Bayern geht in der Corona-Krise weiter einen Sonderweg. Während in anderen Bundesländern schon am kommenden Montag erste Schulen öffnen, bleiben diese in Bayern länger geschlossen. Und auch in anderen Bereichen geht der Freistaat die Lockerungen der Corona-Maßnahmen vorsichtiger an. Über alle Entwicklungen rund um das Coronavirus informieren wir Sie in unserem Live-Blog.
Gemeinsam mit Angela Merkel und anderen Ministerpräsidenten hatte Markus Söder am Mittwoch in Berlin über das weitere Vorgehen in der Corona-Krise beraten. Am Donnerstagvormittag kam das Bayerische Kabinett in der Staatskanzlei zusammen, um konkrete Maßnahmen für den Freistaat zu beschließen. Wie geht es nun in der Corona-Krise in Bayern weiter? Das gab Söder im Anschluss an die Beratungen der Öffentlichkeit bekannt - gemeinsam mit Gesundheitsministerin Huml, Kultusminister Piazolo, Sozialministerin Trautner und Wirtschaftsminister Aiwanger.
Wie beurteilt die Staatsregierung um Ministerpräsident Söder die Lage in Bayern?
Im Rahmen der sozialen Distanz habe Bayern bereits einige Fortschritte erzielt, lobte Söder. Die gesunkene Zahl der Neuinfektionen ist für den Ministerpräsidenten Anlass zu vorsichtigem Optimismus, aber nicht zu Übermut: "Die Rate der Neuinfektionen haben wir auf unter zwei Prozent senken können, die Verdopplungsdauer liegt nun bei 28 Tagen." Doch das sei kein Grund zur Entwarnung, mahnte der Ministerpräsident: "Wir dürfen jetzt nicht nachlassen, sonst droht ein erheblicher Rückfall und es drohen noch schwerwiegendere Maßnahmen."
Wie orientiert sich Bayern an den Richtlinien von Bund und Ländern?
Auf Basis der bundesweit getroffenen Beschlüsse hat das Bayerische Kabinett gemeinsam mit Experten konkrete Maßnahmen für den Freistaat beschlossen. Dabei sollen nach wie vor möglichst viele Maßnahmen gelten, sagt Söder: "Wir werden vorsichtiger als andere Bundesländer vorgehen." Insgesamt will die Staatsregierung bei ihrer bisherigen Strategie in der Corona-Krise bleiben, aber in einigen Bereichen Erleichterungen schaffen. Jeder Lockerung sollen aber verstärkte Schutz- und Hygienemaßnahmen entgegenstehen.
Was ändert sich an den Ausgangsbeschränkungen und Kontaktsperren in Bayern?
Bis 4. Mai bleibt es in Bayern bei den bislang gültigen Ausgangsbeschränkungen. Im öffentlichen Bereich gilt weiterhin das Abstandsgebot, sich in der Öffentlichkeit in Gruppen zu treffen, ist immer noch verboten. Allerdings ist es vom 20. April an erlaubt, eine weitere Kontaktperson im Alltag zu treffen, die nicht im eigenen Haushalt wohnt. Gerade für Alleinwohnende ist dies eine wichtige Erleichterung.
Wann dürfen in Bayern welche Geschäfte wieder öffnen?
Was die Öffnung des Handels angeht, bleibt die bayerische Staatsregierung deutlich vorsichtiger als andere: "Einen Kaltstart wollen wir dringend vermeiden. Jede Geschäftsöffnung führt zu mehr Andrang, daher müssen sich die Händler erst vorbereiten", argumentiert Söder. Ab dem 20. April dürfen zwar Bau- und Gartenmärkte wieder öffnen. Alle anderen Geschäfte bleiben jedoch noch bis zum 27. April geschlossen. Ab diesem Tag dürfen Geschäfte mit einer Verkaufsfläche bis zu 800 Quadratmetern wieder öffnen - sowie auch Buchhandlungen, Fahrradhändler und Kfz-Händler unabhängig von ihrer Verkaufsfläche. Damit will die Staatsregierung den Händlern noch Zeit geben, sich auf die Schutzauflagen zu Einlass, Parkplatzordnung und Hygiene vorzubereiten. Grundsätzlich sollen pro Kunde 20 Quadratmeter Verkaufsfläche zur Verfügung stehen. In Geschäften von 800 Quadratmetern dürften also 40 Kunden zugelassen werden.
Muss man in Bayern an manchen Orten jetzt einen Mundschutz tragen?
Eine Maskenpflicht gilt in Bayern und Deutschland zunächst nicht. Dennoch empfiehlt die Staatsregierung dringend, im Öffentlichen Nahverkehr sowie beim Einkaufen einen Community-Mundschutz zu tragen. Professionelle FFP-Masken seien weiterhin dem medizinischen Personal vorbehalten. Doch zum Schutze anderer sei es angebracht, wenn Bürger auch im Alltag einen improvisierten Mundschutz nutzten.
Wie geht es für Friseure und Fußpflege-Institute weiter?
Auch wenn in diesen Berufen Körperkontakt unabdingbar ist: Friseure und Fußpflege-Institute sollen ab 4. Mai wieder öffnen dürfen. Allerdings müssen sie Schutzkonzepte vorweisen und strenge Auflagen einhalten.
Welche Betriebe müssen weiterhin geschlossen bleiben?
Kaufhäuser, Shopping-Malls und andere Orte, an denen sich besonders viele Menschen sammeln, müssen auf unbestimmte Zeit geschlossen bleiben. Auch Gastronomiebetriebe und Tourismus-Angebote dürfen in nächster Zeit nicht öffnen. Söder und die Staatsregierung begründen dies mit schlechten Erfahrungen aus der Vergangenheit. Gerade Après-Ski-Partys in Ischgl, Starkbierfeste in der Oberpfalz oder der Karneval im rheinischen Heinsberg hätten die Verbreitung des Coronavirus stark beschleunigt. Für Gastronomie und Tourismus in Bayern sieht Wirtschaftsminister Aiwanger aber Anlass zur Hoffnung: "Urlaub in anderen Ländern wird in diesem Jahr sehr wahrscheinlich nicht möglich sein, deshalb ist ein Run auf unsere Ferienbetriebe zu erwarten."
Wird es in Bayern dieses Jahr noch Großveranstaltungen wie das Oktoberfest geben?
Entsprechend der bundesweit getroffenen Maßnahmen bleiben Groß-Events auch in Bayern bis einschließlich 31. August grundsätzlich verboten. Das Oktoberfest würde erst Mitte September beginnen, doch trotzdem ist Ministerpräsident Markus Söder wenig optimistisch, dass die Wiesn 2020 stattfinden kann. In ein paar Wochen will er sich mit Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter über die Veranstaltung beraten - und eine Entscheidung treffen.
Wie geht es mit Gottesdiensten und Versammlungen in Gotteshäusern weiter?
Ihre Religion dürfen Menschen in Bayern auch weiterhin nicht gemeinsam in Kirchen, Synagogen oder Moscheen ausüben. Bis auf Weiteres bleiben Gottesdienste und andere religiöse Versammlungen verboten. Allerdings will die bayerische Staatsregierung schon bald mit Bischöfen über Konzepte sprechen, wie man Abstand und Hygiene wahren kann. Bei entsprechenden Maßnahmen könnten Gotteshäuser im Mai wieder geöffnet werden, stellte Söder in Aussicht.
Welche Schüler dürfen bald wieder in den Schulunterricht?
Wie in anderen Bundesländern auch gilt in Bayern: Ältere Schüler vor jüngeren. Gerade bei Grundschülern sei es äußerst schwierig, Hygienekonzepte mit Mundschutz und Abstandsregelungen umzusetzen, so Kultusminister Michael Piazolo. Daher ist Unterricht an den Schulen für jüngere Schüler in nächster Zeit nicht absehbar. Allerdings soll die Notfallbetreuung für Grundschul- und Kindergartenkinder ausgebaut werden, sodass Eltern in systemrelevanten Berufen ihrer Arbeit nachgehen können, auch wenn nur ein Elternteil betroffen ist.
Schüler, die kurz vor dem Abschluss stehen, sollen aber bereits ab 27. April in die Prüfungsvorbereitung und in ihre Prüfungen starten können. "Jeder, der einen Berufsabschluss, einen Schulabschluss oder ähnliches ablegen möchte, soll die Möglichkeit bekommen", sagte Söder. Man habe aber bewusst nicht den 20. April gewählt, um den Lehrern Zeit zur Vorbereitung zu geben.
Wichtige Maßnahmen dabei sind folgende: Jeder Schüler soll etwa vier Quadratmeter zur Verfügung haben, es wird keine Gruppenarbeit stattfinden und nur die halbe Klassengröße (10-15 Schüler) wird in einem Raum unterrichtet. Zudem soll ein Schichtbetrieb im Schulunterricht geprüft werden und in nächster Zeit kein Pausenverkauf oder Mensabetrieb stattfinden.
Ab dem 11. Mai sollen auch Schüler wieder in den Unterricht an den Schulen einsteigen, die ihren Abschluss im Jahr 2021 vor sich haben. Gemeinsam mit den Kultusministern anderer Bundesländer wird Michael Piazolo am 29. April in der Kultusministerkonferenz zudem über weitere Möglichkeiten beraten, wie an den bayerischen Schulen wieder mehr Präsenzunterricht stattfinden kann.
Für die Zeit nach dem Lernen zu Hause stellte Kultusminister Piazolo eine "Phase des Ankommens" in Aussicht, in welcher alle Schüler wieder auf das gleiche Niveau gebracht werden sollen, da das Lernen daheim nicht bei allen gleichermaßen gut funktioniere. Außerdem solle sich ein "Sitzenbleiben wegen Corona" nicht häufen, so der Kultusminister: "Wir werden das Vorrücken auf Probe großzügig ermöglichen."
Was ändert sich an den Regeln für Seniorenheime und Krankenhäuser?
In Krankenhäusern und Seniorenheimen gelten weiterhin strengste Beschränkungen. Das begründet Gesundheitsministerin Melanie Huml damit, dass der Großteil der Infizierten und die meisten Todesfälle in der dort überwiegenden Altersgruppe aufgetreten sind. Allerdings ermutigte die Ministerin Patienten und Ärzte ausdrücklich, nicht mehr auf allzu viele medizinische Eingriffe zu verzichten. Auch reguläre Arztbesuche sollten die Menschen nicht mehr hinauszögern, so Söder, "denn es gibt auch noch andere Krankheiten als Corona".
Weitreichende Lockerungen ermöglichte die bayerische Staatsregierung nun in der Begleitung Sterbender. So dürfen Angehörige auch in größeren Zeiträumen Sterbende in Hospizen und auf Palliativstationen begleiten. Um einen besseren Schutz in Altenheimen und Krankenhäusern zu gewährleisten, soll es von nun an Serien-Tests für Ärzte und Pfleger geben.
Wie wird das Gesundheitssystem nun auf die Corona-Infektionen reagieren?
Um die Anzahl der Infizierten weiterhin kontrollierbar zu halten, sollen die Testkapazitäten im bayerischen Gesundheitssystem weiter ausgebaut werden. Bislang wurden im Freistaat 12.000 Tests pro Tag ausgewertet, bald sollen es schon 25.000 Tests sein. Schon bisher seien in Bayern auf 100.000 Einwohner gerechnet mehr Menschen getestet worden als etwa in Österreich, Südkorea, Japan oder Großbritannien, sagte Söder. Mit noch mehr Tests soll die Verfolgung der Infektionsketten noch besser möglich werden.
Wie lange bleibt es bei diesen Maßnahmen und wann gibt es mehr Lockerungen?
Alle zwei Wochen werden sich Bund und Länder in Konferenzen über die aktuelle Lage in der Corona-Krise beraten, um die Maßnahmen neu zu justieren. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagt: "Alles, was jetzt passiert, sind Zwischenschritte, die man auf Basis einer Zwischenbilanz treffen kann. Wir spüren, dass Maßnahmen wirken. Die Erleichterungen dürfen sich nun aber nicht negativ auswirken." Im Zwei-Wochen-Rhythmus könne man über weitere Lockerungen nachdenken. Allerdings sei soziale Distanz bislang das einzige Mittel, mit dem man auf die Ausbreitung des Coronavirus reagieren könne. Umso wichtiger sei es daher auch, die Forschung auszubauen, um einen Impfstoff oder Medikamente gegen das Virus entwickeln zu können.
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