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Corona-Krise: Abermillionen Masken: Das sind die Pläne für ein Pandemie-Zentrallager

Corona-Krise

Abermillionen Masken: Das sind die Pläne für ein Pandemie-Zentrallager

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    Die bayerische Staatsregierung will sich für eine zweite Welle wappnen und ein sogenanntes Pandemiezentrallager einrichten.
    Die bayerische Staatsregierung will sich für eine zweite Welle wappnen und ein sogenanntes Pandemiezentrallager einrichten. Foto: Martin Schutt, dpa (Symbolbild)

    Das deutsche Gesundheitssystem zählt zu einem der besten der Welt – und trotzdem war es mit dem Ausmaß der Corona-Pandemie überfordert. Ein Problem im Frühjahr war etwa, dass es bundesweit an Schutzmaterialien wie Masken, Kitteln und Handschuhen fehlte – auch in Bayern. Nun steigt die Anzahl der Coronavirus-Infektionen wieder an – und auch die Sorge bei Ärzten, in Kliniken und Heimen im Freistaat wächst, dass es erneut zu einem Engpass bei der Schutzausrüstung kommen könnte.

    300 Millionen Euro will der Freistaat für Schutzausrüstung ausgeben

    Das bayerische Kabinett hat daher beschlossen, im Freistaat ein eigenes sogenanntes Pandemie-Zentrallager zu einrichten. Darin sollen die wichtigsten medizinischen Güter zur Infektionsbekämpfung aufbewahrt werden – und zwar in derart großen Mengen, wie die Utensilien für sechs Monate „bei einem starken Pandemiegeschehen“ benötigt werden, wie ein Sprecher des bayerischen Gesundheitsministeriums auf Anfrage unserer Redaktion mitteilt. Grundlage für den geplanten Bestand sei das Material, das zu Beginn der Corona-Krise in Bayern besonders gebraucht wurde.

    Nach aktuellem Stand sieht das Konzept derzeit etwa 42,6 Millionen OP-Masken, 12,6 Millionen Pflegekittel, zehn Millionen FFP2-Masken und 2,1 Millionen FFP3-Atemschutzmasken, 3,6 Millionen Schutzanzüge, 190 Millionen Infektionshandschuhe und rund 750.000 Augenschutzbrillen vor. „Wir wollen für die Zukunft gerüstet sein“, sagte Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU). In Summe beträgt der Wert der Materialien geschätzt rund 300 Millionen Euro. Laut Huml wird zudem ein „Sicherheitspuffer“ eingeplant, um auch für größere Infektionslagen vorbereitet zu sein.

    Vorbereitet sein wollte im Frühjahr auch Wirtschaftsminister Huber Aiwanger (Freie Wähler) und machte vor einigen Monaten mit einem Großeinkauf von sich reden. Weil er zum Beginn der Pandemie mit weit mehr Infizierten rechnete, kaufte er 10.000 Matratzen und Bettzeug, auch Handtücher, Waschlappen und 90.000 Wischmopps. Die Reaktionen über die riesige Anschaffung reichten von Verwunderung über Überraschung bis Empörung. Denn es war lange unklar, ob solche großen Mengen tatsächlich gebraucht werden.

    Wie war das noch mit Hubert Aiwanger und den 90.000 Wischmopps?

    Trotz aller Kritik will sich der Freistaat nun mit dem Pandemie-Zentrallager wappnen, falls die Anzahl der Infizierten weiter ansteigt. Weil die verschiedenen Materialien unterschiedlich gelagert werden müssen – damit sie zum Beispiel so lange wie möglich steril und hygienisch bleiben – braucht das Gebäude nach Angaben des Gesundheitsministeriums über „ausreichend dimensionierte Lagerbereiche“. Auch der Standort sollte gut gewählt sein. Denn das Lager muss gut und vor allem schnell zu erreichen sein, „damit die Verteilung des vorgehaltenen Materials im Pandemiefall reibungslos funktioniert“. Zudem muss es verlässliche Sicherungsmöglichkeiten geben, damit dort nicht eingebrochen werden kann und Schutzmaterialien gestohlen werden können.

    Auch wenn der Freistaat bislang noch auf der Suche nach einer geeigneten Immobilie ist, sind die Fachleute bereits dabei, die benötigten Materialien zu bestellen und zu beschaffen – vor allem mit Blick auf eine anstehende zweite Infektionswelle. Der Bedarf in Europa ist momentan niedrig und die Lieferketten aus dem Ausland funktionieren wieder. Der Ministeriumssprecher betont: „Die Corona-Pandemie hat nachdrücklich aufgezeigt, welche Gefahren für die Ausbreitung von Infektionen bestehen, wenn es an derartiger Ausstattung mangelt.“

    Das bayerische Pandemie-Zentrallager hält auch Wolfgang Schaaf für sinnvoll. Er ist Mitglied im Vorstand der bayerischen Landesärztekammer und war in der Zeit, in der der Katastrophenfall in Bayern ausgerufen war, Versorgungsarzt. Seine Aufgabe war es, zu koordinieren, dass die Vertragsärzte in einem bestimmten Gebiet mit ausreichend Schutzmaterialien beliefert wurden. Er weiß, was bei der Lagerung und Verteilung von Schutzmaterialien zu beachten ist. „Wenn wir an den Anfang der Pandemie zurückschauen, war es so, dass die staatlichen Institutionen zu schwerfällig waren. Viele Landkreise in Bayern mussten sich selbst behelfen und – in Vorleistung – selbst die benötigten Utensilien am Weltmarkt einkaufen.“

    Aus diesem Grund hält Schaaf ein solches bayerisches Pandemie-Zentrallager für einen guten Plan. „Wir machen uns damit unabhängiger von den Herstellern im Ausland, von denen viele in Fernost produzieren.“ Und auch finanziell gesehen sei das Lager eine sinnvolle Entscheidung, findet der Mediziner. „Man kann da wirklich Geld sparen“, sagt er. „Im Normalfall ist eine OP-Maske ein Cent-Artikel. Während des Hochs der Pandemie wurde für ein Exemplar sogar ein zweistelliger Euro-Betrag verlangt. Das waren wirklich Mondpreise.“

    Ein Praktiker warnt: Man dürfe sich nicht auf ein solches Lager verlassen

    Die Mengen, also die vielen Millionen an Utensilien die angeschafft werden sollen, hält Wolfgang Schaaf ebenfalls für realistisch: „Es ist wirklich erstaunlich, wie viel da in den Hochzeiten von Corona am Tag wegging. Diese Millionen-Zahlen hören sich für mich durchaus schlüssig an.“

    Eine Sache sieht Wolfgang Schaaf jedoch kritisch: „Ein großes Zentrallager darf nicht dazu führen, dass sich Arztpraxen, Kliniken und Heime auf den Bestand dort verlassen.“ Sie müssten ebenfalls dafür sorgen, dass sie für den Ernstfall mit genügend Schutzausrüstungen ausgestattet sind.

    Das sei vor allem aus logistischen Erwägungen wichtig. „Man kann sich vorstellen, welche Verzögerungen zwangsläufig entstünden, wenn im Akutfall zum Beispiel die über 27.000 Arztpraxen in Bayern von einem staatlichen Zentrallager alle schnell beliefert werden müssten.“ Das Lager sollte eine eiserne Reserve sein, wenn es punktuell eng wird. „Sonst wird es im Notfall vielleicht wieder einen bayernweiten Engpass geben, wenn die zweite Welle anrollt.“ (mit dpa)

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