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Bundeswehr: Sohn eines Radarsoldaten möchte Entschädigung

Bundeswehr

Sohn eines Radarsoldaten möchte Entschädigung

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    „Die Wahrscheinlichkeit liegt bei 0,05 Prozent, dass die Gesundheitsstörung des Sohnes dadurch ausgelöst worden ist.“Auszug aus einem nicht-öffentlichen Brief
    „Die Wahrscheinlichkeit liegt bei 0,05 Prozent, dass die Gesundheitsstörung des Sohnes dadurch ausgelöst worden ist.“Auszug aus einem nicht-öffentlichen Brief Foto: Dieter Neumann

    In den dunklen Wintermonaten gibt es Tage, da möchte Dieter Neumann am liebsten aufgeben. Die Kälte tut ihm nicht gut, die Phantomschmerzen toben heftig. Dazu kommt: Sein Rollstuhl ist defekt. Wer soll ihn reparieren? Wer zahlt die Kosten? Solche Fragen sind es, die den 51-jährigen Friedberger im Alltag zerreiben.

    Der Sohn eines früheren Radarsoldaten der Bundeswehr ist seit der Geburt schwerstbehindert. Als vor gut zehn Jahren klar wurde, dass dies offenbar mit dem Beruf seines Vaters zu tun hatte, begann er, um eine Entschädigung von der Bundeswehr zu kämpfen. Rund hundert Fälle waren bekannt, als der Stern 2001 erstmals über das Martyrium von Bundeswehrtechnikern berichtete, die in den sechziger und siebziger Jahren ungeschützt an Radarsystemen von Starfighter-Jets oder Marineschiffen gearbeitet hatten.

    Schnell meldeten sich immer mehr Betroffene. Auch bei der Nationalen Volksarmee der DDR waren Soldaten Radarstrahlen ausgesetzt. Von einem „Riesenskandal“ war die Rede. Am Ende klagten knapp 2000 Opfer. Manche wurden entschädigt, andere sind gestorben. Leute wie Neumann warten.

    Diverse Politiker haben sich bereits vergeblich eingesetzt

    Schon diverse Politiker haben sich für den Friedberger eingesetzt. Vergeblich. Vor kurzem hat sein Anwalt Theo Körner eine Petition beim Bundestag eingereicht. Über sie ist noch nicht entschieden. Bis 15. Dezember soll die Bundeswehr dazu Stellung nehmen. Doch die Antwort droht die gleiche zu werden, wie bei vorhergehenden Vorstößen Neumanns (wir berichteten).

    Das Verteidigungsministerium hat seinen Fall schon mehrmals geprüft. Das Ergebnis war immer gleich niederschmetternd: Es kann nicht davon ausgegangen werden, wie es in einem inoffiziellen Briefwechsel heißt, „dass die Behinderung von Herrn Neumann auf die dienstlichen Tätigkeiten seines Vaters als Radarsoldat zurückzuführen ist“, heißt es im Amtsdeutsch.

    „Ich fühle mich total verarscht“, reagiert Neumann ziemlich verärgert. 32 Operationen hat der 50-Jährige hinter sich, verbrachte zehn Jahre im Krankenhaus. Zweimal schon stand sein Leben auf der Kippe.

    War die Radarstrahlung die Ursache für die Behinderung?

    Bei der Bundeswehr zweifelten Gutachter. Die Radarstrahlung hätten die Spermien seines Vaters nicht so stark schädigen können, dass seine multiple Behinderung die Folge war. Bereits 2004 wurde am Institut für Radiobiologie der Bundeswehr eine Stellungnahme eingeholt. Diese endete in dem Resümee: „Bei der angenommenen maximal akkumulierten Strahlendosis des Vaters liegt die Wahrscheinlichkeit bei 0,05 Prozent, dass die Gesundheitsstörung des Sohnes dadurch ausgelöst worden ist.“

    Heinz Dankenbring empört so ein Satz. Der 75-Jährige arbeitete einst mit Neumanns Vater in einer Radarstellung auf dem Lechfeld bei Augsburg. Auch er ist inzwischen schwer krank. Hautkrebs. Auch bei ihm war Röntgenstrahlung die Ursache. 33 Jahre war der Radarmechaniker bei der Bundeswehr beschäftigt. Heute ist er stellvertretender Vorsitzender des Bundes zur Unterstützung Radargeschädigter und setzt sich nicht zuletzt auch für Neumann ein.

    Drei Kinder von Soldaten derselben Radarstation haben Fehlbildungen

    In Gutachten, die er erstellen ließ, kommen Fachleute auf um ein Vielfaches höhere Strahlenwerte als die Bundeswehrexperten. Was diese auch nicht wahrnahmen: Drei Kinder von Soldaten, die damals in derselben Radarstation arbeiteten, hatten vergleichbare Fehlbildungen wie Neumann. „Alles nur Zufall?“, fragt Dankenbring kopfschüttelnd.

    Bundeswehr: Spermien fallen nicht unter das Soldatenversorgungsgesetz

    Doch es geht nicht nur um Fakten, der Fall ist auch juristisch verzwickt. Nach Informationen unserer Zeitung ist das Soldatenversorgungsgesetz für Neumann schlichtweg nicht ausgelegt. Ansprüche können daraus nur erwachsen, wenn eine Soldatin während der Schwangerschaft verstrahlt wurde, heißt es im Verteidigungsministerium. Dass Strahlen Spermien von Soldaten beeinflussen können, sei darin überhaupt nicht vorgesehen. Um zivilrechtlich eine Chance zu haben, müsste Neumann nachweisen können, dass aber genau dies der Fall ist. Auf der Hardthöhe hält man dies für schier unmöglich. Zumal Neumann wichtige Unterlagen fehlen. „Jüngst sind zu allem Überfluss auch noch die Akten meines Vaters verschwunden“, klagt er.

    Entschädigung: Neumann bleibt kämpferisch

    Obwohl Neumann nach wie vor Unterstützer verschiedener Parteien hat, schwindet bei ihm die Hoffnung, dass sein Fall anerkannt wird. Bleibt also nur die in diesem Jahr gegründete Härtefallstiftung, die Betroffenen unbürokratisch helfen soll, wie Verteidigungsstaatssekretär Christian Schmidt betonte.

    Neumann versucht auch diese Chance zu nutzen. Doch möglicherweise muss er als Kind eines Radarsoldaten auch hier einen Zusammenhang zwischen seinen Krankheiten und dem Job seines Vaters wasserdicht nachweisen. Trotzdem bleibt Dieter Neumann kämpferisch: „Ich gebe nicht auf.“ Und es klingt fast ein wenig trotzig, wenn er sagt: „Auf die biologische Lösung können die bei mir lange warten.“

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