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Corona-Ampel in Bayern: Wie lange bleibt sie grün?

Corona-Regeln

Wie lange bleibt die Corona-Ampel in Bayern grün?

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    Steigen die Patientenzahlen in den Kliniken, dann schaltet die Krankenhaus-Ampel von Grün auf Gelb um.
    Steigen die Patientenzahlen in den Kliniken, dann schaltet die Krankenhaus-Ampel von Grün auf Gelb um. Foto: Anne Wall

    Wohl noch nie wurde so oft über Ampeln gesprochen wie in diesen Tagen. Zum einen ist da die anstehende Bundestagswahl und ein denkbares Bündnis aus Rot, Grün und Gelb. Zum anderen – natürlich – die Corona-Pandemie, der die Politik im Freistaat nun mit einer Krankenhaus-Ampel beikommen will. „Das ist eine grundlegende Richtungsweisung im Kampf gegen Corona“, sagt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. „Ein neues Kapitel.“

    Diese neuen Seiten, die nun also im Corona-Drama aufgeschlagen werden, bedeuten vor allem eine Abkehr von der Sieben-Tage-Inzidenz, die in den vergangenen anderthalb Jahren so etwas wie die Fieberkurve der Republik war. Stattdessen ist jetzt die Klinik-Ampel maßgeblich, die auf Gelb schaltet, wenn bayernweit innerhalb von sieben Tagen mehr als 1200 Patienten mit einer Corona-Erkrankung neu in Krankenhäuser aufgenommen werden mussten. Dann soll es schärfere Maßnahmen geben – etwa die Rückkehr zur FFP2-Maskenpflicht. Auf Rot schaltet die Ampel, wenn mehr als 600 Corona-Patienten auf den Intensivstationen des Freistaats liegen. Welche Maßnahmen dann getroffen werden, ist allerdings noch offen.

    Derzeit leuchtet die Krankenhaus-Ampel grün

    Derzeit leuchtet die Ampel grün. In den vergangenen sieben Tagen mussten im Freistaat 232 Menschen wegen einer Corona-Infektion in ein Krankenhaus eingewiesen werden (Stand Mittwoch). Viele Mediziner befürchten aber bereits, dass sich die Situation in den kommenden Wochen verschlimmern wird. „Die Fallzahlen steigen in den letzten Tagen konstant“, sagt etwa Professor Dr. Michael Beyer, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des Augsburger Universitätsklinikums. Aktuell würden dort 14 Corona-Fälle auf der Normalstation und 15 auf der Covid-Intensivstation behandelt. Nur ein stationär behandelter Patient ist Beyer zufolge mit einem in Europa nicht zugelassenen Impfstoff geimpft, alle anderen sind ungeimpft.

    Am Augsburger Uniklinikum werden derzeit 14 Corona-Fälle auf der Normalstation und 15 auf der Covid-Intensivstation behandelt.
    Am Augsburger Uniklinikum werden derzeit 14 Corona-Fälle auf der Normalstation und 15 auf der Covid-Intensivstation behandelt. Foto: Silvio Wyszengrad

    Vor allem die intensivmedizinische Behandlung der Covid-19-Kranken sei enorm aufwendig, fährt Beyer fort. Die neue Krankenhaus-Ampel ordnet er angesichts dessen so ein: „Der Wert von 600 Intensivpatienten der ,roten Stufe‘ entspricht circa 15 Prozent der betreibbaren Intensivkapazitäten in Bayern und dürfte ein frühzeitiger, zusätzlicher Indikator sein, weitere Maßnahmen zu ergreifen, um die Infektionszahlen zu senken.“

    Die Kliniken füllen sich bereits wieder

    Dr. Wolfgang Geisser, Ärztlicher Direktor der Kreisklinik Dillingen, äußert sich ähnlich wie sein Augsburger Kollege. Schon jetzt zeichne sich ab, dass die Zahlen stark ansteigen. „Wir spüren eine Zunahme der Krankenhauspatienten. Und wir sehen, dass die Menschen, die wegen Covid behandelt werden müssen, sehr jung sind“, sagt er. „Wir Intensivmediziner befürchten, dass sich die Situation in den kommenden Wochen deutlich verschlimmern wird.“ Auch viele Kinder seien gefährdet, fährt Geisser fort. „Kinder erkranken auch, sie sind für eine Infektion genauso anfällig wie Erwachsene. Schwere Verläufe sind glücklicherweise seltener, aber es gibt sie.“ Man müsse nur in die USA blicken. In Bundesstaaten wie etwa Florida, in denen es an Schulen keine Schutzmaßnahmen mehr gebe, seien die Kinderkliniken voll.

    Alle Corona-Patienten des Landkreises Dillingen werden Geisser zufolge im Wertinger Krankenhaus behandelt. Derzeit sind es fünf, zwei davon liegen auf der Intensivstation. Das klingt nicht nach sonderlich viel – in der Relation zu den verfügbaren Betten sieht die Sache aber anders aus. „Es gibt in Wertingen sechs Intensivbetten. Zwei davon sind bereits jetzt mit Covid-Patienten über eine lange Zeit belegt.“

    Mehr als 1000 Covid-Patienten liegen auf deutschen Intensivstationen

    Dass die Zahlen der Corona-Patienten wieder steigen, bestätigt auch die Deutsche Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi). Erstmals seit dem 18. Juni werden wieder mehr als 1000 Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen in Deutschland behandelt, wie aus einer aktuellen Datenerfassung des Intensivregisters hervorgeht. „Seit gut einem Monat steigen die Patientenzahlen wieder an – noch ist die Situation auf den Intensivstationen aber zu bewältigen“, sagt Divi-Präsident Professor Gernot Marx in einem Pressestatement. Damit es nicht zu einer Überlastung komme, müsse man aufs Impftempo drücken. „Wir wissen mittlerweile aus der Forschung, dass die Steigerung der Impfquote – und sei es nur um wenige Prozentpunkte – schon eine große Auswirkung auf die Zahl intensivpflichtiger Covid-19-Patienten haben kann.“

    Das Intensivregister hat auch aufgeschlüsselt, wie die Situation in den vergangenen Monaten im Freistaat aussah: Demnach gab es Anfang Januar dieses Jahres mehr als 900 intensivmedizinisch behandelte Covid-19-Fälle in Bayern. Hätte es die Klinik-Ampel damals schon gegeben, wäre sie tiefrot gewesen. Das gilt auch für Ende April, als es mehr als 780 Corona-Intensivfälle im Freistaat gab. Aktuell liegen die Zahlen deutlich niedriger. Für den 1. September wurden 169 Patientinnen und Patienten gemeldet, die derzeit auf einer bayerischen Intensivstation liegen.

    Am Ampel-Modell der Staatsregierung gibt es auch Kritik

    Am Ampel-Modell, das die Krankenhäuser vor einer Überlastung bewahren soll, gibt es auch Kritik. Aus Sicht der Deutschen Stiftung Patientenschutz geht das Konzept an der Realität vorbei. Eugen Brysch, der Vorsitzende, spricht in einem Interview von einer unsinnigen Unterscheidung zwischen normalen Krankenhausbetten und Intensivbetten. „In der Hochzeit der Belegung hatten wir sehr viel mehr Menschen auf Normal- als auf Intensivstation. Hier eine Differenzierung zu machen, wird der Wirklichkeit nicht gerecht.“ Ähnlich äußert sich Roland Engehausen, Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, gegenüber unserer Redaktion: „Überrascht sind wir, dass für die Gelb-Phase ausschließlich der Sieben-Tages-Wert der Krankenhaus-Neuaufnahmen von Corona-Erkrankten gilt. Und für die Rot-Phase ausschließlich die Gesamt-Belegung mit Corona-Patienten auf Intensivstationen in Bayern bewertet wird.“ Beide Parameter seien aus seiner Sicht für die gelbe Vorwarnstufe und die Rotphase relevant.

    Und noch etwas sorgt für Diskussionen: Die Hospitalisierungszahlen werden bayernweit erfasst, die Maßnahmen sollen aber gegebenenfalls vor Ort geplant werden. Details, wie das aussehen soll, gibt es nicht. „Es ist völlig unklar, wie Regionen oder Kommunen gezielte Maßnahmen ergreifen sollen, wenn der Hauptindikator die bayernweite Krankenhaus-Ampel ist“, sagt Christina Haubrich, die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen im Bayerischen Landtag. „Entweder müsste man die Krankenhaus-Ampel nach Regionen differenzieren oder aber es braucht zusätzliche Indikatoren, die eine differenziertere Bewertung vor Ort erlauben.“ Bis jetzt sei auch unklar, was beim Umspringen der Krankenhaus-Ampel auf Gelb oder Rot passieren soll. „Was bedeutet das für Schulen, Kitas, Krankenhäuser und Homeoffice? Die Infektionszahlen steigen, da kann man diese Fragen nicht einfach unbeantwortet lassen.“

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