„Der Islam gehört nicht zu Deutschland.“ Herr Blume, können Sie uns als Generalsekretär der CSU erklären, was der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer mit diesem Satz bezweckte und was er genau bedeutet?
Blume: Das ist eine wichtige Standortbestimmung und übrigens für die Mehrheit der Deutschen auch eine Selbstverständlichkeit. Man muss sich wundern, dass so eine Selbstverständlichkeit solche Wellen auslöst. Es geht hier um die Frage, was dieses Land geprägt hat. Es ist nach der Faktenlage und auch nach der Gefühlslage völlig unstrittig, dass Deutschland christlich-abendländisch geprägt ist und nicht vom Islam. Wer in diesem Satz einen Akt der Ausgrenzung sieht, der handelt böswillig und versteht die Debatte nicht. Horst Seehofer hat im Übrigen die notwendige Differenzierung gleich mitgeliefert: Die Muslime im Land, die mit uns und nicht gegen uns leben wollen, gehören selbstverständlich dazu.
Beim politischen Aschermittwoch der CSU in Passau heißt es regelmäßig: In Deutschland gilt das Grundgesetz und nicht die Scharia. Da könnte man doch auch sagen: In Deutschland gilt das Grundgesetz und nicht die Zehn Gebote. Wo ist der Unterschied?
Blume: Der Unterschied ist, dass die Scharia von radikalen Muslimen als alternatives Recht angewandt wird. Aber wir werden nicht zulassen, dass die Scharia unsere Rechtsordnung, das staatliche Gewaltmonopol oder den staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag, ersetzt. Unsere gesamte Rechts- und auch Gesellschaftsordnung baut auf einer Übereinkunft an Grundwerten auf, die ihre Ursprünge im christlichen Menschenbild hat. Es geht hier um die Frage der kulturellen Identität. Es geht darum, was dieses Land im Innersten zusammenhält. Und das ist mehr als bloß der Text des Grundgesetzes; es ist unsere kulturelle Grundordnung. Im Übrigen: Niemand wird ernsthaft wollen, dass das Frauenbild des Islam oder ein politisches Verständnis der Scharia Teil unseres Landes wird. Wir müssen aufhören, uns in dieser zentralen Frage der kulturellen Identität ständig selbst zu verunsichern. Nicht umsonst gibt es beim Aschermittwoch zu dieser kulturellen Frage stets den größten Applaus.
Die „Axt an unserer offenen Gesellschaft“
Bei Ihrer schärfsten Konkurrenz von rechts, der AfD, klingt das ganz ähnlich. Wie grenzen Sie sich davon ab?
Blume: Moment. Wir machen Politik nicht deshalb, um uns von irgendjemandem abzugrenzen, sondern um das anzusprechen, was notwendig ist. Es geht darum, die Probleme zu lösen, die den Menschen unter den Nägeln brennen. Und es ist offensichtlich, dass die kulturelle Prägung unseres Landes für viele Menschen ein zentrales Thema ist. Wer versucht, diese Debatte abzuwürgen, wie Andrea Nahles das macht, oder wer gar diejenigen, die Selbstverständlichkeiten aussprechen, zu Spaltern erklärt, der legt am Ende die Axt an unsere offene Gesellschaft.
Haben denn die Grundwerte, von denen Sie reden, tatsächlich so viel mit Glaubensfragen zu tun?
Blume: Zur Leitkultur des Jahres 2018 gehört eine gehörige Portion Toleranz. Das hat in Bayern schon immer dazugehört, dieses „leben und leben lassen“. Ich muss andere auch aushalten. Das darf aber nicht verwechselt werden mit Beliebigkeit. Und da sind leider viele unterwegs, die aus falsch verstandener Toleranz dann anfangen, Kreuze abzuhängen, Osterfeste in Frühlingsbasteln umzudefinieren oder die Speisepläne abzuändern. Es gibt den schönen Satz von Karl Popper: Wer auch den Intoleranten mit Toleranz begegnet, der wird dafür sorgen, dass zuerst die Toleranz verschwindet und dann die Toleranten. Das heißt, eine offene Gesellschaft muss auch wehrhaft sein. Deswegen dürfen wir bei solchen Diskussionen nicht wackeln. Es geht um die Frage, wie wir Weltoffenheit und Heimat auch in Zukunft zusammenbringen. Darin unterscheiden wir uns als CSU von den anderen. Die schlagen sich entweder auf die Seite von Multikulti und sagen, es soll jeder hier machen, was er will. Oder sie fordern kulturelle Abschottung und sagen, es darf keiner mehr rein. Das war nicht die CSU und das ist nicht die CSU. Als die große Volkspartei in Bayern haben wir die Aufgabe, diese Konflikte aufzulösen. Die Erfolgsformel dafür ist längst da, sie wird hier seit Jahrzehnten praktiziert: Heimat und Weltoffenheit zu leben funktioniert unstrittig nirgendwo besser als im Freistaat Bayern.
Frei nach Strauß: Liberal samma scho, aber blöd samma ned
Gerhard Polt sagt, nur ein Depp ist immer tolerant.
Blume: Es gibt auch den schönen Satz von Franz Josef Strauß: Liberal samma scho, aber blöd samma ned. Da geht es auch um Gefühl. Wir schätzen die große Freiheit, aber wir dürfen nicht blind dafür sein, dass Freiheit immer auch Ordnung braucht. Ein Grundgefühl dieser Zeit ist: Wir haben einen gewaltigen Zuwachs an neuen Möglichkeiten, aber das korrespondiert auf der anderen Seite mit Ordnungsverlusten und Unsicherheiten. Deshalb brauchen wir einen starken Anker. Das sind Heimat und kulturelle Identität. Ich bin sehr froh darüber, dass Horst Seehofer als neuer Innenminister sich jetzt auch daranmacht, in diesem Land wieder solche Leitplanken einzuziehen.
Die CSU hat in Wahlen und Umfragen an Gefolgschaft verloren. Das „Mitte-Rechts-Lager“, das sie abdecken wollen, ist zersplittert, insbesondere in der Flüchtlingspolitik. Da müssen Sie doch mehr tun, als nur zu sagen, wir haben immer schon die richtigen Antworten.
Blume: Das strategische Ziel ist, dass wir die Reihen wieder schließen. Die CSU kann und wird sich nicht damit abfinden, dass sich das bürgerliche Lager so zersplittert. Und wir wollen auch nicht zulassen, dass sich in Bayern eine Partei neben uns breitmacht, die mit Bayern überhaupt nichts zu tun hat, die durch und durch unbayerisch ist.
Was heißt unbayerisch?
Blume: Die Protagonisten und das Programm der AfD sind völlig unverträglich mit der bayerischen Art, der Liberalitas Bavariae. Das hat mit „leben und leben lassen“ nichts zu tun. Und es heißt ja auch nicht Alternative für Bayern…
Risse zwischen den Kirchen und der CSU
Und Ihre Antwort auf die Zersplitterung? Sie haben auf der einen Seite die AfD, auf der anderen Seite engagierte Christen, die sich um Flüchtlinge kümmern, Unternehmer, die Flüchtlinge beschäftigen wollen, und Stadtgesellschaften, die Zuwanderern viel aufgeschlossener begegnen, als das in einigen ländlichen Regionen der Fall ist.
Blume: Es ist eine große Aufgabe, die Zerrissenheit der Gesellschaft in dieser Frage zu überwinden. Da geht es nicht einfach um links oder rechts, richtig oder falsch. Hier gibt es mehrere Dinge, die gleichzeitig wichtig sind und sich nicht gegenseitig ausschließen. Wer zu Recht hier ist, soll auch hier arbeiten dürfen. Wer offenkundig kein Schutzbedürfnis hat, muss mit aller Konsequenz in seine Heimat zurückgeführt werden. Gleichzeitig müssen wir die Bekämpfung der Fluchtursachen verstärken. Das gehört alles zusammen, auch im christlichen Verständnis von Verantwortung. Unser Ziel ist es, alle bürgerlichen Interessen zusammenzubinden. Und ich will auch die vereinzelten Risse, die in den vergangenen Jahren zwischen den Kirchen und der CSU entstanden sind, wieder kitten. Wir müssen gemeinsam sicherstellen, dass die großen gesellschaftlichen Konfliktlinien keine Konfliktlinien bleiben. Und da müssen wir auch über die Frage reden, wie Debatten in unserem Land geführt werden. Alle großen Institutionen, Volksparteien wie Volkskirchen, müssen sich fragen lassen, ob sie in den vergangenen drei Jahren unterschiedlichen Überzeugungen ausreichend Raum gegeben haben.
In Bayern steht die Landtagswahl vor der Tür. Die CSU muss um die absolute Mehrheit bangen und steht dabei einem strategischen Problem gegenüber. 2013 trat die Opposition mit der Drohung an, die CSU durch eine Viererkoalition abzulösen. Dieses Mal wollen fast all ihre politischen Gegner in eine Koalition mit der CSU. Sie können also nicht mehr vor einer „Vierer-Koalition“ warnen.
Blume: Wir werden uns in den nächsten Monaten nicht mit Diskussionen über mögliche Koalitionen aufhalten. Für einen Beauty-Contest stehen wir definitiv nicht zur Verfügung. Die Leute erwarten von der CSU, dass Bayern gut regiert wird. Der neue Ministerpräsident Markus Söder hat deutlich gemacht, dass er dies an jedem einzelnen Tag bis zur Wahl tun wird. Andere reden, die CSU macht es. Ich bin mir sicher, dass wir bei der Regierungserklärung nach den Osterferien ein ganzes Feuerwerk von Ideen und Vorschlägen sehen werden, wie wir die Erfolgsgeschichte des Freistaats fortschreiben und uns um die Bedürfnisse der Menschen kümmern. Wenn ich Volkspartei bleiben will, dann muss ich mich jeden Tag radikal bemühen, der ganzen Bandbreite bürgerlicher Überzeugungen politische Heimat zu geben.
Zur Person: Markus Blume, 43, ist in München geboren, verheiratet und hat zwei Kinder. Der Politikwissenschaftler ist seit dem 14. März 2018 Generalsekretär der CSU.
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