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Corona: Lehrerverband beklagt „Notbetrieb“ an Bayerns Schulen

Corona

Lehrerverband beklagt „Notbetrieb“ an Bayerns Schulen

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    Der Lehrerverband BLLV beklagt, der seit Jahrzehnten bestehende Lehrermangel werde nun besonders deutlich.
    Der Lehrerverband BLLV beklagt, der seit Jahrzehnten bestehende Lehrermangel werde nun besonders deutlich. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Seit vier Wochen gehen Bayerns Kinder und Jugendliche wieder im sogenannten „Regelbetrieb“ zur Schule. Keine deutlich erhöhten Krankenzahlen und fast ausnahmslos Präsenzunterricht: Kultusminister Michael Piazolo ist zufrieden mit dem bisherigen Schuljahr im Freistaat. Zudem glaubt er, dass von den durch das Coronavirus erzwungenen Erfahrungen mit digitalen Unterrichtsangeboten „viel hängen geblieben“ ist. Dieser Bilanz widerspricht die Vorsitzende des Lehrerverbands BLLV, Simone Fleischmann.

    Aus ihrer Sicht werden die nach wie vor vorhandenen Probleme kleingeredet. Von „politischer Show“ und „gern gewahrtem Schein“ war in dem Kontext die Rede. Piazolo widerspricht dem Vorwurf am Dienstag mit Ironie: „Wenn ProSieben sagt, sie wollen eine neue Show machen, dann fragen sie glaube ich nicht beim Kultusministerium an. Ich weise das entschieden von mir.“ Doch wie gut läuft es nun an Bayerns Schulen?

    Der BLLV spricht von einem „Notbetrieb“ und sieht die Schulen weit weg von Normalität. Piazolo nennt dazu die derzeitigen Zahlen: 99,5 Prozent des Präsenzunterrichts könnten stattfinden – trotz etwa 10.000 Schülern in Quarantäne. „Ich weiß nicht, ob wir da von Notbetrieb sprechen können. Wir können froh sein, dass es bisher so funktioniert hat. Das ist in Frankreich oder Österreich anders“, sagt der Kultusminister. Er erkennt gleichzeitig aber auch an, dass es zwar einen „Regelbetrieb“, aber noch keinen „Normalbetrieb“ gebe. So sei es noch nicht möglich, Gruppenunterricht zu machen oder lebendigere Lernformen zu integrieren.

    Die BLLV-Chefin sagt: Der Wahnsinn schlägt bei uns auf

    Simone Fleischmann erläutert im Gespräch mit unserer Redaktion: „Wir sind alle nicht zufrieden mit unserem Leben durch Corona. Die Schule ist wie ein Spiegel der Gesellschaft. Wenn man so will, schlägt der derzeitige Wahnsinn bei uns auf. Wir müssen die Regeln den Eltern aber letztlich vermitteln.“ Zwar begrüßt sie das Drei-Stufen-Modell für Schulen, das sich an den Infektionszahlen orientiert. „Die Gesundheitsämter entscheiden aber dann sehr unterschiedlich“, kritisiert sie.

    Als größten Fehler seit Beginn der Pandemie sieht Fleischmann allerdings, dass man vonseiten der Staatsregierung nicht mehr Entscheidungsgewalt an die Schulleiter vor Ort übertragen hat: „Ein Top-Down-Prinzip, also starre Weisungen von oben, sind nicht der richtige Weg. Wir sind nicht in der Lage, so plötzlich umzuschalten, das muss vor Ort geregelt werden.“

    Darüber hinaus treten aus Sicht von Fleischmann durch die Krise grundsätzliche Probleme stärker zutage: „Wir haben seit Jahrzehnten einen Lehrermangel und der wird gerade wie im Brennglas deutlich.“ Tatsächlich unterrichten derzeit rund drei Prozent der Lehrer nicht an den Schulen – hauptsächlich, weil sie zu Risikogruppen gehören oder weil sie schwanger sind.

    Die langjährige Schulleiterin Fleischmann sagt: „Früher konnten wir im Notfall mal zwei Klassen zusammenlegen oder den Sportunterricht mit mehr Schülern durchziehen. Nun wird aber das wahre Ausmaß des Lehrermangels deutlich.“ Eine Stellenbesetzung von 100 Prozent reiche nicht aus. Im Bereich der Grund- und Mittelschulen müsse die Attraktivität des Berufs dringend steigen, sonst drohe ein massiver Personalmangel. „Und dann heißt es, das habe man nicht kommen sehen“, meint Fleischmann, die einen „Lehrergipfel“ fordert.

    Jeder Lehrer soll bald ein Dienst-Laptop bekommen

    Piazolo lässt auch diesen Punkt nicht so stehen: „Wir haben mit 91.945 Stellen so viele wie noch nie. Und im Gegensatz zu anderen Bundesländern besetzen wir sie fast ausschließlich mit ausgebildeten Lehrern.“ Es liege in der Natur der Sache, dass ein Lehrerverband mehr Stellen fordert. „Aber ich sehe keinen Lehrermangel.“ Es gebe sogar einen Überschuss an Referendaren.

    Bei der Digitalisierung gehe dagegen etwas voran, bescheinigt Fleischmann der Staatsregierung: „Eine Ausstattung mit genügend Geräten und EDV-Unterstützung ist nicht morgen möglich, weil das seit Jahren versäumt wurde. Aber der Ministerpräsident hat die Hürden erkannt.“ Der Freistaat möchte in absehbarer Zeit jeden Lehrer mit einem Laptop oder Tablet ausstatten. Außerdem startet Bayern eine Offensive bei der Beschaffung von Leihgeräten für Schüler.

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