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Bundesgerichtshof: Brutaler Sex-Täter aus Nordschwaben wird freigelassen

Bundesgerichtshof

Brutaler Sex-Täter aus Nordschwaben wird freigelassen

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    Das Urteil ist gesprochen.
    Das Urteil ist gesprochen.

    Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die nachträgliche Sicherungsverwahrung eines Sexualstraftäters aufgehoben. Der 1. Strafsenat korrigierte damit ein im Vorjahr verhängtes Urteil des Augsburger Landgerichts.

    Das Verbrechen hatte 2002 in der Region wegen seiner besonderen Brutalität für Aufsehen gesorgt. Auf dem Heimweg von einem Kneipenbummel hatte der Täter einer 25-jährigen Frau aufgelauert, sie in ein Gebüsch gezerrt und sie mehr als eine Stunde lang vergewaltigt. Für den heute 37-Jährigen, der schon im Oktober 2007 entlassen werden sollte, öffneten sich Ende Januar die Gefängnistore.

    Der jetzt bekannt gewordene Beschluss des BGH dürfte Anlass zu Diskussionen geben, zeigt er doch, wie hoch die juristischen Hürden sind, um als gefährlich eingeschätzte Täter nach verbüßter Strafe in Haft zu behalten. In Justizkreisen wird den Regierenden im Bund und in den Ländern der Vorwurf "unklarer Vorgaben" gemacht. Die Formulierungen des Gesetzgebers dazu werden als "Wischi-Waschi" kritisiert.

    Im konkreten Fall hatte die Justizvollzugsanstalt München Stadelheim, wo der Mann fünf Jahre in einer Abteilung für Sexualstraftäter einsaß, schon 2007 davor gewarnt ihn zu entlassen. Das führte ein Jahr später in Augsburg zu einem erneuten Prozess. Das Gericht entschied, der 37-Jährige sei aus Gründen der allgemeinen Sicherheit nicht in die Freiheit zu entlassen.

    Zwei Gutachter waren skeptisch

    Die 1. Strafkammer mit dem erfahrenen Vorsitzenden Joachim Rahlf hatte sich auf Feststellungen von zwei der drei Gutachter gestützt. Sie hatten sich skeptisch geäußert, ob die mehrjährige Therapie den 37-Jährigen dauerhaft verändert hat. Gutachter Ralf-M. Schulte will bei ihm eine "überdurchschnittliche, sexuelle Zwanghaftigkeit" festgestellt haben. Schon als 17-Jähriger war er als Exhibitionist aufgefallen.

    Der 1. Strafsenat in Karlsruhe macht in seinem jetzigen Beschluss (AZ 1 STR 618/08) geltend, Wille des Gesetzgebers sei es, dass die Sicherungsverwahrung "nur bei einer geringen Anzahl denkbarer Fälle in Betracht kommt, bei denen der Verurteilte zum Entlassungszeitpunkt als hochgefährlich einzustufen ist". Dafür müssten neue, gewichtige Tatsachen vorgetragen werden.

    Diese konnten die höchsten Richter im Falle des in Nordschwaben beheimateten Mannes nicht erkennen. Ein brutales Foul bei einem Fußballspiel in der Anstalt und wiederholte Aggressionen gegenüber anderen Häftlingen, sowie dem Anstaltspersonal sind aus Sicht der Richter nichts Ungewöhnliches - im Strafvollzug "typisch" oder doch "weit verbreitet".

    Zumal der Sachverständige Prof. Norbert Nedopil im Prozess vorgetragen hatte, die anfangs unbeherrschten Ausbrüche des Häftlings seien auf die Einnahme später abgesetzter Medikamente zurückzuführen. Dass der 37-Jährige im Gefängnis anzügliche Briefe schrieb, auch an seine Schwester, erlaubt nach Ansicht des BGH ebenfalls noch keinen Rückschluss, auf seine "zukünftige, gravierende Gefährlichkeit" - zumal die angeschriebenen Frauen nichts dabei fanden. Eine antwortete ihm sogar wunschgemäß mit einem Foto "oben ohne".

    Der Augsburger Rechtsanwalt Ralf Schönauer, der den Angeklagten beide Male verteidigt hat, begrüßt den BGH-Beschluss als "wichtig" in der Sache und "großen Erfolg". Das Gericht hat seinem Mandanten einen Betreuer an die Seite gestellt. Er überwacht den 37-Jährigen, der weiterhin regelmäßig einen Therapeuten aufsucht und Medikamente einnimmt.

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