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Corona: Impfungen in Supermärkten und Schulen? Kassenärzte kritisieren Söder scharf

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Impfungen in Supermärkten und Schulen? Kassenärzte kritisieren Söder scharf

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    Bayerns Ministerpräsident will Impfungen auch in Supermärkten und Schulen möglich machen.
    Bayerns Ministerpräsident will Impfungen auch in Supermärkten und Schulen möglich machen. Foto: Matthias Bein, dpa

    Mal eben für ein schnelles Abendessen ein paar Eier, Toastbrot und etwas Käse im Supermarkt besorgen. Und nach den Kassen einen Stopp einlegen, um sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen. Es ist eine Vorstellung, die erst mal skurril klingt – aber die Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bald verwirklichen will.

    Söder fordert mobile Impfteams, die in Supermärkten impfen könnten

    Gegenüber der Zeitung Welt kündigte Söder jetzt an, sobald die Priorisierung nach Alter, Beruf und Vorerkrankung gefallen sei, in Sachen Impfungen in Bayern aufs Gas zu drücken. Er wolle dann nicht mehr allein auf die Impfzentren und Hausärzte setzen, sondern neue Anlaufstellen für

    In dieser Reihenfolge wird in Deutschland gegen Corona geimpft

    Die Reihenfolge der Impfungen ist in einer Verordnung des Gesundheitsministeriums festgelegt.

    Zunächst sollen Menschen an die Reihe kommen, die unter "höchste Priorität" eingestuft sind. Dazu gehören Bürgerinnen und Bürger, die älter als 80 Jahre sind, ...

    ...genauso wie Menschen, die in Pflegeheimen betreut werden oder dort arbeiten.

    Auch Pflegekräfte in ambulanten Diensten und Beschäftigte in medizinischen Einrichtungen mit erhöhtem Expositionsrisiko gehören dazu. Darunter fallen: Mitarbeiter in Corona-Impfzentren, Notaufnahmen oder Intensivstationen.

    "Höchste Priorität" haben außerdem Beschäftigte in medizinischen Einrichtungen, die Risikogruppen behandeln. Darunter ist zum Beispiel die Transplantationsmedizin gelistet.

    Als nächstes sollen Menschen geimpft werden, die unter "hohe Priorität" kategorisiert sind. In erster Linie sind das jene, die über 70 Jahre alt sind.

    Auch wer bestimmte Erkrankungen oder Behinderungen aufweist, fällt in diese Kategorie. Dazu gehören Trisomie 21 und Demenz. Auch wer eine Organtransplantation hatte, wird mit hoher Priorität geimpft.

    Es genügt außerdem, Kontaktperson von Menschen in Risikogruppen zu sein, um mit hoher Priorität geimpft zu werden werden. Dazu gehören enge Kontaktpersonen von Menschen über 80, von Schwangeren oder Bewohnern von Pflegeheimen. Auch Personen, die in Einrichtungen für Senioren oder für Menschen mit geistiger Behinderung leben, sollen mit hoher Priorität geimpft werden. Außerdem fallen Pflegerinnen und Pfleger, die Menschen mit Behinderung stationär oder ambulant betreuen, in diese Kategorie.

    Auch bestimmte Berufsgruppen sollen schnell an die Reihe kommen. Vor allem solche, die in der Öffentlichkeit aktiv sind und viel Kontakt zu Bürgern haben. Dazu gehören Polizisten und Ordnungskräfte, die auf Demonstrationen unterwegs sind, sowie Mitarbeiter in Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünften oder Krankenhäusern.

    Als dritte Kategorie definiert das Gesundheitsministerium Menschen mit "erhöhter Priorität". Dazu gehört die Altersgruppe zwischen 60 und 70 Jahren.

    Außerdem sollen dann Menschen geimpft werden, die zwar in medizinischen Berufen arbeiten, aber einem niedrigerem Expositionsrisko ausgesetzt sind. Dazu gehören Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Laboren.

    Erhöhte Priorität haben auch Menschen mit folgenden Krankheiten: Adipositas, chronische Nierenerkrankung, chronische Lebererkrankung, Immundefizienz oder HIV-Infektion, Diabetes mellitus, diversen Herzerkrankungen, Schlaganfall, Krebs, COPD oder Asthma, Autoimmunerkrankungen und Rheuma.

    Auch bestimmte Berufsgruppen fallen in diese Kategorie. Darunter Lehrer und Erzieher, Polizisten, Regierungsmitarbeiter, Verwaltungsangestellte, Feuerwehrmänner und -frauen, Katastrophenschutz, THW oder Justiz.

    Erhöhte Priorität haben außerdem Menschen, die in kritischer Infrastruktur arbeiten. Dazu gehören Apotheken und Pharmawirtschaft, öffentliche Versorgung und Entsorgung, Ernährungswirtschaft, Transportwesen, Informationstechnik und Telekommunikation.

    Auch Personen mit prekären Arbeits- oder Lebensbedingungen werden mit erhöhter Priorität geimpft.

    Wer nicht in eine dieser drei Kategorien fällt, wird ohne Priorität geimpft. Also erst dann, wenn Menschen aus diesen Kategorien an der Reihe waren.

    Darüber hinaus plant Söder, so bald wie möglich auch junge Menschen zu impfen. Schulimpfungen müssten wie Betriebsimpfungen ein fester Baustein sein, wenn man schnell aus der Pandemie herauskommen wolle, sagte er der Welt.

    Impfen im Supermarkt? USA und Israel machen es vor

    Bayern wäre das erste Bundesland in Deutschland, dass Impfungen in Supermärkten und Schulen anbieten würde. Anders sieht es im internationalen Vergleich aus. In den USA oder Israel beispielsweise werden Impfungen bereits seit einiger Zeit in der Gastronomie, beim Möbelhändler oder in Supermärkten angeboten. Rechtlich sei dies auch in Deutschen Apotheker Zeitung zitiert. Es sei nach aktueller Gesetzeslage möglich, Ärzte zu engagieren, Stationen aufzubauen und in Supermärkten impfen zu lassen.

    Geschäftiges Treiben an einer «Drive-Thru»-Impfstelle in Orlando, Florida.
    Geschäftiges Treiben an einer «Drive-Thru»-Impfstelle in Orlando, Florida. Foto: Paul Hennessy, dpa

    Doch wie sinnvoll wären solche Anlaufstellen in Bayern tatsächlich? Auf Nachfrage unserer Redaktion erklärte ein Sprecher des bayerischen Gesundheitsministeriums: „Wenn es in den kommenden Wochen zu einer deutlichen Erhöhung der Impfstofflieferungen kommen sollte, muss über weitere Impfmöglichkeiten nachgedacht und deren Umsetzbarkeit geprüft werden. Dieser Prozess hat nun begonnen.“

    Alles andere als begeistert ist allerdings die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB). Mitglieder des Vorstands kritisierten am Donnerstag den Vorschlag des Ministerpräsidenten scharf. Er sei „abwegig und nicht zielführend“, erklärten sie. „Corona-Schutzimpfungen gehören in die Praxen, nicht in die Supermärkte.“

    Unterallgäuer Mediziner: Impfen gehört in die Hände der Ärzte und in die medizinischen Einrichtungen

    Skeptisch ist auch Max Kaplan. Der ärztliche Koordinator im Unterallgäu leitet das Impfzentrum in Bad Wörishofen und kennt die Schwierigkeiten, warum der Impfturbo nicht richtig in Gang kommt. „Abgesehen von der Frage, wo geimpft wird, ist Voraussetzung Nummer eins für eine erfolgreiche Impfstrategie, dass wir genug Impfstoff bekommen“, sagt er. „Doch es kommt viel zu wenig in den Impfzentren und den Praxen an.“ Gleiches kritisiert die KVB: Es könnte weit mehr geimpft werden, wenn „mehr Planbarkeit in Bezug auf die für die Praxen vorhandenen Impfstoffmengen vorhanden wäre“.

    Kaplan ist überzeugt, dass das Impfen in die Hände der Ärzte und in die medizinischen Einrichtungen gehöre. „Die Sicherheit der Impflinge ist sehr wichtig. Es kann sein, dass es zu einer Impfkomplikation wie einem anaphylaktischen Schock kommt.“ Dann müssten Ärzte sofort handeln. Im Impfzentrum gebe es dafür einen sogenannten Schockraum, in dem Patienten behandelt werden könnten. Auch Arztpraxen seien dementsprechend ausgerüstet und vorbereitet, das Personal für solche Notfälle ausgebildet, falls es zu einer Komplikation kommt. „Im Supermarkt oder in der Schule gibt es so etwas nicht. Eine Behandlung bei einem allergischen Schock ist dort nicht möglich“, erklärt Kaplan. Deshalb sagt er: „Die Impfzentren, die Hausärzte und die Betriebsärzte, das sind für mich die drei Säulen einer erfolgreichen Impfstrategie in Bayern. Sobald wir genug Impfstoff haben, sind wir hervorragend aufgestellt, damit der Impfturbo starten kann.“

    Mehr als ein Viertel der Menschen in Bayern einmal geimpft

    Derzeit ist bereits mehr als ein Viertel der Menschen in Bayern mindestens einmal gegen Corona geimpft worden. Wie das bayerische Gesundheitsministerium am Mittwoch mitteilte, haben inzwischen 25,5 Prozent der Bevölkerung im Freistaat eine Impfung gegen das Coronavirus erhalten. Eine Zweitimpfung haben demnach bereits rund sieben Prozent der Menschen in Bayern bekommen.

    Nach Angaben von Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) wurde am Dienstag zudem mit 130.339 Impfungen ein neuer Tageshöchstwert in Bayern erreicht. Mit 72.877 Dosen wurden dabei mehr als die Hälfte der Impfungen in Arztpraxen verabreicht. Im Schnitt würden im Freistaat täglich nun rund 64.000 Menschen geimpft, sagte Holetschek. "Das zeigt: Wir sind auf dem richtigen Weg."

    Weitere rund drei Millionen Menschen haben demnach zudem Impftermine in den bayerischen Impfzentren und Krankenhäusern erhalten. Dazu kommen Impftermine in Haus- und Facharztpraxen. (mit dpa)

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