Wenn der Opa in die Disco geht und versucht, auf der Tanzfläche eine gute Figur zu machen, dann kann das eine Sensation werden. Theoretisch. Praktisch wird es in den meisten Fällen in die Hose gehen. So ähnlich kann man sich die Sache mit der CSU bei Youtube vorstellen. Seit der Influencer Rezo im Bundestagswahlkampf die CDU aufgemischt hat, versuchen die Strategen in den Parteizentralen der Union verzweifelt nach Wegen, irgendwie hip rüberzukommen bei den heiß begehrten Jungwählern. Doch sie ernten überwiegend nur Hohn und Spott – erst die CDU, die keine netzadäquate Antwort auf Rezo fand, jetzt die CSU-Landesgruppe im Bundestag, die mit ihrem Social-Media-Chef Armin Petschner einen echten Internet-Profi ins Rennen schicken wollte.
Die erste Folge von "CSYOU" wird zu einem Kommunikationsdesaster
Über mangelnde Aufmerksamkeit kann der CSU-Armin sich zwar nicht beklagen. 473.668-mal wurde sein Video „CSYOU Episode1“ seit vergangenen Samstag aufgerufen (Stand: Dienstag, 3. September, 11.30 Uhr). Doch er erntete nur magere 2770 „Likes“. 98.368 Zuschauer dagegen senkten den Daumen und drückten den „Gefällt-mir-nicht“-Knopf. Für alle, die mit den Gepflogenheiten im Netz nicht so vertraut sind: Man könnte hier durchaus von einem Kommunikationsdesaster sprechen. Schließlich hätten zumindest die rund 23.000 Mitglieder der Jungen Union in Bayern ihrer Partei mit ein paar kurzen Klicks helfen können.
Andererseits: Ist Aufmerksamkeit nicht schon ein Wert an sich? In der realen Politik ist es ja nicht viel anders. Auch da versucht CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt immer mal wieder zu zeigen, dass es neben dem derzeit übermächtigen CSU-Chef Markus Söder zumindest noch einen anderen gibt, der in der Partei etwas zu sagen hat. Zuletzt hat er sich mit der Forderung nach einer Steuer auf Billigflugtickets – „Klimaschutz statt Kampfpreise“ – erfolgreich ins Gespräch gebracht. Sei’s drum, dass diese Forderung von CSU-Generalsekretär Markus Blume gleich wieder kassiert wurde. Über Dobrindt wurde wieder geredet, wenn auch nicht gerade frohlockt.
CSU-Landesgruppe beteuert, bei "CSYOU" keine Kommentare zu löschen
Mit dem Video ist es in gewisser Weise ähnlich. Man ist im Gespräch. Und man habe, so heißt es in der CSU-Landesgruppe, durchaus damit gerechnet, dass sich die Netzgemeinde gestört fühlen könnte, wenn ausgerechnet die CSU mit so einem Format daherkommt. Von der Heftigkeit der Reaktionen aber war man dann doch überrascht. Vor allem der wiederholte Vorwurf, man habe Kommentare gelöscht, ist nach Aussage eines Sprechers völlig aus der Luft gegriffen. „Wir haben nichts gelöscht und wir löschen auch nichts. Bei mittlerweile mehr als 24.000 Kommentaren alleine bei Youtube wäre das auch ein hoffnungsloses Unterfangen.“
Tatsächlich lassen die kritischen Kommentare unter dem Video kaum Fragen offen. Effekthascherisch, nervig, peinlich, lächerlich oder zum Fremdschämen („cringe“) finden ungezählte Zuschauer das Video. Sogar wohlmeinende Kommentatoren, die nach eigenen Angaben überzeugte CSU-Wähler sind, werfen der Partei „unglaubhafte Anbiederung“ vor. Sie versuche, „zwanghaft jemand anders zu sein“. Das könne nicht gut gehen.
Das "CSYOU"-Video stammt von der CSU-Landesgruppe, nicht von der CSU
In der Parteizentrale in München sieht man das offenbar ähnlich. Eine offizielle Reaktion war zwar nicht zu erhalten. Da möge man doch bitte in Berlin anrufen. Im Hintergrund aber hieß es, dass dieses Format, die Rezos dieser Welt im Netz mit ihren eigenen Waffen schlagen zu wollen, „wohl keine Zukunft haben wird“. Außerdem sei es „nicht gerade klug“, die Klimaaktivistin Greta Thunberg so hart anzugehen. Und dass die Partei als Ganzes jetzt den Spott hat, schmeckt den Chefstrategen der CSU auch nicht. Für flüchtige Zuschauer sei nämlich nicht erkennbar, dass die CSU-Landesgruppe das Video aus eigener Herrlichkeit produziert und ins Netz gestellt hat – und nicht die CSU.
Lesen Sie dazu auch: Social-Media-Show der CSU: User beklagen gelöschte Kommentare