch für Arbeitnehmer: Die Testpflicht muss kommen

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