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CSU: Seehofer-Abschied: Emotionen müssen draußen bleiben

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Seehofer-Abschied: Emotionen müssen draußen bleiben

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    Der Abschied von Horst Seehofer als CSU-Vorsitzender gestaltete sich eher nüchtern als emotional. Frotzeleien, Lacher und Einblicke ins Seelenleben Seehofers gab es aber dennoch.
    Der Abschied von Horst Seehofer als CSU-Vorsitzender gestaltete sich eher nüchtern als emotional. Frotzeleien, Lacher und Einblicke ins Seelenleben Seehofers gab es aber dennoch. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Als Horst Seehofer an diesem historischen Tag in der kleinen Olympiahalle in München ans Rednerpult tritt, um nach 3739 Tagen seinen Rücktritt als CSU-Chef zu verkünden, weiß kaum jemand im Saal, was ihm vorher ganz besonders „ans Herz gegangen“ ist. Es ist ein langer, handschriftlicher Brief des früheren Ministerpräsidenten Günther Beckstein. Fast hätte er, so verriet Seehofer unserer Zeitung, einige Passagen daraus vorgelesen. Doch er verzichtet darauf. Er will, wozu ihm Beckstein in dem „sehr persönlichen, sehr einfühlsamen“ Schreiben auch geraten habe, die Vergangenheit ruhen und keine neuen Emotionen hochkommen lassen.

    Tatsächlich geht der gesamte Parteitag – nur zwischendurch aufgelockert durch einige Frotzeleien – eher nüchtern über die Bühne. Seehofer und sein Nachfolger und langjähriger Rivale Markus Söder kommen Seite an Seite in den Saal, aber ohne großes Tamtam und Musikbegleitung. Die Parteitagsregie will es so. Wer Demut predigt, so die Logik, sollte nicht auf den Putz hauen.

    Seehofer hält sich an das Konzept und beschränkt sich in seiner Abschiedsrede auf wenige Anmerkungen zur Vergangenheit und der aktuellen Lage der CSU. Dass es die Freien Wähler 2008 und die AfD 2018 in den Landtag geschafft hätten, seien „die eigentlichen beiden Ursachen, warum wir heute auf einem anderen Niveau hantieren“. Über die tieferen Gründe sagt er nichts. Nur so viel: „Ich bin froh darüber, dass ich vieles hingenommen und geschluckt habe, nie darüber geredet habe und in Zukunft auch nicht darüber reden werde.“ Er sei erleichtert. Es bleibe bei ihm „ein glühendes Herz“ für die CSU. Und er habe nur einen Wunsch: „Verachtet mir die kleinen Leute nicht.“

    Seehofer verzichtet nicht völlig auf Sticheleien

    Völlig auf Sticheleien verzichten mag Seehofer aber nicht. In seinem Horoskop, so lässt er die knapp 800 Delegierten im Saal wissen, habe er am Morgen gelesen: „Sie verlieren keinesfalls ihr Gesicht, wenn Sie eine bereits getroffene Entscheidung revidieren.“ Dann fährt er fort: „Vor 15 Jahren hätte ich das als Auftrag empfunden, heute fehlt mir einfach die Risikobereitschaft.“ Das bringt ihm einen vorletzten Lacher bei seinen Parteifreunden ein, die ihn mit einem langen und höflichen Applaus verabschieden.

    Die CSU-Vorsitzenden seit 1945

    Josef Müller (Dezember 1945 bis 1949), Oberfranke aus dem Kreis Kronach: Der legendäre „Ochsensepp“ hob die Partei mit aus der Taufe. Müller setzte die konfessionelle Öffnung der CSU durch.

    Hans Ehard (1949 bis 1955), Oberfranke aus Bamberg: In seine Amtszeit fiel die größte Niederlage der CSU: Bei der Landtagswahl 1950 lag die SPD mit 28 Prozent leicht vor der CSU.

    Hanns Seidel (1955 bis 1961), Unterfranke aus Aschaffenburg: Er sorgte in der CSU für ein Ende der jahrelangen Flügelkämpfe.

    Franz Josef Strauß (1961 bis 1988), Oberbayer aus München: Er prägte die Partei von 1961 bis zu seinem Tod 1988 länger als jeder andere Vorsitzende. 1979 wurde er mit 99,0 Prozent im Amt bestätigt.

    Theo Waigel (1988 bis 1999), Schwabe aus dem Kreis Günzburg: Nach dem Tod von Strauß setzte er auf einen Kurs zwischen „Tradition und Fortschritt“.

    Edmund Stoiber (1999 bis 2007), Oberbayer aus Wolfratshausen: „Laptop und Lederhose“ war das Sinnbild der Ära Stoiber. Er verordnete Bayern einen strikten Sparkurs.

    Erwin Huber (2007 bis 2008), Niederbayer aus dem Kreis Dingolfing: Nach dem nicht ganz freiwilligen Rückzug von Stoiber wurde er an die Spitze der CSU gewählt. Ein Jahr später verlor die CSU die absolute Mehrheit im Landtag, und Huber wurde von Horst Seehofer abgelöst.

    Horst Seehofer (2008 bis 2019), Oberbayer aus Ingolstadt: Machte von 1980 bis 2008 auf Bundesebene Politik. War unter anderem Gesundheitsminister und galt lange als das soziale Gewissen der CSU und Anwalt der kleinen Leute. Nach jahrelangem Machtkampf folgt auf ihn sein Erzrivale Markus Söder.

    Die Aufgabe, Seehofers Arbeit als Parteichef zu würdigen, fällt der stellvertretenden CSU-Vorsitzenden Angelika Niebler zu. Sie dankt ihm für seine „Schaffenskraft“, seinen Einsatz für Frauen und für die Mütterrente und dafür, dass es ihm bei der Landtagswahl 2013 gelungen sei, „dem Mythos CSU neues Leben einzuhauchen“. Dann überreichen Söder, Generalsekretär Markus Blume und die anderen Parteivizes ihr Abschiedsgeschenk: ein maßstabsgetreues Modell der neuen CSU-Zentrale in München für seine Modelleisenbahn. Seehofers Kommentar: „Danke, lieber Markus, das löst bei mir wahrscheinlich in den nächsten Jahren den Wunsch aus, dort wieder einzuziehen.“ Noch einmal lacht der Saal. Aber dann schlägt die Stunde des Nachfolgers.

    Söder wiederholt, was er in den Tagen und Wochen davor schon bei den CSU-Klausuren gesagt hatte. Er spricht von Aufbruch und Erneuerung, von einer Reform der Partei, von seinem Ziel, die CSU jünger, weiblicher und moderner zu machen und ihre Einzigartigkeit als „Volkspartei“ erhalten zu wollen. „Ich will mit Herz, Leidenschaft und Verstand für diese Partei arbeiten“, verspricht Söder und schlägt vor, Seehofer neben den früheren Parteichefs Theo Waigel und Edmund Stoiber zum dritten Ehrenvorsitzenden der CSU zu wählen.

    Wie Delegierte Söders Wahlergebnis interpretieren

    Söders eigenes Wahlergebnis bleibt mit 87,4 Prozent der gültigen Stimmen im Rahmen der Erwartungen. Die Auffassung von Beobachtern, dass erst 90 Prozent plus x ein echter Vertrauensbeweis gewesen wären, wird von der Mehrheit der Delegierten nicht geteilt. Das Ergebnis sei „ordentlich und ehrlich“, heißt es hinterher. Seehofer wird per Handzeichen fast einstimmig zum Ehrenvorsitzenden gewählt.

    Söder revanchiert sich für Seehofers Sticheleien bei der Übergabe der Urkunde mit den Worten, dass seiner Ansicht nach das Amt des Ehrenvorsitzenden nicht mehr dazu berechtige, erneut für den Parteivorsitz zu kandidieren.

    Der Parteitag endet mit Reden des Spitzenkandidaten für die Europawahl, Manfred Weber, und der CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Bei der abschließenden Antragsberatung ist der Saal schon fast leer. Zum Lachen gibt es nur noch am Rande etwas. Seehofer wie Waigel schließen auf Nachfrage kategorisch aus, dass die drei Ehrenvorsitzenden eine Skatrunde gründen könnten. „Ganz sicher nicht“, sagt Waigel. Aber das ist noch einmal eine ganz andere, noch ältere Geschichte…

    Auch in unserem Podcast "Bayern-Versteher" geht es um Söder, Seehofer und die Zukunft der CSU. Hier können Sie reinhören:

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