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Corona-Krise: Vom Büro aufs Feld: Diese drei Menschen möchten Spargelstechen

Corona-Krise

Vom Büro aufs Feld: Diese drei Menschen möchten Spargelstechen

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    Unter anderem für die Spargelernte fehlen den Landwirten noch viele Erntehelfer. Ausländische Arbeiter dürfen zur Zeit nicht ins Land.
    Unter anderem für die Spargelernte fehlen den Landwirten noch viele Erntehelfer. Ausländische Arbeiter dürfen zur Zeit nicht ins Land. Foto: Paul Zinken, dpa (Symbolbild)

    Von den üblichen Themen wie zu viel oder zu wenig Niederschlag, Frost oder Ärger mit Schädlingen hört man von den deutschen Landwirten derzeit wenig. Sie alle haben eine viel drängendere Sorge: Sie wissen nicht, wie sie ihre reifen Früchte von den Feldern bekommen sollen. Gastarbeiter dürfen zur Zeit nicht ins Land, aber bald schon müssen riesige Mengen von Spargel gestochen und tonnenweise Erdbeeren gepflückt werden. Dafür brauchen sie etwa 300.000 Helfer.

    "Das Land hilft" soll Landwirte und Erntehelfer in der Coronakrise zusammenbringen

    Währenddessen sitzen viele Deutsche zu Hause, weil wegen der Corona-Maßnahmen ihr Betrieb oder ihre Universität geschlossen hat oder weil ihr Arbeitgeber sie in Kurzarbeit geschickt hat. Die neue Onlineplattform "Das Land hilft" des Bundesverbands der Maschinenringe versucht das Naheliegende und will die vorübergehend Unbeschäftigten an die Landwirte vermitteln. Das Angebot gibt es inzwischen seit einigen Tagen und viele Landwirte und Helfer haben dort bereits Anzeigen geschaltet.

    Einer von ihnen ist Philipp Luckas. Der 28-Jährige muss momentan sein Studium der Ingenieursinformatik ruhen lassen, weil die Universität in Augsburg geschlossen hat. "Ich habe gerade keinen Job. Meine Einkünfte fallen aus und andere brauchen Hilfe, also habe ich mich angemeldet", erklärt er kurz und bündig seine Beweggründe. Zwar kenne er sich nicht aus in der Landwirtschaft, aber handwerklich ungeschickt sei er als gelernter Zerspanungsmechaniker keineswegs. Außerdem sei er auf dem Land groß geworden und Hobbygärtner. Noch habe kein Landwirt Kontakt zu ihm aufgenommen, aber er habe sich auch erst vor wenigen Stunden registriert. Welche Aufgaben ein Arbeitgeber für ihn bereithalten könnte, ist Luckas egal: "Ich bin immer offen für etwas Neues."

    Der Schreiner wird bald Spargel stechen

    Auch Florian Brinkmann ist ein Punkt auf der Helfer-Übersichtskarte gewidmet. "Ich bin ab Montag in Kurzarbeit, dann habe ich mehr Zeit", sagt der Schreiner. Auch er habe bisher noch nicht in der Landwirtschaft gearbeitet. "Aber ich würde alles machen, was nicht mehr als zehn Kilometer weg ist", versichert der Aichacher. Er hat schon eine Anfrage von einem nahegelegenen Spargelbauer bekommen und wird in den nächsten Tagen erfahren, wie genau er helfen kann.

    Handwerkliche Berufe sind keine Voraussetzung dafür, sich als Helfer in der Landwirtschaft anzubieten. Monika Jelicic arbeitet normalerweise im Büro, ist Assistentin der Betriebsleitung in einem Logistikunternehmen. Auch sie hat sich auf der Vermittlungsplattform eingetragen. "Ich werde bald Kurzarbeit haben und damit mehr Zeit. Und an den Wochenenden habe ich immer frei." Es gehe ihr nicht um das Geld, sie wolle vor allem den lokalen Bauern helfen. Trotz ihres Bürojobs kennt sie sich gut mit der Arbeit auf den Feldern aus: "Ich komme ursprünglich aus dem Balkan, wir haben schon als Kinder in der Landwirtschaft mitgeholfen. Die Heuernte haben wir damals noch mit den eigenen Händen erledigt", erzählt sie.

    Viele wollen über "Das Land hilft" beim Erdbeerpflücken unterstützen

    Die Vermittlung über "Das Land hilft" funktioniert offenbar gut. "Ich habe Anfragen ohne Ende", berichtet zumindest Klaus Mahl, der in Adelzhausen "Mahl's Obsthof" betreibt und ein Hilfegesuch für die anstehende Erdbeerernte online gestellt hat. Etwa ab dem 20. April gehe es bei ihm los, im Mai arbeiten bei ihm üblicherweise rund 120 Pflücker. Wenn er nun aber ungeübte deutsche Hilfskräfte einsetzen müsse, rechne er eher mit einem Bedarf von 250 Personen, sagt der Landwirt. "Die Rumänen, die ich sonst habe, sind geübt und arbeiten in einer Sechs-Tage-Woche." Ein solches Pensum würden die meisten Helfer, die sich bei ihm gemeldet haben, nicht stemmen wollen. Für sie sei die Feldarbeit außerdem eine ungewohnte Tätigkeit. Bestimmt würden einige von ihnen bald wieder abspringen, wenn sie feststellen, wie körperlich anstrengend die Arbeit ist.

    Überhaupt habe Mahl viel Arbeit mit den Anrufen und Zuschriften, die alle einzeln beantwortet werden müssten. Die Erntehelfer aus Rumänien seien viel leichter zu organisieren, für sie habe er einen zentralen Ansprechpartner. Am 1. April plane er eine Informationsveranstaltung, auf der er den versammelten Interessenten mögliche Arbeiten, Lohn und dergleichen vorstellen wolle. "Wir wissen noch nicht, wie viele kommen oder wie lange sie arbeiten wollen", klagt Mahl. Eine Alternative habe er aber nicht.

    Größere Gefahr einer Coronavirus-Infektion durch Deutsche

    Die politische Entscheidung, ausländische Erntehelfer nicht mehr ins Land zu lassen, kritisiert Mahl scharf: "Die, die zu mir kommen, wären die ganze Zeit auf dem Betriebsgelände und könnten sich oder andere gar nicht anstecken. Die deutschen Hilfskräfte gehen aber jeden Tag nach der Arbeit nach Hause." Da gebe es viel mehr Chancen, sich irgendwo zu infizieren oder das Coronavirus weiterzugeben.

    Bis bei Mahl die Ernte beginnt, müssen einige seiner Berufsgenossen ihren Spargel bereits von den Feldern gebracht haben. "Wir helfen aktuell den Kollegen aus", sagt Mahl. "Ob wir dieses Jahr 100 Prozent ernten können, ist die Frage."

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