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CSU: In Lauerstellung: Söder will Seehofer beerben

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In Lauerstellung: Söder will Seehofer beerben

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    Ist Söders Zeit gekommen? Horst Seehofer ist skeptisch.
    Ist Söders Zeit gekommen? Horst Seehofer ist skeptisch. Foto: Sven Hoppe

    Vielleicht hält Markus Söder das in diesen Tagen und Stunden für die beste Lösung: abwarten, den Sturm über sich hinweg ziehen lassen und selber kein Wort sagen. Jedenfalls sagt der bayerische Finanzminister auch an diesem Montag, an dem er und sein Chef Horst Seehofer die Zeitungs-Schlagzeilen im Land beherrschen, nichts dazu. Kein Wort zu Seehofer, kein Wort zu der Drohung, die der Ministerpräsident im neuen "Spiegel" ausgesprochen hat: dass er 2018 entgegen bisheriger Bekundungen doch nochmal antreten könnte.

    Die Botschaft an Söder lautete: Es reicht. Seehofer hat - so scheint es - genug von Söders Vorstößen, mit denen der Nürnberger in den vergangenen Tagen und Wochen von sich reden machte: ein "Konjunktur-Check" für alle Pläne der Berliner Koalition, eine teilweise Umwidmung des Fluthilfefonds für die Flüchtlingshilfe, eine neue Mautbehörde für Ostbayern. Alles publikumswirksame, gekonnt platzierte Ideen. "Der Stichling", so überschrieb der "Spiegel" seine aktuelle Geschichte.

    Markus Söder sieht seine Zeit gekommen

    Seit Jahren schon ist Söder in Lauerstellung. Er wartet auf den geeigneten Zeitpunkt, um sich endgültig als Nachfolger Seehofers in Stellung zu bringen. Als es 2008 um das Erbe Günther Becksteins ging, da sagte der CSU-Politiker noch vielsagend: "Für mich ist es jetzt zu früh." Inzwischen aber sieht Söder seine Zeit längst gekommen.

    Chronologie: Der Fall Haderthauer

    Als junge Rechtsanwältin steigt die spätere Staatskanzleichefin Christine Haderthauer 1990 in das Modellauto-Geschäft ein. Ein knappes Vierteljahrhundert später steht sie unter Betrugsverdacht.

    16. Mai 1988 - Der dreifache Sexualmörder Roland S. wird vom Landgericht Nürnberg zu lebenslanger Haft und Unterbringung verurteilt. Im Maßregelvollzug lernt S. Assistenzarzt Hubert Haderthauer kennen.

    1990 - Der Dreifachmörder baut Modellautos. Haderthauers Frau Christine wird Teilhaberin der Firma Sapor Modelltechnik, die die Autos verkauft. Ein Mitgesellschafter ist der Franzose Roger Ponton. Das Geschäft läuft schlecht, Ponton soll Geld nachschießen. Laut Haderthauer antwortet er nicht auf entsprechende Kontaktversuche und ist seit 1996 nicht mehr erreichbar.

    2004 - Haderthauer überträgt nach ihrem Einzug in den Landtag ihren Firmenanteil an Ehemann Hubert.

    2008 - Christine Haderthauer wird Ministerin, Hubert Haderthauer - inzwischen Landgerichtsarzt in Ingolstadt - verkauft die Firma.

    6. April 2011 - Der nach Darstellung der Haderthauers jahrelang nicht erreichbare Ponton meldet sich und verlangt eine Abfindung für seinen Anteil. Die Parteien einigen sich auf 20 000 Euro.

    2013 - Der «Spiegel» berichtet über die Modellauto-Geschäfte. Die bayerische Landesanwaltschaft führt unter anderem wegen der früheren Modellauto-Geschäfte ein Disziplinarverfahren gegen Dr. Haderthauer.

    Mai 2014 - Ponton erstattet Betrugsanzeige. Er vermutet, dass die Haderthauers ihn bei der Abfindung um rund 30 000 Euro prellten.

    1. August 2014 - Die Staatsanwaltschaft München II leitet förmliche Ermittlungen wegen Betrugsverdachts gegen die Staatskanzleichefin ein. Gegen ihren Mann wurde bereits vorher ermittelt.

    5. August 2014 - Seehofer macht den Verbleib Haderthauers im Amt von zwei Faktoren abhängig: dem Ausgang des Ermittlungsverfahrens und eventuellen neuen Enthüllungen.

    10. August 2014 - Seehofer fordert von Haderthauer schnelle Aufklärung der Vorwürfe.

    1. September 2014: Haderthauer erklärt ihren Rücktritt wegen der «Modellbau-Affäre».

    Söders erstes Problem sind seine Konkurrentinnen und Konkurrenten, die Seehofer so gerne aufzählt - wobei zwei davon nicht mehr im Rennen sind: Der einstige Überflieger Karl-Theodor zu Guttenberg ist raus, ebenso Ex-Staatskanzleichefin Christine Haderthauer, die vor kurzem über die sogenannte Modellauto-Affäre stürzte. Es bleiben Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, Innenminister Joachim Herrmann und  Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt - wobei Dobrindt mit der Maut zu kämpfen hat und Herrmann lieber im Stillen seine Arbeit macht. Doch auch Aigner, als Chefin der Oberbayern-CSU mit einer starken Machtbasis ausgestattet, kann derzeit nicht überzeugen. Öffentlich wahrgenommen werden fast nur Seehofer und Söder.

    Horst Seehofers Zaudern ist Markus Söders Chance

    Söders zweites Problem ist Seehofer. Der Ministerpräsident duldet - das ist die allgemeine Einschätzung in der Partei und auch regelmäßig sichtbar - keinen zweiten starken CSU-Mann neben sich. Doch Söder ist eben, das räumen viele in der CSU ein, neben Seehofer das einzige politische Alpha-Tier, das die Partei hat: machthungrig, selbstbewusst, ein gewiefter Stratege, ein Taktierer - kurz: ein Polit-Profi. Und einer, der sich in Szene zu setzen weiß und der als wortgewandter Gesprächspartner in Talkshows ein gern gesehener Gast ist. Seehofer meidet derlei Termine, was Söder allzu gerne ausnutzt. 

    Doch Söders drittes Problem heißt Söder. In der CSU-Landtagsfraktion nämlich wird der Franke zwar geschätzt, aber bestimmt nicht von allen geliebt. Zu laut, zu forsch ist einigen der 47-Jährige noch immer. Wobei sich Söder, vor allem seit er Finanzminister ist, immer mehr Respekt und Achtung bei seinen Abgeordnetenkollegen erarbeitet hat, durch sein Agieren in Sachen BayernLB oder beim Breitband-Ausbau. Auch seine Haushaltspolitik wird in der CSU allgemein anerkannt.

    Die Stimmung kann ganz schnell kippen

    Einmal scharte sich die Fraktion sogar demonstrativ hinter Söder - und stellte sich gegen Seehofer. Das war Ende 2012, nachdem Seehofer vor Journalisten über Söder hergezogen hatte, ihm bescheinigt hatte, er betreibe "zu viele Schmutzeleien", sei "von Ehrgeiz zerfressen".

    Die Lehre damals war: Die Stimmung kann gegebenenfalls ganz schnell kippen. Und was, wenn die Umfragewerte für die CSU irgendwann nach unten gehen sollten, wenn die Partei irgendwann nervös werden sollte?

    Seehofers Angst - Seehofers Chance

    Seehofers Ansage im "Spiegel" ist nach überwiegender Lesart in der CSU auch der Versuch, für solche Eventualitäten vorzubauen. Würde das Ende seiner Amtszeit sicher bevorstehen, wäre er als "lame duck" hochgefährdet, früher als geplant zum Rückzug gedrängt zu werden. Indem sich Seehofer nun eine erneute Kandidatur offenhält, muss es erst einmal jemanden geben, mit dem sich die Partei 2017 und 2018 bessere Wahlchancen ausrechnet. Daran wird Söder trotz Seehofers Grätsche weiter arbeiten: dass er selbst dann dieser "Jemand" ist.

    Die zehn bayerischen Ministerpräsidenten seit 1945

    Das Amt des Ministerpräsidenten gibt es in Bayern seit 1919, der aktuelle Amtsinhaber Horst Seehofer ist der zehnte Regierungschef im Freistaat seit 1945.

    Laut bayerischer Verfassung leitet der Ministerpräsident die Staatsregierung, beruft ihre Mitglieder mit Zustimmung des Landtags und vertritt Bayern nach außen.

    Die Liste der bayerischen Ministerpräsidenten seit Ende des Zweiten Weltkriegs:

    Fritz Schäffer, Mai bis September 1945. Einsetzung als «temporary Minister-Präsident for Bavaria» durch die US-Militärregierung, aber bald wieder abgesetzt. Zum Zeitpunkt seiner Ernennung parteilos, später Mitgründer der CSU.

    Wilhelm Hoegner (SPD), September 1945 als Nachfolger Schäffers eingesetzt und bis Ende 1946 im Amt. Vater der bayerischen Verfassung. Zweite Amtszeit 1954 bis 1957 als Chef der bisher einzigen SPD-geführten Staatsregierung.

    Hans Ehard (CSU), 1946 bis 1954, zweite Amtszeit 1960 bis 1962. Bildete insgesamt viermal die Staatsregierung.

    Hanns Seidel (CSU), 1957 bis 1960, der erste und bislang einzige Ministerpräsident aus Unterfranken.

    Alfons Goppel (CSU), 1962 bis 1978. Mit 16 Jahren Amtszeit der bisherige Rekordhalter. Bildete bis 1978 eine Doppelspitze mit Franz Josef Strauß als CSU-Chef. In beider Amtszeit wurde die CSU zur beherrschenden politischen Kraft in Bayern.

    Franz Josef Strauß (CSU), 1978 bis 1988. Übernahm von Goppel auch das Ministerpräsidentenamt und stand damit bis zu seinem Tod allein an der Spitze. 1980 Unions-Kanzlerkandidat.

    Max Streibl (CSU), 1988 bis 1993, stürzte über die Amigo-Affäre.

    Edmund Stoiber (CSU), 1993 bis 2007, mit 14 Jahren die zweitlängste Amtszeit nach Goppel. Verfehlte 2002 als Unionskandidat ganz knapp das Kanzleramt. 2007 von der CSU gestürzt.

    Günther Beckstein (CSU), 2007 bis 2008. Musste nach nur einem Jahr zurücktreten, weil die CSU bei der Landtagswahl 2008 die absolute Mehrheit verloren hatte.

    Horst Seehofer (CSU), Ministerpräsident seit 2008. Wollte eigentlich nur CSU-Chef werden und nicht Ministerpräsident, von der CSU 2008 als Retter in der Not aus Berlin nach München gerufen.

    Behauptet inzwischen ebenso wie sein Vorbild Strauß, dass der bayerische Ministerpräsident das schönste Amt der Welt sei.

    Bemerkenswert ist: Auch an diesem Montag wird Söder, wie schon Ende 2012, von einigen seiner Abgeordnetenkollegen in Schutz genommen. "Was hat er denn inhaltlich Falsches gesagt?", fragt einer. Ein Finanzminister werde schließlich noch eigene Vorschläge machen dürfen. (dpa) 

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