In der Corona-Pandemie bestimmt die Landesregierung in Bayern die Regeln – und der Landtag schaut nur zu. So war das bislang. Doch nun konnte das Parlament erstmals über die neuen Lockdown-Maßnahmen zumindest diskutieren. „Wir brauchen eine offene Debatte, den Wettstreit der besten Lösung und Klarheit, wer in diesem Parlament wo steht“, forderte Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) gleich zu Beginn der Sondersitzung: Der Landtag scheue auch bei Corona „keine Kontroverse und keine leidenschaftliche Debatte.“
Aigner sollte recht behalten. Denn trotz großer Übereinstimmung im Grundsatz ging es in der Diskussion heftig zur Sache. Mit viel Leidenschaft und eindringlichen Worten verteidigte zunächst Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die Einschränkungen, die seine Regierung am Vortag beschlossen hatte.
Söder verteidigt Corona-Einschränkungen für den Freizeitbereich
Er verstehe jede Frage, jede Sorge und auch Kritik, warb Söder. Aber die Corona-Lage in Bayern sei dramatisch: Eine Verdreifachung der täglichen Fälle binnen zwei Wochen, ein Anstieg der belegten Corona-Betten binnen einer Woche – die Gefahr der Überlastung der Krankenhäuser wachse: „Wer weiß, wie es endet und nichts tut, der handelt schuldhaft“, warnte Söder.
Oberste Priorität habe für ihn der Schutz des Lebens: „Jedes Leben in Bayern verdient es, von uns gerettet zu werden“, forderte der Regierungschef. Eindämmung von Kontakten sei dafür bislang die einzig Erfolg versprechende Strategie. Aus gutem Grund wolle man aber Bildung, Handel und Wirtschaft weiter offen halten. Deshalb bleibe für die Kontakt-Beschränkung nur der Freizeitbereich.
Ihm seien die Anstrengungen in Gastronomie oder Theatern zum Infektionsschutz bewusst, so Söder. Wenn aber bei über 75 Prozent der Neu-Infizierten kein Ansteckungsort mehr festgemacht werden könne, dann könne es auch dort „keinen Persil-Schein mehr geben“. Alle Maßnahmen seien „genau überlegt, da wurde nicht leichtfertig entschieden“, beteuerte er. Ausdrücklich lobte Söder die Unterstützung der Maßnahmen über Parteigrenzen hinweg: „Es ist ein gutes Zeichen, bei allen Unterschieden im Detail, das alle demokratischen Parteien an einem Strang ziehen“, findet er. Nur durch den Schulterschluss könne man Corona stellen, „nicht durch Anbrüllen und Schreien“.
AfD-Abgeordneter bezeichnet Corona als mittelschwere Grippe
Dies war auf das Verhalten der AfD tags zuvor im Bundestag gemünzt. Im Landtag brüllte die AfD zwar weniger als in Berlin, setzte aber dennoch auf Fundamental-Opposition: Denn Corona sei „nicht die Pest“ sondern „eine mittelschwere Grippe“, glaubt Fraktionschef Ingo Hahn. Auch gebe es in Bayern „kaum kranke Menschen, kaum belegte Krankenhausbetten“. Trotzdem schaffe Söder „eine Welt aus Angst, Misstrauen und Isolation“.
„Die AfD trägt ein gerütteltes Maß an Mitschuld an der Lage in der wir jetzt sind“, schoss der Freie-Wähler Florian Streibl emotional zurück. Mit Lügen, Hetze und Verharmlosung erschwere die Rechtsaußen-Partei den Kampf gegen Corona, schimpfte er.
Unterstützung für Söders Corona-Kurs im Grundsatz, aber Kritik vor allem am Verhalten des Ministerpräsidenten gab es von Grünen, SPD und FDP: Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann verlangte von Söder, „die Arroganz der letzten Monate, immer alles richtig zu machen“ endlich abzulegen. Söder habe zudem „viel Vertrauen mit nicht nachvollziehbaren Maßnahmen verspielt.“ So sieht das auch die FDP, die eine „Exit-Strategie“ für die Zeit nach dem Lockdown einfordert. Es sei gut, dass die Zeit bayerischer Corona-Sonderwege zu Ende sei, sagte Horst Arnold (SPD). Gegen Corona „geht es nur gemeinsam, und nicht als Ich-ling in Bayern“, hielt er Söder vor.
Lesen Sie dazu auch:
- Wie gerecht sind die neuen Corona-Maßnahmen?
- Wie Markus Söder sich in der Corona-Krise wandelt: Ein Psychogramm
- Markus Söder stimmt die Bayern auf harte Zeiten ein
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.