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Corona: Der Ärger mit den vollen Schulbussen während der Corona-Pandemie

Corona

Der Ärger mit den vollen Schulbussen während der Corona-Pandemie

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    Abstand halten, das ist im Schulbus kaum möglich. Wie lässt sich das Ansteckungsrisiko in der Corona-Pandemie verringern?
    Abstand halten, das ist im Schulbus kaum möglich. Wie lässt sich das Ansteckungsrisiko in der Corona-Pandemie verringern? Foto: Marijan Murat, dpa (Symbolfoto)

    "Was kommt da auf meine Kleinen zu?", fragt Hermann Endres. Seine "ehemaligen Kleinen", berichtigt sich der 66-Jährige, denn er ist seit einem Jahr nicht mehr Schulleiter des Gymnasiums in Lindenberg (Kreis Lindau). Trotzdem sind es für ihn "seine" Schüler. Und für die geht das neue Schuljahr bald wieder los. Dann werden täglich Tausende Kinder und Jugendliche in Bayern in die Schule fahren, viele mit dem Bus. Die Busse sind häufig überfüllt. Was normalerweise unangenehm ist, wird während der Pandemie zur Gefahr. Abstand halten ist in Schulbussen bisher kaum möglich.

    Das Nadelöhr der Schulbusse sei eines, über das bisher kaum gesprochen wird, warnt Endres. "Die Schüler werden richtig in die Busse hineingestopft", erzählt der ehemalige Schulleiter. Er habe schon Fälle erlebt, in denen ein Bus voller Schüler von der Polizei angehalten wurde, weil er überladen war. Die Situation sei also ohnehin nicht gut – in Corona-Zeiten bestehe nun aber zusätzlich die Ansteckungsgefahr, auch wenn im Bus die Maskenpflicht gilt. Weil im Schulbus Kinder aus verschiedenen Klassen und verschiedenen Gemeinden zusammenkommen, könnte sich das Virus schnell von einer Kommune zur anderen ausbreiten.

    Mehr Busse sollen in der Corona-Pandemie das Ansteckungsrisiko senken

    Wie das verhindert werden kann, fragen auch die Grünen im Bayerischen Landtag in Person von Martin Stümpfig. Der Abgeordnete forderte vergangene Woche, dass zusätzliche Busse eingesetzt werden müssten – das würde die Schülermassen etwas entzerren und den Schulen auch ermöglichen, flexible Unterrichtsmodelle umzusetzen.

    Verkehrsministerium und Kultusministerium verweisen in einer gemeinsamen Stellungnahme darauf, dass es sich bei der Schülerbeförderung um eine kommunale Pflichtaufgabe handelt. Zuständig für die Organisation und Sicherheit seien also die kommunalen Aufgabenträger – das sind bei Grund- und Mittelschulen im Normalfall die Städte und Gemeinden, bei weiterführenden Schulen die Landkreise oder kreisfreien Städte.

    Was das Ministerium aber machen möchte, ist, einen Austausch zu ermöglichen. Dafür gibt es eine Online-Plattform. Dort können sich die kommunalen Aufgabenträger einloggen und mit den Verkehrsunternehmen vernetzen. Der Landesverband Bayerischer Omnibusunternehmen (LBO) vermittle die Busunternehmen, die noch Kapazitäten haben, an Aufgabenträger, die zusätzliche Busse benötigen. Stephan Rabl, Geschäftsführer des LBO, erklärt, dass es durchaus eine ganze Menge Busse und auch Busfahrer gebe, die bereitstünden.

    Stephan Rabl ist Geschäftsführer des Landesverbandes der Bayerischen Omnibusunternehmen. Er sagt, die Mitgliedsunternehmen könnten zusätzliche Busse bereitstellen. Offen ist die Frage der Finanzierung.
    Stephan Rabl ist Geschäftsführer des Landesverbandes der Bayerischen Omnibusunternehmen. Er sagt, die Mitgliedsunternehmen könnten zusätzliche Busse bereitstellen. Offen ist die Frage der Finanzierung. Foto: LBO

    Man sei gerade noch dabei, die Kapazitäten der Mitgliedsunternehmen zu ermitteln. Das habe man aber im Frühling bereits einmal gemacht und damals meldeten die Unternehmen 1200 verfügbare Busse mit rund 50.000 Sitzplätzen. Wegen der Corona-Maßnahmen fuhren keine Reisebusse, und auch für Ausflugsfahrten wurden keine Busse gebucht. Die Fahrer wurden meist in Kurzarbeit geschickt. Zwar gebe es inzwischen wieder einige Reisebus-Fahrten, doch das Angebot sei nach wie vor stark eingeschränkt, erklärt Rabl. Er rechne damit, dass mehrere Hundert Busse der Mitgliedsunternehmen bereitstehen werden. "Die könnte man auch kurzfristig einsetzen", sagt Rabl. Die Busfahrer wären froh, wenn sie aus der Kurzarbeit zurückkehren könnten, die Unternehmen brauchen dringend Aufträge, schließlich sind vielen zeitweise 100 Prozent der Umsätze weggebrochen.

    Wer zahlt für zusätzliche Busse in der Corona-Krise?

    Die Busunternehmen hoffen also, dass der größere Schulbusbedarf ihnen in finanziell schwierigen Zeiten hilft – und sie bei der Corona-Prävention helfen können. Das könnte eine Win-Win-Situation sein. Die Frage ist nur: Wer zahlt's? "Das ist noch in der Klärung", sagt Rabl.

    Wie Michael Graß vom Bayerischen Landkreistag erklärt, ist die Rechtslage eigentlich klar: "Für die Schülerbeförderung ist der Sachaufwandsträger zuständig" – also je nach Schulart die Gemeinde, Stadt oder der Landkreis. Doch über den Finanzausgleich übernimmt der Freistaat pauschal einen Teil der Kosten, aktuell sind das etwa 60 Prozent. Wenn jetzt einzelne Kommunen zusätzliche Busse einsetzen und damit die Kosten steigen, könne man davon ausgehen, dass diese Kosten im gleichen Maße getragen werden – wenn die zusätzlichen Busse als nötig angesehen werden. Der größte Teil der Schüler fährt allerdings gar nicht mit explizit für sie vorgesehenen Schulbussen, sondern mit dem normalen öffentlichen Personennahverkehr in die Schule. Und Graß weist darauf hin, dass eine Abstandsregelung im ÖPNV nicht vorgesehen ist - dort gilt stattdessen die Maskenpflicht.

    Die Grünen fordern hingegen, dass der Freistaat einspringt und die zusätzlichen Kosten für Extra-Busse übernimmt: Sonst hänge "die Gesundheit der Schulkinder von der Finanzkraft der Kommunen ab. Hier braucht es ein deutliches finanzielles Engagement – und zwar ab jetzt, damit es ab 8. September nicht zu einem Schulwegfiasko kommt", betonte Landtagsabgeordneter Stümpfig.

    Auch Rabl vom Omnibusverband befürchtet, dass die Kosten für zusätzliche Busse für klamme, selbst stark von der Krise getroffene Kommunen zu viel sind. "Deswegen sprechen wir uns klar dafür aus, dass der Freistaat das zu 100 Prozent übernimmt", sagt Rabl. Viele Kommunen müssten gerade ihr Geld zusammenhalten, gleichzeitig könnten die Unternehmen natürlich nicht umsonst arbeiten. In anderen Bundesländern, etwa Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, haben die Landesregierungen Unterstützungen beschlossen. Dort läuft die Schule bereits seit Mitte August wieder.

    Der ehemalige Schulleiter Hermann Endres befürchtet, dass die Schüler vergessen werden. Mal wieder, so sagt er es. Denn das kenne er bereits von Themen wie der lange vernachlässigten Digitalisierung der Schulen. Dort sei immer wieder auf die Lehrer geschimpft worden, davon geredet worden, dass es vorangehen müsste. Doch es fehle schlicht am Geld, so der Ex-Schulleiter. "Diese Missachtung sehe ich gerade wieder auf die Schüler zukommen", sagt Endres.

    Lesen Sie dazu auch unseren Kommentar: Überfüllte Schulbusse drohen: Bayern hat die Ferien nicht genutzt

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