Im Rechtsstreit um das Testament des umstrittenen Kunstsammlers Cornelius Gurlitt ist noch immer kein Ende in Sicht. Seine Cousine hat vor dem Oberlandesgericht (OLG) München drei Gegengutachten vorgelegt, die beweisen sollen, dass Gurlitt nicht Herr seiner Sinne war, als er sein Testament verfasste. Das teilten ihre Anwälte am Mittwoch in München mit. Das OLG bestätigte den Eingang der Stellungnahme.
Ein vom Gericht bestellter Sachverständiger war zuvor in einem 146 Seiten langen medizinischen Gutachten dagegen zu dem Schluss gekommen, Cornelius Gurlitt sei testierfähig gewesen und habe seine Kunstschätze im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte an das Kunstmuseum Bern vererbt. Die Cousine Uta Werner erhebt selbst Anspruch auf das millionenschwere Erbe und die Sammlung, deren Fund die Kunstwelt 2013 in Atem hielt.
Der Fall Cornelius Gurlitt
22. September 2010: Der Kunsthändlersohn Cornelius Gurlitt wird auf einer Zugfahrt von Zürich nach München kontrolliert. Zollfahnder schöpfen Verdacht, es könne ein Steuerdelikt vorliegen.
23. September 2011: Das Amtsgericht Augsburg bewilligt einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss für Gurlitts Münchner Wohnung.
28. Februar 2012: Gurlitts Wohnung in München-Schwabing wird durchsucht. Die Fahnder entdecken rund 1280 wertvolle Kunstwerke. Der Fund wird geheim gehalten, die Berliner Kunstexpertin Meike Hoffmann mit der Erforschung der Herkunft beauftragt.
3. November 2013: Das Nachrichtenmagazin «Focus» bringt den Fall an die Öffentlichkeit und sorgt damit für eine Sensation.
11. November 2013: Die ersten 25 Werke werden auf der Plattform «lostart.de» veröffentlicht - nach und nach folgen alle weiteren unter Verdacht stehenden Werke. Eine Taskforce wird eingesetzt, sie soll die Herkunft der Bilder erforschen.
19. November 2013: Die Behörden teilen mit, dass Gurlitt Hunderte Bilder zurückbekommen soll, die ihm zweifelsfrei gehören. Den Angaben zufolge scheiterten mehrere Übergabeversuche.
23. Dezember 2013: Es wird bekannt, dass Gurlitt unter vorläufige Betreuung gestellt wird.
28. Januar 2014: Die Taskforce gibt bekannt, dass nach einer ersten Sichtung 458 Werke aus Gurlitts Sammlung unter Raubkunstverdacht stehen. Gurlitts damaliger Anwalt, Hannes Hartung, sagt, sein Mandant sei gesprächsbereit und an einer «fairen und gerechten Lösung» interessiert.
3. Februar 2014: Gurlitts Anwälte teilen mit, dass sie Anzeige gegen unbekannt stellen, weil vertrauliche Informationen aus den Ermittlungsakten an die Öffentlichkeit gerieten.
10. Februar 2014: Nach Angaben von Gurlitts Sprecher Stephan Holzinger wurden mehr als 60 weitere wertvolle Bilder in Gurlitts Haus in Salzburg gesichtet und an seinen sicheren Ort gebracht - darunter Werke von Picasso, Renoir und Monet.
19. Februar: Gurlitts Anwälte geben bekannt, dass sie beim Amtsgericht Augsburg Beschwerde gegen die Beschlagnahmung der Kunstsammlung eingelegt haben.
24. und 28. Februar: Bei weiteren Besichtigungen des Salzburger Anwesens von Gurlitt werden zahlreiche weitere Kunstgegenstände «in einem zuvor nicht zugänglichen Teil des alten Hauses» gefunden.
5. März: Das Amtsgericht München ordnet die weitere Betreuung Gurlitts an. Sie soll zunächst bis Ende des Jahres gelten.
26. März: Gurlitts Betreuer Christoph Edel lässt mitteilten, dass die Salzburger Sammlung Gurlitts nicht nur 60, sondern 238 Werke umfasst. Außerdem gibt er bekannt, dass Gurlitt sich bereiterklärt, als Raubkunst anerkannte Bilder aus der Schwabinger Sammlung an die Erben jüdischer Vorbesitzer zurückzugeben. Den Anfang soll die «Sitzende Frau» von Henri Matisse machen.
7. April: Gurlitt unterzeichnet einen Vertrag mit der Bundesregierung, in dem er sich bereiterklärt, Bilder, bei denen es sich um Nazi-Raubkunst handelt, freiwillig zurück zu geben. Ein Jahr soll die Taskforce Zeit haben, die rund 500 verdächtigen Bilder aus seiner Sammlung zu überprüfen. Danach gehen sie an Gurlitt zurück. (dpa)
6. Mai: Cornelius Gurlitt stirbt im Alter von 81 Jahren. Seine gesamte Bildersammlung vermacht er einem Kunstmuseum in Bern.
24. November: Nach längerer Bedenkzeit erklärt das Kunstmuseum Bern, das Erbe von Cornelius Gurlitt annehmen zu wollen. Bilder, die unter Raubkunstverdacht stehen, bleiben aber zunächst in Deutschland.
Zwei der drei nun von ihr vorgelegten Gutachten kommen zu dem Ergebnis, dass Gurlitt bei der Unterzeichnung seines Testamentes nicht testierfähig war, ein drittes sieht bei dem Gerichtsgutachten methodische Fehler. "Damit artikulieren und belegen die Gutachter berechtigte Zweifel an der Richtigkeit des vorliegenden Gerichtsgutachtens", heißt es in einer Mitteilung der Anwälte. "Das Oberlandesgericht ist nun aufgefordert, die Widersprüche in den Gutachten gegebenenfalls durch Beiziehung eines Obergutachters zu klären."
Der Rechtsstreit läuft seit November 2014
Damit könnte sich die endgültige Entscheidung des Gerichtes über die Rechtmäßigkeit des Testaments noch weiter verzögern. Die Anwälte von Uta Werner gehen davon aus, dass es möglicherweise erst in der zweiten Jahreshälfte soweit sein wird. Der Rechtsstreit läuft seit November 2014.
2013 wurde bekannt, dass bereits 2012 rund 1280 Kunstwerke in Gurlitts Münchner Wohnung von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt worden waren. Zwei Jahre später tauchten weitere 238 Gemälde in seinem verwahrlosten Haus in Salzburg auf. Bei Hunderten davon bestand Verdacht auf Nazi-Raubkunst. Eine Taskforce, die die Herkunft der Bilder klären sollte, stellte ihre Arbeit zum Jahresende 2015 ein. Gurlitt war am 6. Mai 2014 in seiner Schwabinger Wohnung gestorben - ohne seine Bilder noch einmal gesehen zu haben. lby/AZ