Die Sieben-Tage-Inzidenz hat als Gradmesser für die Corona-Regeln in Bayern ausgedient. Das hat Ministerpräsident Markus Söder in einer Pressekonferenz am Dienstagmittag mitgeteilt. Zuvor hatte sein Kabinett am Vormittag eine neue Corona-Verordnung beschlossen, die ab Donnerstag, 2. September, in Kraft tritt und vorerst bis 1. Oktober gültig ist. Die Inzidenz bleibe zwar wichtig, um den Verlauf der Corona-Infektionen anzuzeigen, so Söder. "Aber sie zieht keine rechtlichen Folgen mehr nach sich."
Neues Kapitel im Kampf gegen Corona? Söder: "Es wird keinen Lockdown mehr geben"
Im Kampf gegen das Coronavirus werde mit der neuen bayerischen Corona-Verordnung ein neues Kapitel aufgeschlagen, sagte der Ministerpräsident. Er verstehe, dass viele Menschen angesichts all der Regeln der Vergangenheit müde seien. Ein neues Kapitel sei nun aber möglich, da sehr viele Menschen bereits über einen vollen Impfschutz verfügen, so Söder. Die Kernfrage in dieser Phase sei nun: Wie gefährlich ist die vierte Welle? Söder sagte: "Sie ist gefährlich, und das bleibt sie." So hohe Todeszahlen wie in den anderen drei Corona-Wellen werde es nicht mehr geben, da viele Menschen bereits zweifach geimpft sind, sagte der Ministerpräsident. Söder versprach auch: "Es wird definitiv keinen Lockdown mehr geben - oder Beschränkungen, wie wir sie lange hatten."
Für Bayern meldet das RKI am Dienstag eine Sieben-Tage-Inzidenz von 70,1, der Freistaat belegt damit Platz neun unter den deutschen Bundesländern. In Bayern sind aktuell 58,7 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft, was im Vergleich zu anderen Bundesländern nur ein niedriger Anteil ist. Auf den Intensivstationen bayerischer Krankenhäuser werden derzeit 157 Menschen behandelt, die Hälfte von ihnen muss beatmet werden.
In der gegenwärtigen Corona-Lage müsse man sich an folgenden Umstand gewöhnen, so Söder: "Wenn die Inzidenz steigt, bedeutet das nicht automatisch mehr Gefahr für uns." Durch die Pandemie der Jüngeren und Ungeimpften sei nach wie vor eine Gefahr gegeben, es liege nun aber ein anderes Ansteckungsrisiko vor als zuvor, das nicht mehr so allgemein gesehen werden könne.
Inzidenz hat ausgedient: Corona-Regeln in Bayern mit Fokus auf 3G-Regel
Im Zentrum der bayerischen Corona-Regeln steht nun eine Strategie unabhängig von der Sieben-Tage-Inzidenz. Der Zugang zum öffentlichen Leben wird durch die 3G-Regel beschränkt. Das heißt: Zugang erhält nur, wer geimpft, genesen oder getestet ist. Diese 3G-Regel gilt für alle Innenräume im Bereich des öffentlichen Lebens mit Ausnahme von ÖPNV und Handel. Weder im Nahverkehr noch in Geschäften sei die 3G-Regel sinnvoll zu kontrollieren, daher müsse an diesen Orten die Maskenpflicht als Schutz ausreichen, so Söder. Auch Gottesdienste sind vom 3G-Modell ausgenommen. In Außenbereichen gilt normalerweise keine 3G-Regel, aber bei Veranstaltungen ab 1000 Menschen soll der Zugang auch zu Outdoor-Veranstaltungen durch die 3G-Regel beschränkt werden.
An diesen Orten des öffentlichen Lebens gilt die 3G-Regel:
- Alten- und Pflegeheime
- Sportstätten und Fitnessstudios
- Kultur, Theater, Kinos, Museen, Gedenkstätten
- Gastronomie und Unterkünfte
- Hochschulen, Krankenhäuser, Bibliotheken und Archive
- Bildungsangebote wie Musikschulen und Erwachsenenbildung
- Freizeiteinrichtungen: Bäder, Thermen, Saunen, Seilbahnen und Ausflugsschiffe
- Spielbanken, touristischen Reisebusverkehr
Für Kinder, die noch nicht eingeschult sind, gibt es Ausnahmen. Schüler werden in den Schulen bereits getestet und müssen für die Einhaltung der 3G-Regel nur ihren Schülerausweis vorzeigen. Die Einhaltung der 3G-Regeln muss von den Betreibern kontrolliert werden. Gäste und Besucher sowie Betreiber, die sich nicht daran halten, müssen mit einem Bußgeld rechnen.
Corona-Tests sind ab 11. Oktober nicht mehr gratis für die Menschen in Deutschland zu bekommen. Wie die bayerische Staatsregierung nun aber entschieden hat, sollen sie kostenlos bleiben für Schul- und Hochschul-Besuche, also dort, wo man hinmuss. Zudem bleiben sie kostenfrei für alle, die man nicht impfen darf.
Krankenhausampel soll Belastung der bayerischen Krankenhäuser anzeigen
Zusätzlich zur 3G-Regel sollen auch die Corona-Fälle in bayerischen Kliniken betrachtet werden. Dazu führt die bayerische Staatsregierung ein Ampelsystem ein. Die Krankenhausampel soll ein Indikator für die Belastung des Gesundheitssystems dienen.
Stufe Gelb ist erreicht, sobald bayernweit innerhalb der jeweils letzten 7 Tage mehr als 1200 Patienten mit einer Covid-19-Erkrankung in Krankenhäuser aufgenommen werden mussten. Das entspricht einer bayernweiten Hospitalisierungs-Inzidenz von 9,13 je 100.000 Einwohner.
Sobald Stufe Gelb erreicht ist, beschließt die Staatsregierung weitergehende Maßnahmen wie beispielsweise:
- FFP2-Maskenpflicht
- Kontaktbeschränkungen
- PCR-Tests werden Pflicht, Schnelltests reichen nicht mehr aus
- Personenobergrenzen für öffentliche und private Veranstaltungen
Stufe Rot ist erreicht, sobald mehr als 600 Patienten mit einer Covid-19-Erkrankung auf den bayerischen Intensivstationen liegen (maßgeblich sind die Zahlen des DIVI-Intensivregisters). Sobald Stufe Rot erreicht ist, wird die Staatsregierung neben den bereits für Stufe Gelb geltenden Regelungen weitere Maßnahmen verfügen, um die akut drohende Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern.
Der limitierende Faktor sei dabei nicht nur das Bett, sondern immer auch das Personal in den Kliniken, sagte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek. Neben den Werten der Krankenhausampel werde die Staatsregierung aber immer auch andere Werte mit in ihre Entscheidungen einbeziehen. So solle auch die Inzidenz unter Jüngeren oder die Inzidenz unter Nicht-Geimpften mit berücksichtigt werden.
3G-Regel statt Inzidenzwert: Das sind die Corona-Regeln im Detail
Welche Corona-Regeln in welchen Bereichen des öffentlichen Lebens künftig gelten, fassen wir hier zusammen. Die neue bayerische Corona-Verordnung tritt am 2. September in Kraft und soll vorerst bis 1. Oktober gültig sein.
Maskenpflicht: Unter freiem Himmel gilt künftig keine Maskenpflicht mehr - außer bei Veranstaltungen ab 1000 Besuchern. In Innenräumen gilt eine generelle Maskenpflicht. Ob man eine FFP2-Maske oder eine medizinische Maske trägt, ist von nun an jedem Menschen in Bayern selbst überlassen. Erst ab der Warnstufe gelb der Krankenhausampel wird eine FFP2-Maske wieder Pflicht.
Private Treffen: In der Familie oder bei Treffen mit Freunden zu Hause gibt es keine Kontaktbeschränkungen oder Maskenpflicht. Bei Familienfeiern in Gaststätten oder an öffentlichen Orten muss allerdings die 3G-Regel eingehalten werden.
Veranstaltungen: Grundsätzlich sind alle Events wieder möglich, egal ob im Sport, in der Kultur, im Tourismus oder bei Messen. Allerdings gilt für Veranstaltungen im Innenbereich grundsätzlich die 3G-Regel. Im Außenbereich und bei Events mit weniger als 1000 Besuchern gilt kein 3G. In Sachen Maskenpflicht können Sport- und Kultur-Veranstalter wählen, ob sie ihre Platzkapazitäten voll ausschöpfen. In diesem Fall muss auch am Platz eine Maske getragen werden. Entscheiden sich Veranstalter dazu, ihre Platzkapazitäten nicht auszuschöpfen, so fällt die Maskenpflicht weg.
Gastronomie: Auch in Lokalen gilt die 3G-Regel. Neu ist, dass es künftig keine coronabedingte Sperrstunde mehr geben soll. Die Maskenpflicht gilt in Gaststätten weiterhin. Ausgenommen sind feste Sitz- und Stehplätze, wenn ein Mindestabstand von 1,5 Metern zu anderen Plätzen eingehalten werden kann, die nicht mit eigenen Haushaltsangehörigen besetzt sind.
Klubs und Diskotheken: Ab Oktober sollen Klubs und Discos in Bayern wieder öffnen. Auch hier gilt das 3G-Prinzip, wobei Menschen, die nicht geimpft oder genesen sind, zwingend einen negativen PCR-Test vorweisen müssen. Ein Schnelltest genügt hier nicht.
Schulen: Es gilt der Präsenzunterricht. Homeschooling oder Wechselunterricht soll es nicht mehr geben, unabhängig von der Inzidenz. Dabei gilt die Maskenpflicht für die Jugendlichen auch am Platz. Ab Schulbeginn sollen zudem alle älteren Schüler künftig dreimal pro Woche auf eine Corona-Infektion getestet werden, die Grundschüler mit dem sichereren PCR-Lollitest zwei Mal pro Woche. Ihr Schülerausweis soll ihnen auch in ihrer Freizeit Zugang zu Orten verschaffen, an denen die 3G-Regel gilt. Wird eine Corona-Infektion per Test in der Schule festgestellt, wird die gesamte übrige Klasse eine Woche lang täglich getestet. Eine automatische Quarantäne der ganzen Klasse soll es nicht mehr geben, nur Schüler mit „ungeschützem engen Kontakt“ zu dem Infizierten sollen mindestens fünf Tage in Isolation.
Hochschulen: Auch an den Unis in Bayern sollen wieder alle Lehrveranstaltungen in Präsenz stattfinden. Auch hier gilt das 3G-Prinzip, wobei Tests für Studierende und Lehrpersonal weiterhin kostenlos sein werden.
Corona-Regeln für Bayern: Pressekonferenz mit Söder zum Nachschauen
Die neuen Regeln sind das Ergebnis einer Video-Schalte des bayerischen Ministerrats. Über die wesentlichen Ergebnisse der Beratung und damit auch über die neue Corona-Regeln für Bayern haben dann ab 13 Uhr Ministerpräsident Markus Söder, Kultusminister Michael Piazolo und Gesundheitsminister Klaus Holetschek informiert. Hier können Sie die Pressekonferenz in voller Länge ansehen.
Sollte das Videoelement zur Pressekonferenz bei Ihnen nicht angezeigt werden, können Sie das Video auch hier öffnen.