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Corona-Krise: Jagen in Corona-Zeiten: Abstand auf der Pirsch

Corona-Krise

Jagen in Corona-Zeiten: Abstand auf der Pirsch

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    Jagen ist wegen der Corona-Pandemie nur alleine, mit Personen, mit denen man zusammenlebt, oder mit einer nicht im selben Hausstand lebenden weiteren Person möglich.
    Jagen ist wegen der Corona-Pandemie nur alleine, mit Personen, mit denen man zusammenlebt, oder mit einer nicht im selben Hausstand lebenden weiteren Person möglich. Foto: Felix Kästle, dpa

    Es gibt in diesen schwierigen Corona-Zeiten wahrlich Wichtigeres als Fragen zur Jagd. Wenngleich die Pandemie durchaus Auswirkungen für die rund 70.000 Jägerinnen und Jäger in Bayern hat. Am 1. Mai endete die Schonzeit für das Rehwild, Schwarzwild kann ganzjährig erlegt werden. Die aktuellen Corona-Richtlinien bringen jedoch Einschränkungen mit sich. Jagen ist demnach "nur alleine, mit Personen, mit denen man zusammenlebt, oder mit einer nicht im selben Hausstand lebenden weiteren Person" möglich. So heißt es in einer Mitteilung des bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Der Mindestabstand von 1,5 Metern muss dabei eingehalten werden. Sammelansitze oder Gemeinschaftsjagden, an denen mehrere Jäger teilnehmen, sind dagegen nicht zulässig.

    Förster und Jäger erwarten durch die Vorgaben gleichwohl wenig Probleme. Hubert Droste, Leiter des Forstbetriebs Zusmarshausen (Kreis Augsburg), sieht die Jagd nicht eingeschränkt, da dabei ohnehin "kaum soziale Kontakte entstehen". "Wirklich fatal" wäre nach seiner Meinung allerdings, wenn auch noch im Herbst bedingt durch Corona Bewegungsjagden mit mehreren Schützen, auf denen in der Regel hohe Abschusszahlen vor allem von Sauen erzielt werden, verboten wären.

    Corona-Krise: Preiseinbrüche von fast 50 Prozent

    Entschieden spricht sich Droste gegen eine in die Diskussion gebrachte Verlegung der Schusszeit aus. Im 14.000 Hektar großen Forstbetrieb Zusmarshausen würden im Mai und Juni beim Rehwild etwa 40 Prozent der Jahresstrecke erfüllt. Das sind rund 650 der jährlich 1300 erlegten Rehe. Droste spricht sich auch deshalb dagegen aus, da der intensive Waldumbau weiter jagdlich begleitet werden müsse. Ansonsten seien die jungen Pflanzen von Tanne, Douglasie oder Buche ohne Schutz nicht hochzubringen und würden vom Wild verbissen.

    Enorme Sorgen bereitet dem Forstmann in diesen Zeiten jedoch die Wildbretvermarktung. Rund die Hälfte der geschossenen Tiere gehen im Forstbetrieb Zusmarshausen an Großhändler. Doch deren Lager seien nach wie vor voll, da die Gastronomie als Abnehmer weggefallen ist. "Wir haben Preiseinbrüche von fast 50 Prozent", sagt Droste. Neben dem Eigenverbrauch der 150 Förster und Jäger, die in den Wäldern des Forstbetriebs Zusmarshausen auf die Pirsch gehen, soll das Wild nun auch verstärkt an Privatpersonen, örtliche Einzelhändler, Metzgereien und Gaststätten verkauft werden.

    Keinerlei Probleme mit der Nachfrage nach Wildbret hat Richard Kraus, Pächter der Jagdreviere in Fronhofen (Kreis Dillingen) und Untermagerbein (Kreis Donau-Ries). Ganz im Gegenteil. "Das Interesse an dem hochwertigen Lebensmittel von privaten Haushalten ist nach wie vor sehr hoch. Von Absatzschwierigkeiten kann aus meiner Sicht keine Rede sein." Und dennoch spürt auch Kraus die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Zur Zeit laufe in der Landwirtschaft der Maisanbau und die junge Saat sei ein gefundenes Fressen für Wildschweine. Um Schäden zu minimieren, bringt Kraus auf den Feldern sogenannte Schwefellinsen aus, die eine Düngewirkung haben, deren Duft jedoch Sauen abhalten soll. Zeigt auch dies nicht die erhoffte Wirkung, errichtet der Jäger an kritischen Stellen Elektrozäune. Auf die Unterstützung von Helfern muss er derzeit verzichten.

    Den Wald völlig neu erleben

    Seit mehr als 40 Jahren geht Werner Blaha (Burgau) im Gemeinschaftsjagdrevier Wettenhausen im Kammeltal auf die Jagd. Täglich ist er mit seiner Rauhaardackeldame Anka im Wald, "weil ich durch die Kontaktverbote wegen Corona etwa zu meinen Enkelkindern viel mehr Zeit habe". Blaha erlebt sein 700 Hektar großes Revier, "wie ich es lange nicht erlebt habe". "Ich komme plötzlich an Stellen, an denen ich ewig nicht mehr war." Größere Reparaturarbeiten an jagdlichen Einrichtung wie Hochsitzen oder Kanzeln muss er derzeit verschieben. "Das ist alleine oder zu zweit oft nicht zu schaffen." Und noch eines hat Blaha, der im Kreis Günzburg Jagdberater ist, festgestellt. Die Zahl der Wildunfälle hat deutlich abgenommen, weil auf den Straßen, die sein Revier durchschneiden, viel weniger Autos unterwegs sind.

    Fürst ist gegen Verlängerung der Schonzeit

    Auch Moritz Fürst zu Oettingen-Wallerstein hält eine Verlängerung der Schonzeit wegen Corona für "Unfug". Eine generelle Reduzierung der Jagd verbiete sich. Der Fürst, in Schloss Hohenaltheim (Kreis Donau-Ries) zu Hause, spricht dennoch von einer spannenden Situation. Er stellt sich die Frage, ob die jagdlichen Einschränkungen auch dann gehalten werden können, sollte die Afrikanische Schweinepest (ASP) tatsächlich Deutschland erreichen. Die für Sauen tödliche Seuche sei nur noch wenige Kilometer entfernt. "Wenn die Schweinepest über die Grenze springt, müssen wir völlig neu denken", sagt der Fürst.

    Michael Heinzel, der in Betzigau (Oberallgäu) lebt und in Kraftisried im Ostallgäu auf die Jagd geht, bewegt nicht nur in diesen Tagen ein anderes Thema. "Mich stört, dass das Rehwild häufig nur noch als Schädling in unseren Wäldern gesehen wird." Durch den enormen Jagddruck werde das Wild immer heimlicher, es ziehe sich zurück und der Verbiss an den Bäumen nehme zu. Doch die Spirale bei den Abschusszahlen gehe ständig weiter nach oben. Heinzel, der dem Vorstand der Kreisgruppe Kempten des Bayerischen Jagdverbandes angehört, appelliert aus Sicht des Naturschutzes an die Vorbildfunktion des Staatsforstes. "Wald und Wild gehören zusammen und bilden gemeinsam das Ökosystem."

    Lesen Sie dazu auch: Wegen Corona: Preise für Wildbret im Augsburger Land purzeln 

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