Es ist ein Hilferuf, den die Diakonie Bayern am Dienstag ins Land schickt. Der zweitgrößte Wohlfahrtsverband im Freistaat mit mehr als 90.000 Mitarbeitern blickt nach über einem Jahr Pandemie mit großer Sorge in die Zukunft. Befürchtungen und Forderungen seiner Spitzenvertreter betreffen sämtliche Bereiche, in denen sich die Diakonie als Teil der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern engagiert: von der Pflege bis zur Kinder- und Jugendhilfe.
Die Diakonie Bayern schickt einen Hilferuf in den Freistaat
So sagt Wolfgang Janowsky, Vorstand Wirtschaft und Recht, während einer Pressekonferenz: „Wir sollten alles daran setzen, dass auf die Corona-Wellen kein Armuts-Tsunami folgt.“ Er berichtet von erheblichen Liquiditätsproblemen auch bei Trägern der Diakonie und ärgert sich über den immensen bürokratischen Aufwand bei der Beantragung von Förderprogrammen. Sandra Schuhmann, im Vorstand für Gesundheit und Teilhabe zuständig, sieht die Gefahr, „dass uns durch die Pandemie Pflegekräfte verloren gehen“. Ihre Kollegin Sabine Lindau, verantwortlich für Integration und Familie, spricht von einem hohen Leidensdruck in Familien, der sich in den Beratungsstellen offenbare.
Aus all dem leitet die Diakonie Forderungen an die Politik ab. Präsident Michael Bammessel sagt im Gespräch mit unserer Redaktion: „Ich glaube persönlich, uns bleibt im Moment tatsächlich keine andere Wahl als strengere Maßnahmen, um ein exponentielles Wachstum der Ansteckungen zu verhindern.“ Rein unter Epidemie-Gesichtspunkten hätte man, bevor sich jetzt eine dritte Welle aufschaukele, einen strengen Lockdown machen müssen. „Es war absehbar, dass es so kommt, wie wir es gerade erleben“, so Bammessel. Zugleich sehe er die Folgen der Einschränkungen für Hilfsbedürftige, Kinder und Jugendliche. „Man hätte vorausschauender mehr tun können“, kritisiert er unter Verweis auf die schleppende Bereitstellung von Selbsttests und von Luftreinigern in Klassenzimmern.
Diakonie-Präsident Bammessel für strengere Maßnahmen angesichts dritter Corona-Welle
Die plakativste Forderung der Diakonie: Steuervorteile für Pflegekräfte – auch angesichts eines prognostizierten massiven Personalmangels. Ein erster Schritt könne ein genereller Steuerfreibetrag in Höhe von 500 Euro monatlich sein, sagt Sandra Schuhmann. Der Vorschlag von Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU), Zuschläge auf Überstunden, Nacht- und Feiertagsdienste steuerlich zu begünstigen, geht ihr nicht weit genug.
Schuhmann appelliert zudem an die Staatsregierung, Besuchsregelungen in Pflegeeinrichtungen mit Augenmaß zu lockern sowie ambulante Dienste in den Fokus zu stellen. Die erbringen ihr zufolge einen wesentlichen Teil der Pflege, erhalten aber zu wenig Aufmerksamkeit.
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