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Corona-Lockdown: Hubert Aiwanger: „Die Sperrstunde ist nicht mehr angemessen“

Corona-Lockdown

Hubert Aiwanger: „Die Sperrstunde ist nicht mehr angemessen“

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    Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger will Kitas und Grundschulen zeitnah öffnen und die nächtliche Ausgangssperre aufheben.
    Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger will Kitas und Grundschulen zeitnah öffnen und die nächtliche Ausgangssperre aufheben. Foto: Ulrich Wagner

    Herr Aiwanger, es sieht schon seit einiger Zeit nicht mehr so aus, als wären sich die beiden Männer an der Spitze der Staatsregierung über den Kurs in der Corona-Politik einig. Sie reden fast nur noch von Lockerungen der Corona-Regeln, Herr Söder beharrt auf einem strengen Lockdown – und wenn Sie zu deutlich werden, kassieren Sie sofort einen Rüffel. Was ist da los?

    Aiwanger: Es ist nur verantwortungsvoll innerhalb der Regierung, bei so schwerwiegenden Entscheidungen sowohl den Infektionsschutz als auch den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kollateralschaden der Lockdown-Maßnahmen ständig abzuwägen. Es ist keineswegs so, dass ich die Corona-Gefahren kleinrede, ganz im Gegenteil, ich habe mich beispielsweise für die Einführung der FFP2-Masken in ÖPNV und Handel eingesetzt. Dann muss man aber auch die zusätzlich gewonnene Sicherheit für Öffnungen nutzen, um wieder Steuergelder zu erwirtschaften und den Menschen nicht mehr Freiheitseinschränkungen abzuverlangen als nötig. In meinen Augen ist jetzt auch die Sperrstunde nicht mehr angemessen. Natürlich hat der Ministerpräsident auch den Druck in Berlin, dass hier viele Ministerpräsidenten unter einen Hut gebracht werden müssen und Virologen mehr Beachtung finden als beispielsweise das Schicksal eines kleinen Ladenbesitzers. Ich versuche, auch letzteren eine Stimme zu geben. Dass ich hier mit dem Ministerpräsidenten nicht immer einer Meinung bin, ist in einer Demokratie normal.

    Aiwanger: Öffnung von Kitas und Grundschulen "dringend geboten"

    Aus Verhören in Krimis kennt man die Taktik „guter Polizist – böser Polizist“. Da steckt hinter unterschiedlichen Redeweisen ein gemeinsames, strategisches Ziel. In der Corona-Politik predigt Herr Söder „Umsicht und Vorsicht“, Sie stellen die Existenznöte von Gastronomie, Handel und besonders betroffenen Berufsgruppen in den Vordergrund. Eine Zeit lang demonstrierte die Staatsregierung damit sozusagen arbeitsteilig, dass Sie alle Interessen im Auge hat. Aber je länger das so geht, umso mehr stellt sich die Frage: Haben Sie beide noch eine gemeinsame Strategie?

    Aiwanger: Es gibt sogar eine bundesweite gemeinsame Strategie, auf die sich die 16 Länder mit der Kanzlerin seit Ende Oktober verständigt haben. Sie lautet Lockdown. Natürlich bedeutet das auch auf Sicht fahren und nachjustieren, wie wir es beispielsweise Anfang Januar mit der Erleichterung „Click and Collect“ für den Handel gemacht haben. Mittlerweile haben wir durch die Maßnahmen viel erreicht: War Bayern vor Weihnachten auf den letzten Plätzen bei der Inzidenz, so sind wir jetzt in der ersten Tabellenhälfte auf Platz acht und schließen weiter auf die Spitze auf. Unter den 20 Kommunen mit der bundesweit niedrigsten Inzidenz sind bereits fünf bayerische. Das ist eine neue Ausgangssituation. Den richtigen Kurs und das richtige Maß müssen wir jetzt neu bestimmen. Lockerungen etwa bei körpernahen Dienstleistungen wie Friseuren mit Einsatz von FFP2-Masken halte ich für vertretbar, Öffnungen der Grundschulen und Kitas für dringend geboten.

    Nervt es Sie, wenn Herr Söder Ihnen mit ironischem Unterton begegnet, zum Beispiel indem er Sie in die „Abteilung Optimismus“ steckt?

    Aiwanger: Optimismus sehe ich nicht als Vorwurf. Es hilft nichts, wenn nur die „Abteilung Pessimismus“ zu hören wäre und wir bayernweit eine Depressionsstimmung verbreiten. Das schadet nur der Akzeptanz. Markus Söder und ich haben hier vielleicht in Teilen unterschiedliche Zugänge, um die Menschen anzusprechen und mitzunehmen. „Umsicht und Vorsicht“ ergänzen wir Freie Wähler um das Wort „Zuversicht“.

    Bayerns Wirtschaftsminister: Schule und Handel nicht gegeneinander ausspielen

    Diesen Mittwoch tagen erneut die Ministerpräsidenten. Sie sitzen nicht mit am Tisch, Herr Söder schon. Reden Sie vorher miteinander? Stimmen Sie die bayerische Marschroute ab? Oder lässt er sich gar nicht reinreden?

    Aiwanger: Wir stehen vorher wie nachher im Austausch. Am Dienstag steht hierzu auch eine Koalitionsrunde an, am Donnerstag entscheiden wir in der Koalition gemeinsam vor dem Kabinett über die weiteren Maßnahmen.

    Ihre Kollegin, Sozialministerin Carolina Trautner (CSU), sieht im Fall von Lockerungen die „oberste Priorität“ bei den Kitas, Herr Söder bei Kitas und Schulen. Wären Sie damit einverstanden, dass Gastronomie, Hotellerie und Handel zunächst noch warten müssen?

    Aiwanger: Die Schulen und die Kinderbetreuung gehören sicherlich zu den wichtigsten Einrichtungen, die sobald wie möglich ihren regulären Betrieb wiederaufnehmen müssen. Schließlich geht es hier auch um die Zukunftschancen der jüngsten Generation. Ich halte aber nichts von einem gegenseitigen Ausspielen der einzelnen Bereiche und setze auf eine pragmatische Herangehensweise: An das Öffnen von Kneipen und Discos denkt im Februar sicherlich niemand. Ein Schuhgeschäft, das der Kunde wie beim Supermarktbesuch mit einer FFP2-Maske betritt, sollte aber auch wieder öffnen können.

    Die öffentliche Meinung scheint sich langsam, aber stetig in Ihre Richtung zu drehen, also hin zu einem geordneten Weg aus dem Lockdown mit Stufenplan und schrittweisen Lockerungen. Wie sollte es Ihrer Vorstellung nach in Bayern laufen?

    Aiwanger: Komplizierte Stufenpläne mit Inzidenzwerten, wie sie andere Länder schon vorgeschlagen haben, halte ich für schwierig. Wir sollten aus dem Lockdown ungefähr so herausgehen, wie wir hineingegangen sind: zuerst Friseure und Einzelhandel, dann in einem weiteren Schritt Gastro, Hotellerie und Veranstaltungen. Wir haben ja auch Infektionsschutzstandards wie FFP2-Masken, Schnelltests und vermehrt die Impfung. Das hatten wir vor einigen Monaten nicht. Es gilt also, möglichst viel Normalität zuzulassen, ohne das Risiko unverhältnismäßig zu erhöhen.

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