So groß die Erleichterung bei den Freien Wählern auch ist, dass ihr Parteichef, Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, sich nun doch hat impfen lassen, so sehr sorgen interne Vorgänge für Ärger. Der schwäbische Landtagsabgeordnete und parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Fabian Mehring, musste jede Menge Kritik einstecken, nachdem er Aiwanger im Interview mit unserer Redaktion aufgefordert hatte, sich endlich impfen zu lassen.
Mehring soll gewusst haben, dass sich sein Parteichef impfen lassen will
Eigentlich hatte Mehring nur ausgesprochen, was sich viele Mitglieder der Landtagsfraktion der Freien Wähler seit Monaten denken und einige Parteimitglieder bereits vor ihm öffentlich gefordert hatten. Das Problem an der Sache aber ist offenbar der Zeitpunkt. Sein schwäbischer Abgeordnetenkollege Bernhard Pohl und andere Mitglieder der Fraktion werfen Mehring vor, dass er, als er seinen Parteichef öffentlich zum Impfen aufforderte, längst gewusst habe, dass Aiwanger sich impfen lassen will.
Mehring bestreitet das. Er räumt zwar ein, dass Aiwanger, der mit einer Erkältung daheim geblieben und der Sitzung des Fraktionsvorstands am Montagabend nur digital zugeschaltet war, dort angekündigt habe, über eine Impfung „nachzudenken“. Dass er es tatsächlich tun werde, aber habe er noch nicht geglaubt. Die Stimmung in der Fraktion, so Mehring, sei allerdings eindeutig gewesen. Eine überwältigende Mehrheit der Fraktionsmitglieder sei der Meinung gewesen, dass es an der Zeit sei, dass Aiwanger sich impfen lasse. Und er, Mehring, habe nicht mehr getan, als dieser Forderung öffentlich Nachdruck zu verleihen. Dass Aiwanger nun zur Tat geschritten ist, verbucht er als seinen Erfolg.
Dieser Darstellung widersprachen am Donnerstag im Landtag gleich mehrere Abgeordnete der Freien Wähler. Fraktionschef Florian Streibl sagte auf Nachfrage unserer Redaktion: „Hubert Aiwanger hat im Fraktionsvorstand angekündigt, dass er sich impfen lassen will. Darüber waren wir alle sehr froh.“ Das bestätigte auch der Allgäuer Abgeordnete, Landtagsvizepräsident Alexander Hold. Allen sei klar gewesen, dass Aiwanger sich impfen lassen werde.
Dass der interne Streit einen Schatten auf die Umkehr Aiwangers in der Impffrage wirft, will allerdings niemand bei den Freien Wählern. Das betonten unisono alle Beteiligten.
Aiwanger könne bereits im November an 2G-Verstanstaltungen teilnehmen
Aiwanger machte seine Impfung am Donnerstagvormittag öffentlich. Der Deutschen Presse-Agentur teilte er mit: „Ich bin mittlerweile gegen Corona geimpft und kann noch im November 2G-Termine wahrnehmen.“ Der Wirtschaftsminister, der zugleich stellvertretender bayerischer Ministerpräsident ist, begründete seine Entscheidung mit der schwierigen Lage in den Kliniken, die mit schnell steigenden Zahlen von Corona-Intensivpatienten konfrontiert sind. „Das hilft auch, Krankenhäuser zu entlasten.“
Während des Bundestagswahlkampfes hatte es wochenlange Auseinandersetzungen mit der CSU gegeben. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte Aiwangers anfängliche Impfskepsis scharf kritisiert und ihm vorgehalten, Regierungsmitglieder müssten Vorbilder sein. CSU-Politiker hatten Aiwanger außerdem vorgeworfen, im Lager von Querdenkern und Impfgegnern auf Stimmenfang gehen zu wollen. Der Freie Wähler-Chef dagegen betonte stets, dass er kein Impfgegner sei.
Söder reagierte versöhnlich. „Das ist ein sehr gutes Signal in ernsten Zeiten“
Jetzt sagte er: „Ich habe bereits im Sommer gesagt, dass ich mir die Impfung überlege und dass die Krankheitsverläufe besonders bei gefährdeten Personen mit Corona-Impfung milder sind.“ Einzelheiten zu seiner Impfung nannte Aiwanger nicht – er wolle keine Show-Veranstaltung daraus machen.
Söder reagierte versöhnlich. „Das ist ein sehr gutes Signal in ernsten Zeiten“, sagte der Ministerpräsident und betonte, dass er sich freue, sagen zu können, „dass jetzt alle Mitglieder des bayerischen Kabinetts geimpft sind.