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Corona-Pandemie: Hausärzte dürfen ohne Priorisierung impfen: Geht es jetzt schneller voran?

Corona-Pandemie

Hausärzte dürfen ohne Priorisierung impfen: Geht es jetzt schneller voran?

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    Hausärzte müssen sich künftig nicht mehr an die Impf-Reihenfolge halten. Der Impfstoff wird aber weiterhin knapp sein.
    Hausärzte müssen sich künftig nicht mehr an die Impf-Reihenfolge halten. Der Impfstoff wird aber weiterhin knapp sein. Foto: Wolfgang Kumm, dpa (Symbolbild)

    Bayern will die Priorisierung für alle Corona-Impfstoffe bei Hausärzten aufheben. Damit soll die festgelegte Impf-Reihenfolge, nach der sich Menschen in Arztpraxen impfen lassen können, entfallen. Dies werde "im Laufe der nächsten Woche" passieren, sagte Ministerpräsident Markus Söder am Mittwoch nach einer CSU-Fraktionsklausur. Endlich Impftermine für alle also? Kann ich jetzt auch ohne Priorisierung mit einem schnelleren Impftermin rechnen? Und bleiben da nicht die Risikogruppen auf der Strecke? Wir haben von Experten Antworten auf die wichtigsten Fragen eingeholt.

    Was soll sich ab kommender Woche ändern?

    Bislang war die Impf-Priorisierung allein für die Impfstoffe von AstraZeneca und Johnson & Johnson aufgehoben worden. Ab kommender Woche soll dies bei Hausärzten generell gelten, also für alle in Deutschland zugelassenen Impfstoffe. Dann kann rein formal jeder auch mit den Wirkstoffen von Moderna und Biontech geimpft werden. "Die Ärzte kennen ihre Patienten und können am besten einschätzen, wer die Corona-Schutzimpfung am dringendsten braucht", sagte Gesundheitsminister Klaus Holetschek am Mittwoch. In den Impfzentren bleibt es vorerst bei der Priorisierung.

    Bleiben jetzt die bislang nicht geimpften Risikogruppen auf der Strecke?

    Einer raschen Aufhebung der Impf-Priorisierung generell skeptisch gegenüber steht die Deutsche Gesellschaft für Immunologie. "Wenn wir jetzt zu schnell freigeben, schützen wir nicht gut und früh genug die Menschen, die den Schutz am nötigsten haben", sagte ihr Generalsekretär, der Immunologe Carsten Watzl, unserer Redaktion kurz vor der Bekanntwerden von Söders Plänen. "Wir haben noch sehr viele Menschen in der Prioritätsgruppe drei, die noch nicht geimpft sind", betonte Watzl. Darunter seien viele Menschen mit Vorerkrankungen. "Diese Risikogruppen und Menschen im Alter zwischen 60 und 70 Jahren haben schon sehr lange gewartet, bis sie endlich drankommen."

    "Gut", findet die Entscheidung hingegen Gregor Blumtritt. Er ist Leiter der Impfzentren in Marktoberdorf und Kaufbeuren sowie selbst Hausarzt. Durch die Hinzunahme vieler Berufsgruppen und zweifelhaft nachweisbarer Kontaktpersonen sei die "Priorisierung ohnehin schon sehr, sehr löchrig geworden", sagt er. Blumtritt meint: In der Praxis konkurriere etwa ein 60-jähriger Asthmatiker bereits jetzt mit einer jungen Mediengestalterin ohne Vorerkrankungen um eine Impfung.

    Geht es mit den Impfungen jetzt schneller voran?

    Die einhellige Meinung der Experten: Schneller geht's auch mit Freigabe der Impf-Reihenfolge nicht. Denn nicht Bürokratie sei der Grund, warum es langsam voran gehe, sondern immer noch die Knappheit an Impfstoff. "Wir haben dadurch keine einzige Dose mehr an Impfstoff zu Verfügung", sagt auch Gesundheitsminister Klaus Holetschek.

    Bei den Erstimpfungen könnte es ohnehin bald etwas langsamer vorangehen, befürchtet Jakob Berger, der schwäbische Bezirksvorsitzende im Bayerischen Hausärzteverband. Denn in spätestens zwei Wochen stünden zunehmend mehr Zweitimpfungen an, bedingt durch das schnellere Impftempo seit Anfang April. Hierfür würden die gelieferten Impfdosen vorrangig verwendet.

    In welcher Reihenfolge wollen die Hausärzte jetzt Impftermine vergeben?

    Wenn alle berechtigt sind, der Impfstoff aber weiter knapp ist, braucht es Kriterien, nach denen die Hausärzte die Impftermine in den kommenden Wochen vergeben. "Wir kennen unsere Patienten", sagt Gregor Blumtritt dazu. Man schaue daher weiterhin in den Wartelisten, wer eine Impfung am dringendsten benötige.

    Ich war nicht priorisiert, wann kann ich jetzt mit einem Impftermin rechnen?

    Solch eine Angabe will keiner der Experten machen. Klar ist: Rein logistisch wird es noch einige Wochen dauern, bis jeder ein erstes Impfangebot erhalten haben wird. Klar ist auch: Auf den Wartelisten der Praxen stehen noch immer viele Menschen mit Vorerkrankungen oder Menschen, die wegen ihres Alters einer Risikogruppe angehören. Faktisch dürften diese Patienten von den meisten Hausärzten weiterhin vorrangig geimpft werden. Allerdings ist dies von Praxis zu Praxis stark unterschiedlich. Zudem könne man nicht sagen, wann wie viel Impfstoff komme, erklärt Gregor Blumtritt. Daher könne man schwer einschätzen, wann Menschen ohne jegliche Risikofaktoren realistisch mit einem Angebot rechnen können.

    Viele Hausarztpraxen wollen ohnehin weiter nach persönlichem Risiko priorisieren. "Wir haben auch eine ethische Verpflichtung", sagt Jakob Berger. "Geplante Reisen sind dabei kein Kriterium." Nach den Über-60-Jährigen gehe es zumindest in seiner Praxis mit den Über-50-Jährigen weiter, so Berger. Viele von ihnen litten unter Volkskrankheiten wie Bluthochdruck oder Übergewicht, was nicht immer in der Priorisierung berücksichtigt werde. Junge Menschen ohne Risikofaktoren könnten damit noch einige Wochen warten müssen.

    Was ändert sich für die Arbeit der Hausärzte?

    Meist weiter eine Priorisierung nach Dringlichkeit, weiterhin zu wenig Impfstoff für alle: Was ändert sich also überhaupt? Auch wenn es nicht schneller voran gehe, den Hausärzten wird mit dem Ende der Impf-Priorisierung eine Last genommen, sagt Blumtritt. Man werde keine Sorge mehr haben, ein Gesetz zu brechen, wenn man sich in der Priorisierung vertue, erläutert Blumtritt. Denn bislang sei die Impfverordnung verbindlich vorgeschrieben.

    Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hingegen erwartet weitere Spannungen. Solange es nicht genügend Impfstoff gebe, setze die Politik mit einer solchen Entscheidung einen "Spaltpilz" in die Gesellschaft, sagte Vorstand Eugen Brysch der Deutschen Presse-Agentur. Das werde die Aggressionen nicht nur zwischen Arzt und Patient, sondern auch Konflikte zwischen den Generationen steigern, prophezeite Brysch. "Aber damit hat dann ein Minister oder eine Ministerin nichts mehr zu tun." Die Politiker seien weit weg von den Arztpraxen.

    Ähnliches befürchtet Jakob Berger. Man habe sich der Anrufe bereits vor der neuen Ankündigung Söders kaum erwehren können. Die meisten wollten so schnell wie möglich geimpft werden. Viel ändern wolle er an seiner Impf-Praxis nicht. "Wir arbeiten weiter unsere Listen mit den Eingruppierungen ab", so Berger. (mit dpa/pom)

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